Parlamentskorrespondenz Nr. 529 vom 28.06.2007

Sozialausschuss: Breite Diskussion über lebensbegleitendes Lernen

Imagewerbung für die Facharbeit und bundesweiter Lehrlingstag

Wien (PK) - Der Bericht der Bundesregierung betreffend die auf einer Tagung der ILO angenommene Empfehlung über die Entwicklung der Humanressourcen: Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen – er wurde im Sozialausschuss mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien und des BZÖ zur Kenntnis genommen und sogleich einer Enderledigung zugeführt – war Grundlage für eine ausführliche Debatte über das breitgefächerte Thema.

Die im Juni 2004 angenommene ILO-Empfehlung bekennt sich u.a. zum Konzept des lebenslangen Lernens, zur Hauptverantwortung der Regierungen für die allgemeine und berufsvorbereitende Bildung, zur Notwendigkeit der Verbesserung des Bildungszuganges, zur allgemeinen Anerkennung und Zertifizierung der erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen, zur Ausbildung als Basis für menschenwürdige Arbeit und soziale Integration sowie zur internationalen und technischen Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklung und Ausbildung der Humanressourcen.

Wie Staatssekretärin Christine Marek einleitend feststellte, seien für Empfehlungen der ILO keine Ratifikation vorgesehen; es genüge daher, dem Nationalrat einen Bericht zur Kenntnis zu bringen, in dem die gegenwärtige Rechtslage auf dem in der Empfehlung geregelten Gebiet mit Beziehung auf die in der Empfehlung enthaltenen Vorschläge  dargestellt wird. Zahlreiche Maßnahmen wurden umgesetzt, weitere Handlungsfelder seien im Regierungsprogramm festgeschrieben. So gehe es etwa um eine Verbesserung der Aus- und Weiterbildung, um die Verstärkung der aktiven Arbeitsmarktpolitik, um einen nationalen Aktionsplan für ältere Arbeitnehmer, die Verbesserung der Altersteilzeit, die Bildungskarenz, die Lehrlingsausbildung, um qualitätssichernde Maßnahmen im Rahmen der Bildung und um eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) meinte, der Begriff "lebenslanges Lernen" flöße den Menschen eher Angst ein, daher sollte man besser vom "lebensbegleitenden Lernen" sprechen. Als nicht sinnvoll erachtet er es, aus den unterschiedlichen Bereichen einzelne Maßnahmen zusammenzutragen, um behaupten zu können, "man mache eh alles" und "alles sei super". Der Redner sprach von Defiziten im schulischen Bereich, von noch größeren Defiziten im Bereich der Erwachsenenweiterbildung aufgrund des Wildwuchses an Zertifikaten und Diplomen. Der größte Anbieter an Qualifikations- und Ausbildungsmaßnahmen sei das AMS, das zum Teil sehr gute Maßnahmen anbiete, aber hinsichtlich mancher Kurse registrierte Öllinger eine Ausweitung des Kursangebotes bei gleichzeitiger Absenkung der Qualität. Diesbezüglich habe die Regierung Besserung gelobt. "Ein Bericht der Selbstbeweihräucherung", kritisierte der Abgeordnete weiter und führte in diesem Zusammenhang das Audit "Familie und Beruf" an. Hinterfragt wurde von ihm das lebensbegleitende Lernen in Bezug auf MigrantInnen.

S-Abgeordneter Erwin Spindelberger verwies auf das "ambitionierte" Programm der Regierung zur Aus- und Weiterbildung. Die skandinavischen Länder und Großbritannien zeigten vor, welche Möglichkeiten es gibt, Arbeit Suchenden und in Beschäftigung Stehenden Aus- und Weiterbildungsprogramme anzubieten. Wann werden die ambitionierten Regierungsziele umgesetzt?, fragte er Marek.

F-Abgeordneter Norbert Hofer schnitt die Themen Dienstleistungsscheck, haushaltsnahe Dienstleistungen und steuerliche Berücksichtigung an, forderte ein entsprechendes Modell ein und vertrat die Meinung, Beamte und Vertragsbedienstete sollten nur mehr nach ihrer Funktion und nicht nach ihrem Dienstalter bezahlt werden. Im Zusammenhang mit der Lehrlingsausbildung meinte er, die Berufsschulzeit sollte, um Defizite aus dem Pflichtschulbereich auszugleichen, verlängert werden, und die Kosten für den Lehrling sollte die öffentliche Hand übernehmen. Dies stelle einen Beitrag zur Förderung des Arbeitsmarktes und der Wirtschaft dar.

Abgeordnete Ursula Haubner (B) wies darauf hin, dass der Bericht Maßnahmen, die 2006 im Bereich Bildung, Ausbildung, lebenslanges Lernen gesetzt wurden, enthalte. Ihre Fragen betrafen neue Lehrberufe, etwa den Betriebsdienstleistungskaufmann. Weiters interessierte sie sich für die Kosten für Lehrlinge, die die Matura machen, und wollte wissen, welche konkreten Vereinbarungen mit dem AMS getroffen werden, um Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt eingliedern zu können.

Abgeordneter Werner Neubauer (F) sprach das Bedürfnis der Senioren an, sich weiter- und fortzubilden, und strich heraus, dass viele ältere Menschen gar keine Möglichkeit haben, sich moderner Kommunikationsmittel zu bedienen. Auch hoffen die Senioren darauf, dass Büchereien seniorenfreundlich gestaltet werden und man nicht für jede Bücherei einen eigenen Ausweis benötigt. Auch eine Karte für Mehrmuseenbesuch wäre aus Sicht der älteren Menschen wünschenswert.

