Parlamentskorrespondenz Nr. 63 vom 01.02.2006

Breite Themenpalette im Gesundheitsausschuss

Abgeordnete wegen gentechnisch veränderter Organismen besorgt

Wien (PK) - Im weiteren Verlauf seiner Sitzung hat der Gesundheitsausschuss auf Antrag der Regierungsparteien (751/A) eine Anpassung des Arzneiwareneinfuhrgesetzes an das Blutsicherheitsgesetz einstimmig verabschiedet. Abgeordneter August Wöginger (V) erläuterte den Antrag mit der Zielsetzung, die Wettbewerbschancen bei gleichzeitiger Erhaltung eines hohen Schutzniveaus bei Blutprodukten zu verbessern. Den Antrag des Abgeordneten auf Vertagung von SPÖ-Anträge zum Thema Arzneimittel für Kinder und Jugendliche nahm der Ausschuss mit der Mehrheit der Regierungsparteien an. Die SP-Abgeordneten Renate Csörgits und Manfred Lackner kritisierten die Vertagung und unterstrichen in ihren Wortmeldungen ihren Entschließungsantrag für die Erstellung einer Studie über den Einsatz von "Erwachsenenmedikamenten" in der Kinderheilkunde, ihr Verlangen nach einem Gesetzentwurf zur Einbeziehung von Kinderärzten in die wissenschaftliche und ethischen Evaluation von Prüfplänen, die Arzneimittel für Kinder und Jugendliche betreffen, und ihre Forderung nach Vorlage eines Berichts über die Verlängerung des Patent- und/oder Verwertungsschutzes, wenn der Arzneimittelhersteller eine Indikationsstellung des Medikaments auch für die Kinderheilkunde beantragt.

Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat sagten den Abgeordneten Manfred Lackner (S) und Elmar Lichtenegger (F), die auf die Vorlage vorhandenen Studien zum Thema "Erwachsenenmedikamente in der Kinderheilkunde" drängten, zu, über die Ergebnisse einer diesbezüglichen EU-Studie zu berichten.

Patientencharta nun auch mit Wien abgeschlossen

Nach den Bundesländern Kärnten, Burgenland, Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark, Tirol und Vorarlberg hat nunmehr auch Wien den Wunsch geäußert, mit dem Bund eine Patientencharta abzuschließen. Die diesbezügliche Vorlage wurde vom Ausschuss einstimmig an das Plenum weitergeleitet.

Im Zuge der Diskussion über die Regierungsvorlage betreffend eine Patientencharta wurden auch drei Anträge der Sozialdemokraten in Verhandlung genommen. So trat der Abgeordnete Manfred Lackner (S) dafür ein, dass im Gesundheitsbericht ein gesondertes Kapitel, in dem die Tätigkeit der Schlichtungsstellen im Medizinbereich (Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern, PatientInnenanwaltschaften) anonymisiert erfasst und ausgewertet wird, aufgenommen wird. (261/A[E]) In einem weiteren Antrag treten die S-Abgeordneten für die Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die PatientInnenentschädigung ein, da sie befürchten, dass PatientInnen weit unter der ihnen tatsächlich zustehenden Entschädigungshöhe abgefunden werden. Außerdem wird eine umfassende, sozial gerechte Gesundheitsreform, die eine Neuregelung der Medizinhaftung ebenso wie eine Versicherung, die an Stelle des einzelnen Arztes oder der Krankenanstalt haftet, beinhalten soll, von den SPÖ-Mandataren. (263/A[E])

Abgeordnete Ridi Steibl (V) stellte kritisch fest, dass Wien das vorletzte und Salzburg das letzte Bundesland seien, die der Patientencharta beitreten.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) kritisierte, dass die Patientencharta keinerlei Rechtswirksamkeit habe und mit keinem Wort auf die Behindertengleichstellung eingehe.

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat stellte dazu fest, dass die Patientencharta erst dann weiter entwickelt werden könne, wenn alle Bundesländer beigetreten sein werden. Diese Aufgabe werde sie unverzüglich in Angriff nehmen, sagte die Ministerin der Abgeordneten zu.

