Parlamentskorrespondenz Nr. 798 vom 31.10.2007

Fragestunde mit Verteidigungsminister Darabos im Bundesrat

Die Themen: Wehrpflicht, Tschad-Mission, Luftraumüberwachung

Wien (PK) - Bundesratspräsident Mag. Erlitz leitetet die 749. Sitzung des Bundesrates mit einer Fragestunde ein, in der Verteidigungsminister Mag. Darabos Fragen der Ländervertreter zu aktuellen verteidigungspolitischen Themen beantwortete. Dabei legte der Verteidigungsminister ein Bekenntnis zur Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht ab, erläuterte den Vergleich mit dem Eurofighterhersteller, zerstreute Bedenken, die Luftraumüberwachung könnte mit 15 Eurofightern nicht gewährleistet werden, und machte seine Präferenz für eine Teilnahme Österreichs an der EU-Friedensmission im Tschad deutlich.   

Bundesrätin SEITNER (S): Treten Sie für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht oder für die mittelfristige Schaffung einer Berufsarmee ein?

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Verteidigungsminister Mag. DARABOS bekannte sich vorweg klar zur Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht, weil, wie er sagte, das Mischsystem aus allgemeiner Wehrpflicht und Milizsystem dem Bundesheer gut getan und ihm in der Zweiten Republik ermöglicht habe, sich fest in der Bevölkerung zu verankern. Das Grundwehrdiener-Aufkommen liege pro Jahr zwischen 28.000 und 30.000, der Grundwehrdienst sei aus seiner Sicht ausreichend attraktiv, fügte Darabos hinzu.

Einen Zusammenhang zwischen der Zukunft der allgemeinen Wehrpflicht und dem Auslaufen des Assistenzeinsatzes an der Grenze sah der Minister nicht. Das Bundesheer hatte vor diesem Assistenzeinsatz Katastropheneinsätze und Auslandseinsätze zu bewältigen und sich für den Verteidigungsfall bereitgehalten - und so werde es auch in Zukunft sein.

Bundesrat Dr. KÜHNEL (V): Wie lautet das operativ-taktische Konzept für den Einsatz mit nur 15 Abfangjägern und 15 Eurofighter-Piloten, mit dem Sie die lückenlose Luftraumüberwachung des österreichischen Hoheitsgebiets sicherstellen wollen?

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Bundesminister DARABOS erinnerte daran, dass die neue Bundesregierung die Frage der Luftraumüberwachung neu aufgerollt habe, und erläuterte auch den Vergleich mit der Eurofighter-Herstellerfirma sowie die dabei erzielte Preisreduktion um 370 Mill. €. Derzeit werde der heimische Luftraum mit 12 geleasten Jets aus der Schweiz überwacht. Mit den 15 Eurofightern, die Österreich aufgrund des Vergleichs mit der Herstellerfirma beschaffe, werde es selbstverständlich möglich sein, die Überwachung zu gewährleisten. Gesichert sei auch die Luftraumüberwachung bei der EURO 2008. Einerseits stehen die 12 Schweizer Jets zur Verfügung, andererseits werde technisch an der Einsatzfähigkeit der Eurofighter bis im kommenden Sommer gearbeitet.

Bundesrat SCHENNACH (G): Auf welcher rechtlichen Basis soll nach der Schengen-Erweiterung die Mitwirkung an der geplanten „Schleierfahndung“ durch Angehörige des Bundesheeres erfolgen?

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Der VERTEIDIGUNGSMINISTER erinnerte an das Ersuchen des Innenministers, den Assistenzeinsatz fortzuführen, und berichtete von der Einrichtung einer Arbeitsgruppe seines Ressorts und des Innenministeriums, die an der Rechtsgrundlage einer solchen Fortführung arbeite. Mit Ergebnissen sei noch im kommenden November zu rechnen, sagte Darabos, der einen "Assistenzeinsatz light", eine Auslaufphase des Assistenzeinsatzes für möglich und im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung im niederösterreichischen und burgenländischen Grenzgebiet für zweckmäßig hielt. Gesprächen mit Amtskollegen der Nachbarländer habe er entnehmen können, dass eine solche Vorgangsweise nicht als außenpolitischer Affront gewertet würde, sagte Minister Darabos. Noch sei in dieser Frage keine Entscheidung gefallen. Er rechne aber damit, dass der Assistenzeinsatz bis zur EURO 2008 mit einer Mannstärke unter den derzeit 1.900 Soldaten fortgeführt und dann auslaufen werde.

