Parlamentskorrespondenz Nr. 226 vom 20.03.2006

Der Beginn einer neuen Ära

Der Nationalrat stimmt dem EU-Beitrittsvertrag zu

Wien (PK) – Am 11. November 1994 trat Österreichs Geschichte in eine neue Ära ein. 78 Prozent der anwesenden Abgeordneten stimmten dem EU-Beitrittsvertrag zu und sorgten somit dafür, dass Österreich wie geplant am 1. Januar 1995 den Kreis der Mitglieder der Europäischen Union bereichern konnte. Dem Schritt des Nationalrates folgte eine knappe Woche später auch das Placet des Bundesrates, womit beide Kammern des Hohen Hauses dem Willen der Bevölkerung, die sich in einer eigenen Volksabstimmung zu zwei Dritteln für den Beitritt Österreichs zur EU ausgesprochen hatte, Folge leistete.

Dementsprechend festlich nahm sich die 4. Sitzung der XIX. Gesetzgebungsperiode des Nationalrats aus, sogar der Bundespräsident war erschienen, um den Verhandlungen beizuwohnen. Von europäischer Seite hatten sich Kommissionspräsident Jacques Delors und der Präsident des Europäischen Parlaments Klaus Hänsch eingefunden. Wenige Minuten nach 11 Uhr vormittags erteilte Nationalratspräsident Heinz Fischer dem ersten Debattenredner das Wort.

Kostelka: Ein Meilenstein in der Geschichte Österreichs

Es war dies Peter Kostelka, der Klubobmann der sozialdemokratischen Fraktion, der von einem "Meilenstein in der Geschichte Österreichs" sprach. Das überwältigende Votum der Bevölkerung und die Beschlussfassung über den Beitrittsvertrag stellten den "Beginn einer neuen Epoche" dar, die Bürger des Landes hätten den Stimmzettel als "Fahrkarte in die Zukunft Österreichs" genutzt.

Kostelka wies darauf hin, dass Österreich nicht mit leeren Händen in die Union gehe, habe man doch Erfahrungen mit den Ländern Mittel- und Osteuropas, eine bemerkenswerte Qualität bei Sozialleistungen und Umweltstandards sowie die beispielhafte Sozialpartnerschaft, die für die Union vorbildhaft wirken mögen.

Im Rahmen der EU sei Österreich prädestiniert, eine Brückenkopffunktion gegenüber den Reformstaaten einzunehmen und diese so "an westliches Niveau" heranzuführen, meinte Kostelka, der weiters seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, dass die EU für die "österreichischen Arbeitnehmer klare Vorteile" bringen werde. Es bestehe die Chance, "die Vision von Frieden, sozialer Gerechtigkeit und Versöhnung des Menschen mit der Natur zu verwirklichen". Er ermahnte die Mitglieder des Hauses, dass sie eines Tages gefragt werden würden, "ob die mit dem EU-Vertrag verbundene Chance auch tatsächlich genutzt" worden sei.

Khol: Die Brennergrenze wird zur Bleistiftgrenze

"Die Volkspartei wird heute ein freudiges Ja zu Europa geben", erklärte sodann Klubobmann Andreas Khol als Erstredner seiner Partei. Dieses Ziel habe die ÖVP bereits am Parteitag in Salzburg 1951 angestrebt, erinnerte er und würdigte sodann auch die EU-Befürworter anderer Parteien, so namentlich Bundeskanzler Vranitzky, die ehemaligen Minister Gratz und Jankowitsch sowie den seinerzeitigen Abgeordneten Gredler. Durch deren Initiativen habe Österreich nun seinen Platz auf der Landkarte gefunden und könne erstmals nach 1918 bzw. 1945 "eine gleichberechtigte Rolle im großen Europa spielen".

Österreich könne jetzt über dieses Europa, geordnet nach dem Subsidiaritätsprinzip, mitbestimmen, schon bestehende Strukturen demokratischer gestalten, und sich vor allem für die neuen Demokratien Ost- und Mitteleuropas mit aller Kraft engagieren, hielt Khol fest. Dabei komme es allerdings darauf an, "Europa in den nächsten zehn Jahren eine Seele zu geben", mahnte der Klubobmann.