Abgeordneter Johann Maier (S) unterstrich die Notwendigkeit, Operationen und Behandlungen nach dem Vorbild Deutschlands zu dokumentieren, um Fehler nachvollziehbar zu machen. Grundsätzlich trete seine Fraktion für eine verschuldensunabhängige Medizinhaftung ein.

Abgeordneter Karl Donabauer (V) betonte, dass die Patientencharta nicht zwischen einzelnen Gruppen von Patienten unterscheide, sondern allen, auch den behinderten Menschen, gleiche Rechte zuerkenne. Dieser Ansicht schlossen sich auch die Abgeordneten Elmar Lichtenegger (F) und Roderich Regler (V) an.

Abgeordneter Erwin Rasinger (V) zeigte Verständnis für die Anliegen der SPÖ, riet aber dazu, sich die einzelnen Anträge noch genau anzuschauen. Schlichtungsstellen arbeiten unbürokratisch und ermöglichen den Patienten rasche Hilfe, hielt Rasinger fest, Gerichtsverfahren würden oft sehr lange dauern.

Abgeordnete Christine Lapp (S) warf der ÖVP vor, mit ihrer Vertagungsstrategie "gesundheitspolitische Vogel-Strauß-Politik" zu betreiben.

Abgeordnete Maria Grander (V) bekannte sich nachdrücklich zur Patientencharta, weil diese die Krankenanstalten zwinge, ihr Management zu überprüfen, um Schäden zu vermeiden. Den Eindruck, in den Spitälern werde "über die Menschen drübergefahren", wies die Rednerin zurück.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) wandte sich dagegen, eine Patientenversicherung für Behandlungsfehler einzuführen, die von den Patienten bezahlt werden müsse.

Abgeordneter Manfred Lackner (S) zeigte sich enttäuscht über die Vertagungsanträge und warf der Volkspartei vor, in der Gesundheitspolitik zu mauern. Auch Lackner wandte sich gegen den Vorschlag, Patienten für den Schaden aufkommen zu lassen, den andere anrichten.

Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat hielt den Vorschlag auf Dokumentation und Auswertung von Schlichtungsstellenentscheidungen für vernünftig, seine Umsetzung setze aber voraus, dass die Bundesländer die Taten weiterleiten. Sie werde sich in der kommenden Bundesgesundheitskommission für eine Lösung einsetzen.

Die 15a-Vereinbarung mit Wien wurde einstimmig angenommen. Die Vertagungsanträge erzielten die Mehrheit der Regierungsfraktionen.

Grüne: Große Defizite bei der Behandlung von Schlaganfallkranken

Dann legte G-Abgeordneter Kurt Grünewald einen Entschließungsantrag vor und wies darauf hin, dass der Schlaganfall mittlerweile der häufigste Grund für Behinderungen im Erwachsenenleben ist; jeder Dritte sei davon betroffen. Allerdings gebe es in Österreich große Defizite bei der Behandlung dieser Krankheit, vor allem im Bereich der ambulanten Rehabilitation: Hausbesuche würden oft nicht genehmigt, es mangle an interdisziplinären Teams und einer ausreichenden Qualitätssicherung. Außerdem sei die Finanzierung durch die Krankenkasse meist auf 30 Therapie-Einheiten beschränkt, kritisiert der G-Mandatar. Auch die prinzipielle Trennung zwischen Krankenbehandlung und Behindertenbetreuung wirke sich nach Meinung von Grünewald ebenfalls sehr ungünstig aus. Ebensolche Defizite gebe es im Bereich der Rehabilitation bei Schädel-/Hirnverletzungen nach Unfällen. Ein Ausbau der ambulanten Rehabilitation sei daher dringend erforderlich, auch weil dadurch die Folgekosten erheblich verringert werden könnten.

Auch Abgeordneter Erwin Rasinger (V) sprach von einem wichtigen Thema, das auch mit den Bundesländern verhandelt werden sollte und begründete seinen - letztlich mit V-F-Mehrheit angenommenen - Vertagungsantrag mit der Hoffnung auf einen neuen Vier-Parteien-Antrag.

Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) warf der ÖVP vor, Vertagungsanträge mit Ausreden zu begründen und wandte sich dagegen, Maßnahmen im Interessen tausender Patienten auf die lange Bank zu schieben.