Bundesrat TODT (S): Wie sieht der aktuelle Planungsstand des Österreichischen Bundesheeres hinsichtlich des geplanten Tschad-Einsatzes im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik aus?

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Bundesminister DARABOS berichtete den Ländervertretern zunächst von der Situation im Tschad, wo 250.000 Flüchtlinge aus der Krisenregion Darfur leben; dazu kommen 170.000 weitere Displaced Persons. Österreich, das zu den Top 3 der Länder zählt, die sich in internationalen Friedensmissionen engagieren, sollte sich auch an dem geplanten EU-Friedenseinsatz im Tschad beteiligen, zeigte sich Darabos überzeugt, weil Flüchtlingsbewegungen solcher Größenordnungen in Zentralafrika auch Auswirkungen auf Europa haben. Zudem erinnerte Darabos daran, dass die Wertschätzung des Bundesheeres in aller Welt auf seinen Friedenseinsätzen beruhe und die Truppe selbst daran interessiert sei, ihre Fähigkeiten bei Auslandseinsätzen zu zeigen.

Die EU-Mission in den Tschad erfolge auf der Basis einer UN-Resolution unter Beteiligung von Irland, Schweden, Frankreich, Polen und Spanien und stehe unter dem Kommando eines irischen Offiziers. Die für eine österreichische Beteiligung notwendigen Entscheidungen des Ministerrates und des Hauptausschusses stehen noch aus, sagte Darabos. Details der Truppenentsendungen würden überdies bei einer Truppenstellerkonferenz abzustimmen sein, sagte der Minister. Österreich könnte in Kompaniestärke mit Führungs-, Logistik- und humanitären Elementen sowie unter Beteiligung des Jagdkommandos in den Tschad gehen. Es handle sich um einen sehr herausfordernden, aber gut vorbereiteten Einsatz. Sicherheit und Ausrüstung der Soldaten sei gewährleistet, sagte der Minister.

Bundesrat SCHÖLS (V): Wie wollen Sie das Vertrauen Ihrer Beamtenschaft wieder gewinnen, wenn Sie 21 Spitzenbeamte in Führungspositionen, die nach den Leistungsfeststellungen überdurchschnittlich bewertet sind, nach Auslaufen deren fünfjähriger Funktionsperiode nicht weiter bestellt haben?

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Verteidigungsminister DARABOS: "Ich brauche Vertrauen nicht wieder zu gewinnen, weil ich das Vertrauen meiner Beamten habe". Der Ressortleiter informierte über die Ausschreibung von sechs Spitzenfunktionen und bemühte sich, Sorgen des Fragestellers wegen eines drohenden Vakuums in den Führungsgremien des Bundesheeres zu zerstreuen. Die Reform der Zentralstelle, die auf den Ergebnissen der Bundesheerreformkommission aufbaue, habe das Ziel, mehr personelle Ressourcen zur Truppe zu bringen. "Das hätte man schon früher angehen sollen", meinte Darabos und räumte ein, dass es sich um einen schmerzhaften Transformationsprozess handle. Er sehe aber keinen "Kahlschlag" und erinnerte an den vereinbarten Sozialplan, der um ein Jahr verlängert wird.

Der Frauenanteil von 2 % bei der Truppe sei ihm zu wenig, sagte Darabos und bekannte sich dazu, Frauen für eine Karriere im Bundesheer zu motivieren. Aufgrund des historischen Aufwuchses habe er aber wenig Hoffnung, dass sich viele Frauen für die ausgeschriebenen Spitzenpositionen bewerben werden.