Auch für ihn als Südtiroler, so Khol weiter, sei der Tag bedeutsam, "weil er aus der Brennergrenze eine Bleistiftgrenze macht, weil wir ein Problem im europäischen Geist gelöst haben werden, das manche mit Nationalismus zu lösen versuchen". Daher schloss Kohl mit dem Ausruf: "Der europäische Geist ist die Zukunft!"

Haider: Wir wollen ein Europa der Bürger, nicht der Bürokraten

Anders als seine Vorredner sah Jörg Haider von der FPÖ die Dinge. Er beklagte, dass der einst beschworene Geist von Brüssel Machtinteressen gewichen sei. Ein wirklich freies und friedliches Europa werde nicht durch die EU, sondern nur durch ein Europa, das die Selbstbestimmung der Völker garantiere, erreicht, postulierte er.

Die EU sei noch weit davon entfernt, ein demokratisch organisiertes Gemeinwesen zu sein, weshalb der EU-Beitritt für die Österreicher einen Verlust von Bürgerrechten und Demokratie bedeute. Haider wörtlich: "Wir wollen ein Europa der Bürger und nicht ein Europa der Bürokraten, wir wollen eine EU des Föderalismus und nicht eine EU des Zentralismus."

Besorgt zeigte sich Haider über die künftigen Möglichkeiten des österreichischen Parlaments, auf die in Brüssel gemachte Politik Einfluss nehmen zu können: "Stellen sie sich bitte vor, dass wir ab 1. Jänner Mitglied sind und das österreichische Parlament in diesen Materien – das sind immerhin 70 Prozent der Gesetzgebungskompetenzen – überhaupt nichts mehr mitzureden hat." Als Demokrat und Parlamentarier dürfe man nicht die Katze im Sack kaufen, meinte Haider, der weiters die Befürchtung äußerte, dass der Beitritt weder auf das Preisniveau noch auf den Arbeitsmarkt positive Effekte haben werde, sondern dass vielmehr sogar negative Auswirkungen, etwa für Landwirtschaft und Industrie, zu erwarten seien. Gerade deshalb werde seine Partei darauf aufpassen, "dass die Lebensinteressen Österreichs, der Bürger, der Bauern, der Arbeitnehmer in der Weise abgesichert", würden, wie dies vor der Volksabstimmung versprochen worden sei, schloss der Redner.

Voggenhuber: Zustimmung aus Respekt vor dem Willen des Volkes

Johannes Voggenhuber von den Grünen kündigte an, er werde dem Beitrittsvertrag gegen seine politische Überzeugung aus Respekt vor dem überwältigenden Willen des Volkes zustimmen. Dies umso mehr, als er glaube, dass EU-Gegnern mit einem kritischen Reformkurs innerhalb der EU mehr gedient sei, als mit einem Beharren auf einer Option, die es nicht mehr gebe.

Die Regierung erinnerte Voggenhuber daran, dass die Volksabstimmung deswegen gewonnen worden sei, weil man der Bevölkerung versprochen habe, die EU von innen zu verändern. Es gebe gravierenden Reformbedarf, etwa bei der Gewaltenteilung, der Sicherung der Grundrechte der Bürger und bei anderen demokratischen Prinzipien, wo Österreich gefordert sei.

Die Verhaltensweise der Regierung gebe zu Argwohn Anlass, kritisierte der Redner das Fehlen der Begleitgesetze zur Sicherung der Mitsprache des Parlaments bei der EU-Gesetzgebung, die eigentlich gleichzeitig mit dem Beitrittsvertrag verhandelt werden hätte sollen. Seine Zustimmung möge daher als Vertrauensvorschuss gewertet werden, schränkte Voggenhuber abschließend ein.

Schmidt: Für ein demokratischeres, ökologischeres, sozialeres Europa

Vorbehaltlos positiv zum europäischen Projekt äußerte sich Heide Schmidt, die Klubobfrau des Liberalen Forums, die darauf verwies, dass Liberale seit jeher für einen Beitritt Österreichs zur EU eingetreten seien. Künftige Aufgabe sei es, so Schmidt, sich für ein demokratischeres, ökologischeres und sozialeres Europa stark zu machen.

Dazu brauche es Phantasie, Kreativität und vor allem ein Umdenken. Die EU dürfe keine westliche Wohlstandsburg werden, vielmehr brauche es eine europäische Verfassung und einen Grundrechtskatalog, um die Rechte der Bürger zu verbessern. Eine Stärkung des EP müsse mit einer verstärkten Beachtung des Subsidiaritätsprinzips einhergehen, zudem brauche es ein europäisches Instrumentarium zur Wanderungspolitik mit einem liberalen Asylrecht im Rahmen einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, meinte Schmidt.