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat bezifferte den Bedarf an Neuro-Rehabilitationsplätzen mit 1.580 Plätzen und machte auf Initiativen aufmerksam, diese Plätze im Rahmen der österreichischen Struktur- und Gesundheitsplanung zur Verfügung zu stellen.

Anträge der Opposition zur Lebensmittelsicherheit und Gentechnik

"Nach wie vor werden Frischfleischprodukte nicht ordnungsgemäß gekühlt. Viele Fleischprodukte sind zum angegebenen Verbrauchsdatum oftmals bereits verdorben. Auf die Haltbarkeitsangaben können sich KonsumentInnen immer noch nicht vertrauensvoll verlassen", klagte Abgeordneter Johann Maier und begründete damit eine Entschließungsantrag seiner Fraktion für eine Novelle des Lebensmittelgesetzes und der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung, um sicherzustellen, dass Verpacker die Haltbarkeitsfristen unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Bedingungen für Lagerung und Distribution bemessen und in der Hygieneverordnung klarzustellen, dass die Lagertemperaturen als maximale Produkttemperaturen zu verstehen sind. Ferner fordern sie vermehrte und effektivere Kontrollen.

Diesen Forderungen der SPÖ hielt Abgeordnete Ridi Steibl (V) entgegen, dass diese Anliegen bereits erledigt seien und alle Kontrollen standardisiert durchgeführt werden. Man sollte die Nachfrage nach regionalen Produkten stärken, meinte die Rednerin und erwirkte eine Vertagung des Antrags durch eine V-F-Mehrheit.

Abgeordneter Johann Maier (S) wies auf jüngste Fleischskandale in Deutschland, aber auch in Österreich hin, die zeigten, dass Kontrollmechanismen doch nicht so funktionierten, wie sie funktionieren sollten und sah darin die Aktualität seines Antrages begründet. Maiers besondere Kritik galt dem Einsatz illegaler Arbeitskräfte, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien und dazu missbraucht werden, Falsch- und Unetikettierungen "ohne schlechtes Gewissen" vorzunehmen.

Abgeordneter Karl Donabauer (V) hielt fest, dass Österreich nicht nur hervorragende Lebensmittel, sondern auch eine ordentliche Lebensmittelaufsicht habe. 

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat hielt ebenfalls fest, dass das Lebensmittelsicherheitsgesetz wesentliche Veränderungen gebracht habe, insbesondere die Lebensmittelkontrolle wurde verbessert. Und diese Kontrollen greifen, zeigte sich die Ministerin überzeugt.

Eine lebhafte Debatte über gentechnisch veränderte Organismen

Im weiteren Verlauf der Debatte legte Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) einen Entschließungsantrag zur Änderung der EU-Verordnung über gentechnisch veränderte Lebens- oder Futtermittel vor. Es ging darin um ein ausreichendes Angebot gentechnikfreier Lebensmittel und um den Verzicht auf gentechnisch verändertes Futter bei der Herstellung von AMA-Produkten.

"Gegen die Zulassung des gentechnisch veränderten Ölrapses GT73 des US-Agrarkonzerns Monsanto zur Verwendung in Futtermitteln durch die Europäische Kommission gegen den Willen der Mehrheit der EU-Mitgliedsländer richtete sich ein weiterer Antrag der Grünen. Eine Studie zur Risikobewertung habe bedenkliche Befunde ergeben, argumentierte Abgeordneter Pirklhuber (G) und verlangte umgehend ein Importverbot für GT73-Raps.

In einem weiteren Entschließungsantrag übte Abgeordneter Pirklhuber Kritik an der Haltung der Europäischen Kommission, die trotz der ablehnenden Haltung einer Mehrheit der Mitgliedstaaten im Ministerrat, weiterhin neue gentechnisch veränderte Produkte zulässt. Es sei daher unbedingt erforderlich, die bestehenden nationalen Importverbote aufrechtzuerhalten und aufgrund der ungeklärten Risiken und der Mangelhaftigkeit der vorgelegten Risikobewertungen auf EU-Ebene gegen die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen einzutreten.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) wies auf die besondere Aktualität hin, die das Thema Gentechnik habe, weil die diesbezügliche EU-Schlichtungskommission heute tage. Die EU drohe, dieses Verfahren wegen mangelndem Engagement der Kommission zu verlieren, befürchtete Krainer und machte zudem darauf aufmerksam, dass die Qualifizierung von Importverboten gegenüber gentechnisch verändertem Saatgut als "ungerechtfertigtes Handelshemmnis" durch die WTO die Aussicht auf einen Erfolg gegenüber den USA und Kanada weiter verschlechtern könnte.