Nach Ansicht von Abgeordnetem Karl Donabauer (V) besteht weniger ein Verbesserungs- als vielmehr ein Veränderungsbedarf. Dienstnehmer müssen die Chancen zur Weiterbildung haben, zumal das im Interesse des Dienstnehmers, aber auch der Unternehmer liege. Dass die Lehrlingsausbildung nicht "besonders toll" läuft, räumte der Abgeordnete ein, die soziale Stellung der Lehrlinge müsse hinterfragt werden. Ein Evaluierungsprozess müsse gestartet werden, denn es sei zu wenig, wenn jemand nach dem Schulaustritt glaubt, er wisse über alles Bescheid. Der Wille zur Weiterbildung müsse vorhanden sein, nur dann werde man auch im Beruf erfolgreich sein. 700 Mill. € werden für Qualifizierung und Weiterbildung ausgegeben, 8 % der Bevölkerung nehmen an Programmen und Kursen teil, damit sei Österreich gut unterwegs, sagte Donabauer, der auch Fördermaßnahmen für Menschen mit Behinderung einforderte.

Abgeordneter Werner Amon (V) machte darauf aufmerksam, dass das berufsbildende mittlere und höhere Schulwesen eine Erfolgsgeschichte sei und diese Absolventen die wenigsten Probleme haben, auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen. Faktum war für ihn auch, dass die Betriebe zunehmend nicht bereit seien, Lehrlinge auszubilden. Auch sollte man darüber nachdenken, weshalb erst jemand gefördert werde, wenn er sich bereits in der Situation der Arbeitslosigkeit befinde. Es sei zu wenig, reaktiv zu sein, man brauche vielmehr eine proaktive AMS-Politik, so Amon.

Für eine Imagewerbung für den Facharbeiter trat S-Abgeordneter Karl Dobnigg ein. Für Arbeitslose sei seiner Meinung nach eine fachspezifische Ausbildung notwendig.

G-Abgeordnete Theresia Haidlmayr meinte zum Dienstleistungsscheck, wer das Geld brauche, der könne nicht mit einem Dienstleistungsscheck arbeiten, weil er sechs Wochen auf das Geld warten muss; das sei nur etwas für die Reichen. Im Zusammenhang mit der persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz wollte sie wissen, wer das bezahle und wie viele davon profitierten. 80 % der Menschen mit Behinderung würden eine solche Assistenz brauchen, erhalten sie aber nicht, weil es sich um eine Kann-Bestimmung handelt.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) betonte, lebensbegleitendes Lernen müsse lebbar gemacht werden. Bereits in der Schule müsse die Lust am Lernen geweckt werden. Auch hätten die Unternehmer zu akzeptieren, dass Bildung für die Arbeitnehmer wichtig ist. Die Bildungskarenz müsste für die Arbeitnehmer attraktiver gemacht werden, forderte sie und trat für eine finanzielle Absicherung jener Personen ein, die sich weiterbilden, denn wenn die Menschen ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, dann werde der Wille zur Weiterbildung sinken.

Abgeordnete Beatrix Karl (V) wies darauf hin, dass auch für Teilzeitbeschäftigte eine Weiterbildungsmöglichkeit wichtig wäre, denn zurzeit sei Karriere in Teilzeitarbeit ausgeschlossen. Die Tatsache, dass Lehrlingen der Weg zur Matura und zum Studium offenstehe - diese Studenten absolvieren ehrgeizig und zielorientiert ihr Studium, unterstrich sie –, sollte bekannter gemacht werden und könnte auch dazu beitragen, dass der Lehrberuf attraktiver wird.

Staatssekretärin Christine Marek strich im Rahmen ihrer Beantwortung der aufgeworfenen Fragen u.a. heraus, dass es beim Dienstleistungsscheck nicht darum gehe, die "Superreichen" zu unterstützen, sondern es wurde damit die Möglichkeit geschaffen, eine legale Beschäftigung im Haushalt zu erzielen. Aus einzelnen Missbrauchsfällen könne man nicht schließen, dass das System an sich schlecht sei. Der Dienstleistungsscheck werde sowohl von den Beschäftigten als auch von den Arbeitgebern akzeptiert. Dass das Gehalt Wochen später ausbezahlt werde, sei arbeitsrechtlicher Usus.

Im Rahmen der Steuerreform, die gegen Ende der Legislaturperiode kommen werde, werde man die steuerliche Geltendmachung der haushaltsnahen Dienstleistungen debattieren.

Für die MigrantInnen gebe es ein eigenes Beratungszentrum des AMS.

Am 19. Oktober, teilte Staatssekretärin Marek mit, werde es den ersten österreichweiten Imagetag für die Lehre geben, bundesweite Aktionen sind geplant, auch die Eltern sollen eingebunden werden.

Hinsichtlich der Bildungskarenz laufen konkrete Gespräche auf Sozialpartnerebene.

Im heurigen Jahr stehen laut Marek gleich viele Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung wie im vergangenen – für weniger Personen. Somit könne der Einzelne stärker betreut werden. (Schluss ILO-Bericht/Forts. Arbeitsinspektion)