Bundesrätin MÜHLWERTH (o.F.): Wie stellt sich die Finanzierung der Ausbildung der Rekruten im Jahr 2008 dar, wenn bereits im Oktober 2007 anscheinend kein Geld mehr zur Verfügung stand?

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Verteidigungsminister DARABOS kündigte an, die Mittel für Mehrdienstleistungen von Ausbildern im Zusammenhang mit der Grundwehrdienerausbildung durch Umschichtungen aufzustocken. Es wäre falsch, bei der Ausbildung zu sparen, daher habe er per Ministerweisung angeordnet, die Ausbildung bis Jahresende nicht zu reduzieren. 

In seinen Antworten auf Zusatzfragen machte Minister Darabos darauf aufmerksam, dass er die von seinem Vorgänger ausgesetzten Milizübungen wieder eingeführt habe, und sicherte zu, dass der Miliz auch nach der Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate gut ausgebildete Soldaten zur Verfügung stehen werden.

Bundesrat WIESENEGG (S): Wie sieht der aktuelle Stand der Österreichischen Bundesheer-Reform 2010 aus?

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Der VERTEIDIGUNGSMINISTER bekannte sich zur hervorragenden Arbeit der Bundesheerreformkommission und teilte den Bundesräten mit, dass diese Reform auf dem Weg umgesetzt werde, den sich sein Amtsvorgänger vorgenommen habe. Dazu gehöre die Beibehaltung der Miliz als unverzichtbarer Bestandteil des Heeres, die Reduktion der Truppenstärke auf 55.000 Frauen und Männer, die Anpassung der Führungsstruktur in der Zentralstelle, die Zusammenführung der Land- und Luftstreitkräfte, die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate, der Verkauf von 37 % der Liegenschaften und ein Abfederungsprogramm im Ressort. Die Liegenschaftsverkäufe werden planmäßig abgewickelt, finanziell liege man beim Kasernenverkauf über dem Plan, führte Darabos aus.

Bundesrat KÖBERL (V): Wie stellen Sie sicher, dass die Eurofighter-Typhoon-Abfängjäger trotz der Abbestellung von Zusatzausrüstungen, wie zum Beispiel des Infrarotsichtsystems, der Freund-Feind-Kennung und des DASS-Selbstschutzsystems, auch bei Dunkelheit und Schlechtwetter andere Flugzeuge aus weiter Entfernung identifizieren können?

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Der MINISTER sah keinen Grund zur Sorge, die Luftraumüberwachung könnte mit den 15 Eurofightern nicht gewährleistet werden. Die Eurofighterpiloten könnten auch mit Nachtsichtgeräten ausgerüstet werden, informierte der Minister. Das DASS-Selbstschutzsystem sei für Überwachungsaufgaben nicht notwendig, weil es für Kampfeinsätze ausgelegt sei, mit denen das Bundesheer nicht rechnen müsse, weil Österreich keine Angriffskriege führe, erklärte Minister Darabos.

In seinen Antworten auf Zusatzfragen führte der Minister aus, er habe sich deshalb nicht für eine Abbestellung der Eurofighter entschieden, weil dies einen langwierigen Prozess mit ungewissem Ausgang und eine Pönalezahlung von bis zu 1,5 Mrd. € nach sich gezogen hätte, zudem wäre die Anschaffung anderer Flugzeuge notwendig gewesen. Er stehe zu dem Vergleich mit der Herstellerfirma, der Österreich einen Kostenvorteil von 370 Mill. € bringe.

Die Entscheidung, ein Passagierflugzeug abzuschießen, das etwa ein vollbesetztes Fußballstadion bedrohe, habe gegebenenfalls der Innenminister zu treffen, sagte Darabos, er scheue sich aber nicht, an einer solchen Entscheidung mitzuarbeiten, sagte der Verteidigungsminister auf eine diesbezügliche Zusatzfrage. (Schluss)


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