Eine Lanze für bessere Kennzeichnungsverpflichtungen bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln begründete der Abgeordnete mit dem Argument, dass der Konsument wissen müsse, ob die Milch, die er kaufe, mit gentechnisch verändertem Sojafutter produziert werde, um eine begründete Kaufentscheidung treffen zu können. Bei der Freisetzung von gentechnisch verändertem Raps drohten Veränderungen wild wachsender Rapsarten. Abgeordneter Krainer mahnte das Engagement des österreichischen EU-Vorsitzes gegen gentechnisch veränderte Organismen ein, insbesondere bei der für März in Wien geplanten Gentechnik-Konferenz.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) forderte eine offene Informationspolitik der EU-Kommission über ihre Gentechnik-Politik und problematisierte die Zuständigkeit der WTO für Themen, die weit über Fragen des internationalen Handels hinausgehen und die Lebensgewohnheiten und die Gesundheit der Menschen betreffen. Pirklhuber machte den Ausschuss auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse darüber aufmerksam, dass DNA-Sequenzen von Gentechnik-Konstrukten entgegen bisherigen wissenschaftlichen Annahmen im menschlichen Körper die Blutschranke überschreiten können. Dazu kommen neueste Studien über Organveränderungen infolge des Verzehrs von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln im Tierversuch. Er hoffe auf einen Vier-Parteien-Antrag bis zum Plenum.

Abgeordneter Johann Maier (S) schloss sich den Ausführungen seines Vorredners an und fügte die Warnung vor der Abhängigkeit der Bauern von internationalen Saatgutunternehmen hinzu. Die Zulassung von gentechnisch verändertem Mais sollte angefochten werden, zeigte sich Maier überzeugt und sah das Engagement des Landwirtschaftsministers gefordert, der sich berücksichtigen sollte, dass 85 % der österreichischen Bevölkerung gegen die Gentechnik eingestellt seien.

Abgeordneter Karl Donabauer (V) plädierte für eine Bewusstseinsveränderung zugunsten der Erkenntnis, dass Nahrungsmittel ihren Wert und damit auch einen entsprechenden Preis haben müssen. Zwei Drittel der Bevölkerung kauften aber nach wie vor preisorientiert. Das Thema Gentechnologie sei eine der schwierigsten Materien weltweit. In Österreich werde sehr verantwortungsbewusst vorgegangen und jede Möglichkeit genützt, die das nationale Recht biete. In den Regalen der Supermärkte werde gentechnikfreie Milch angeboten, die keinen Cent mehr koste. Von der EU-Konferenz zum Thema Gentechnik erwarte er, Donabauer, sehr viel, nämlich eine Neuorientierung der Gentechnik-Politik. Österreich sei aber keine "Insel der Seligen" und könne sich von internationalen Entwicklungen nicht abkoppeln. Im Hinblick auf die Vorbereitung dieser Fachtagung beantragte der Abgeordnete mit Erfolg die Vertagung der Anträge des Abgeordneten Pirklhuber.

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat unterstrich das Eintreten aller Fraktionen gegen gentechnisch veränderte Pflanzen. Der Kampf Österreichs sei zwar noch einsam, bei der Suche nach Verbündeten zeigten sich aber erste Erfolge, weil die Skepsis gegenüber gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln wachse.

Laut Auskunft eines Ressortexperten verteidige die EU-Kommission das österreichische Importverbot mit Engagement, der ausständige Schiedsspruch sei mehrmals verschoben worden, als neuer Termin werde Mitte Februar genannt. Die Ausführungen des Abgeordneten Pirklhuber über den Nachweis von DNA-Fragmenten im Blut von Lebewesen, die gentechnisch veränderte Nahrungsmittel verzehrten, konnte der Experte nicht bestätigen.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) betonte, die Frage der Gentechnik-Freiheit gehöre zur Selbstbestimmung der Regionen, zur Sicherung der Artenvielfalt und der kulturellen Lebensräume.

(Schluss)