Die weitere Debatte

Nach grundsätzlichen Reden von Bundeskanzler Vranitzky und Außenminister Mock hatten wieder die Mandatare das Wort. F-Abgeordneter Mathias Reichhold beklagte, dass viele Versprechen der Bundesregierung noch nicht eingelöst wurden und bezweifelte, dass diese überhaupt ohne Steuer- und Beitragserhöhungen einhaltbar seien. Er werde dem Vertrag nicht zustimmen, weil ein "Ja" einem "Verrat an den österreichischen Bauern" gleichkomme, bekundete Reichhold.

Peter Schieder von der SPÖ meinte hingegen, der EU-Beitritt erfordere eine neue Qualität des Arbeitens und Politik Machens. Seine Fraktion trete für ein Gesamteuropa ein und begegne daher allfälligen Konzepten eines Kerneuropa mit entsprechender Skepsis.

Andreas Wabl von den Grünen hegte Zweifel daran, dass es möglich sein werde, in Brüssel die Aspekte der ökosozialen Landwirtschaft durchzusetzen. Auch dürfe man die zahlreichen Probleme, etwa in der Agrar- und in der Atompolitik der EU, nicht übersehen, warnte Wabl.

Optimistischer sah Josef Höchtl von der ÖVP die Lage. Die EU biete die besten Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Man möge daher "im Interesse niedrigerer Preise, sicherer Arbeitsplätze und positiver Aspekte in der Einkommenspolitik" Ja zum Beitritt sagen.

Helmut Haigermoser (FPÖ) übte Kritik am Vertrag von Maastricht und meinte, es sei dringend nötig, die Maastricht-EU zu reformieren. Er werde dennoch für den Beitritt stimmen, weil er überzeugt sei, dass die Idee eines Europa der Vaterländer Zustimmung verdiene.

Anders sein Fraktionskollege Holger Bauer. Er kam bei der Prüfung der Entscheidungsgrundlagen zu einem negativen Befund. Die Behauptung der Regierung, die Kosten des Beitritts würden sich durch zusätzliches Wirtschaftswachstum selbst finanzieren, sei falsch, meinte er. Vielmehr ergebe sich ein Saldo von rund 22 Milliarden Schilling, zumal mit gesamtösterreichischen Beitrittskosten von 35, 36 Milliarden Schilling gerechnet werden müsse. Die Hoffnung, man werde mit einem Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent konfrontiert sein, werde sich jedoch schwerlich erfüllen, prognostizierte Bauer. Daraus folge, "die Österreicherinnen und Österreicher werden diesen Beitritt mittels Einsparungen in Österreich und durch höhere Steuern und Abgaben zu finanzieren haben."

In eine ähnliche Richtung argumentierte FP-Mandatar Peter Rosenstingl, der sich in seiner Rede primär mit Verkehrsthemen wie der Transitproblematik auseinandersetzte und dabei zu folgendem Schluss kam: "Die wichtigsten Verkehrsfragen für Österreich im Zusammenhang mit einem EU-Beitritt sind nicht gelöst, ja selbst in Österreich sind keine Konzepte dafür vorhanden." Als verantwortungsbewusster Politiker könne er "daher heute dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen".

L-Abgeordneter Friedhelm Frischenschlager meinte hingegen, es gäbe zu einem EU-Beitritt keine positive Alternative. Ein Europa, in dem jeder gegen jeden kämpfe und nur seine eigenen Interessen verfolge, habe keine Zukunft mehr. Klar sei allerdings auch, dass mit dem Beitritt eine Einschränkung der Souveränität einhergehe. Daher sei es von entsprechender Wichtigkeit, dass die österreichische Stimme in der EU mit einem klaren parlamentarischen Auftrag versehen werde und dass sämtliche Gesetze im Zusammenhang mit EU-Entscheidungen der Zustimmung des Parlaments unterliegen.

Abgeordneter Fritz Verzetnitsch (SPÖ) sah den EU-Beitritt aus der Sicht der Arbeitnehmer gerade im Hinblick auf den Maastrichter Vertrag als äußerst positiv, könne Österreich doch in Hinkunft im sozialen Bereich gestaltend mitwirken. Einen Anstieg der Kriminalität durch den Wegfall der Binnengrenzen befürchtete hingegen F-Abgeordnete Helene Partik-Pable. Internationale Einrichtungen zur Verbrechensbekämpfung seien noch nicht einmal im Ansatz vorhanden, von österreichischen Vorkehrungen ganz zu schweigen. Der EU-Beitritt sei für die Bauern eine Chance, erklärte schließlich V-Abgeordneter Sixtus Lanner. Franz Fischler als zuständiger Kommissar werde der EU-Agrarpolitik seinen Stempel aufdrücken, und dieser werde ein bäuerlich-ökologischer sein, zeigte sich Lanner zuversichtlich.

F-Abgeordneter Herbert Scheibner äußerte die Befürchtung, die Bundesregierung könnte, gedeckt durch den Entwurf des EU-Begleitgesetzes, in allen Dingen, die in Brüssel beschlossen würden, vom Beschluss des Parlaments abgehen. Dies aber käme einem Ende des Parlamentarismus gleich. Österreich könne seine hohen Standards in sozialen und ökologischen Fragen und auf den Gebieten von Bildung und Kultur in Europa einbringen, meinte hingegen Hilde Hawlicek von der SPÖ. Und Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP) wies auf die stark angestiegenen ausländischen Direktinvestitionen hin, die eine konkrete positive Auswirkung des bevorstehenden Beitritts seien. Die Investitionspläne der heimischen Industrie seien bereits nach oben revidiert worden, zog Kopf eine eindeutig positive Bilanz.

Gilbert Trattner (FPÖ) übte hingegen Kritik an der Budgetpolitik der Bundesregierung. Der Finanzminister habe keinerlei Vorbereitungen für den EU-Beitritt getroffen, das Land befinde sich darob in einer budgetären Manövrierunfähigkeit. Auch werde es durch den EU-Beitritt keine unmittelbaren Wachstumseffekte geben, und die Bevölkerung werde dies zu spüren bekommen. Ewald Nowotny (SPÖ) wiederum sah für die Wachstums- und Beschäftigungsentwicklung positive Auswirkungen durch den EU-Beitritt, wie sich an der Ansiedlung ausländischer Investoren in Österreich zeige. Abzuwarten bleibe die Preisentwicklung, hier müssten die Spielräume effizienter genutzt werden.

In dunkleren Farben schilderte hingegen Alois Pumberger das Zukunftsszenario. Zehntausende Arbeitsplätze in der Lebensmittel- und in der Autozulieferindustrie würden verloren gehen, Unternehmen in billig produzierende Länder abwandern, die Inflationsrate weiter steigen. Defizite in ökologischen, sozialen und demokratischen Bereichen der EU ortete Karl Öllinger (G). Hier seien Verbesserungen dringend erforderlich, der Wille des Souveräns, das Ergebnis der Volksabstimmung, sei jedoch zu respektieren.

"Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert", meinte Elfriede Madl (FPÖ). Es sei unglaublich, unter welchen Bedingungen Österreich in die EU gehen müsse. Österreich sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch gar nicht reif für einen EU-Beitritt. Zudem sei das Neue an der EG nach Maastricht nicht gut, und das Gute an diesem Vertrag nicht neu. Zum jetzigen Zeitpunkt müsse man daher mit einem Nein zum Beitritt stimmen.

Josef Cap (SPÖ) begriff den EU-Beitritt hingegen als große Chance für Österreich, an der Gestaltung eines neuen Europa und an der Schaffung einer europäischen Verfassung aktiv mitzuwirken. Die Haltung der FPÖ würde Österreich lediglich in die Isolation und damit in die Irre führen. Die Politik der FPÖ sei keine verantwortliche, keine staatstragende Politik, keine Politik im Interesse der Österreicher. In Wirklichkeit müsse die FPÖ jegliche Art von Regierungsverantwortung scheuen, weil dann der Tag der Wahrheit nahe.

Die Österreicher hätten Europa im Kopf und Österreich im Herzen, meinte Edeltraud Gatterer (ÖVP). Dementsprechend gingen sie mit großem Selbstbewusstsein in die EU, sodass sie, Gatterer, zuversichtlich sei, dass es gelingen werde, die Probleme der Landwirtschaft, der Umwelt und im Bereich der Lebensmittel zu lösen. Auch aus Sicht der Frauen werde sich der Beitritt zur Union als positiv erweisen.

John Gudenus (FPÖ) beklagte, dass in der EU nicht mehr der Mensch, sondern der Markt im Mittelpunkt stehe. Daraus folge das Denken in Wettbewerbskategorien, in der Währung, im Aufschwung und Abschwung des wirtschaftlichen Kreislaufes. Er, Gudenus, fordere jedoch eine Gemeinschaft, die das Schicksal der Menschen in den Mittelpunkt stelle. Und diese "Schicksalsgemeinschaft" müsse mit dem Geist einer Verfassung belebt werden, die jeder verstehe und jeder anwenden könne, unterstrich Gudenus. Das Gebot der Subsidiarität werde die Kommission "bei weitem nicht daran hindern, möglichst viel an sich zu raffen", befürchtete der Redner: "Ein Überstaat, der sich zur Rätediktatur entwickelt, ist keine Alternative zu einem Staat, der 1995 50 Jahre Zweite Republik und das Millennium feiert." Man möge entsprechend entscheiden.

Erwin Niederwieser (SPÖ) nutzte die Stunde, zehn Gebote für die Zukunft zu formulieren: man solle auch in Zukunft an Österreich glauben, man solle sich in wichtigen Fragen nicht von Brüssel drängen lassen, man solle daran arbeiten, dass Europa nicht nur eine Macht des Geldes, sondern vielmehr eine Macht des Geistes und der Solidarität werde, man solle die Einheit Europas in seiner Vielfalt suchen und man solle schließlich nicht darauf vergessen, dass Europa größer sei als die gegenwärtige Union.

Martin Bartenstein (ÖVP) unterstrich die wirtschaftspolitischen Gründe, die für einen EU-Beitritt sprechen würden und übte Kritik an der Haltung der FPÖ. Diese werde "die nächsten Jahre und Jahrzehnte" als die "Nein-zu-Europa-Partei" gelten, und das sei ein "Stigma der keinesfalls erfreulichen Art". Die ÖVP werde auch in der Zukunft darauf aufmerksam machen müssen, dass die FPÖ die "Neinsagerpartei" ist, erklärte Bartenstein.

Franz Morak (ÖVP) wies auf den kulturpolitischen Aspekt der Debatte hin. Die "Kreativressourcen in unserem Land sind ein wesentlicher Mehrwert in allen Bereichen, nicht nur in der Literatur, im Theater, beim Film, bei den bildenden Künsten, in der Architektur, in der Musik und in der Fotografie. Die Kreativressourcen gestalten ebenso die Alltagskultur, unser Selbstverständnis, unsere Versuche, uns zu definieren." Sie seien die entscheidenden Kräfte, und deshalb gehe es darum, diese entsprechend in die EU einzubringen: "Nur das macht uns für die EU interessant und spannend." Unter Verweis auf Josef Roth meinte Morak abschließend: "Erlauben wir es uns, Europäer und Patrioten zu sein".

Wenige Minuten vor 22 Uhr war die Debatte zu Ende. In einer namentlichen Abstimmung votierten 141 Abgeordnete für, 40 gegen den EU-Beitrittsvertrag. Gegen die Vorlage hatten primär Mandatare der FPÖ, aber auch die beiden Grün-Abgeordneten Gabriele Moser und Andreas Wabl gestimmt, die Grün-Mandatare Rudolf Anschober und Madeleine Petrovic hatten sich am Abstimmungsvorgang nicht beteiligt. Die Zweidrittelmehrheit war jedoch deutlich erreicht, der Nationalrat hatte sich eindeutig für eine europäische Zukunft Österreichs deklariert.

Hinweis für unsere Leser

Unter dem Titel "Debatten, die Geschichte machten" bringt die Parlamentskorrespondenz in loser Folge Berichte über historische Debatten im Parlament. Damit wird das "Gedankenjahr" fortgesetzt und in das Halbjahr des österreichischen Ratsvorsitzes – und darüber hinaus – verlängert. Als erster Beitrag der neuen Serie ist am 30. Jänner 2006 ein Bericht über die erste Sitzung des Nationalrats nach dem Ende des Krieges (PK Nr. 52) erschienen. Der Bogen der Berichte, die jeweils an Montagen in loser und nicht chronologischer Reihenfolge erscheinen, spannt sich dabei von der Debatte über die Grundentlastung im Jahr 1848 bis in die Gegenwart. Die Meldungen werden ausschließlich auf der Homepage des Parlaments publiziert.

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