Parlamentskorrespondenz Nr. 69 vom 05.02.2009

Sozialminister steht den Bundesräten Rede und Antwort

Hundstorfer: Staatliches Pensionssystem stabiler als 2. und 3. Säule

Wien (PK) - Nach seiner Antrittsrede, in der er sich nachdrücklich für eine Reform der Geschäftsordnung des Bundesrates aussprach, eröffnete Bundesratspräsident Harald Reisenberger die 765. Sitzung des Bundesrates mit einer Fragestunde, in der Sozialminister Rudolf Hundstorfer den Ländervertretern Auskunft über eine Vielzahl aktueller Themen aus den Ressortbereichen Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gab.

Bundesrat PREINER (S): Wie sehen Sie die Zukunft des gesetzlichen Pensionssystems?

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Bundesminister HUNDSTORFER hielt fest, dass die Finanzierbarkeit des gesetzlichen Pensionssystems von demografischen und sozioökonomischen Entwicklungen abhänge, Österreich aber gut aufgestellt sei und über ein langfristig finanzierbares System verfüge, das in der aktuellen Krise ein wesentlich höheres Maß an Stabilität zeige als andere Systeme.

Bis Ende 2009 werde er einen Vorschlag für die Langzeitversicherten vorlegen, kündigte der Minister an und zeigte sich beim Thema Pensionsautomatik froh darüber, dass dieser Begriff aus den Köpfen verschwunden und nun mehr klar sei, dass der Mensch entscheiden werde, wie es bei den Pensionen weitergehe und nicht eine Maschine. Er wolle auch eine vernünftige Regelung für Schwerarbeiter finden und die Invaliditätspensionsregelung überarbeiten. "Dabei geht es um kranke Menschen mit großen Problemen", unterstrich Hundstorfer.

Generell wolle er sich bemühen, die Differenz zwischen dem gesetzlichen und dem faktischen Pensionsantrittsalter weiter zu verringern, sagte der Minister und räumte in seiner Antwort auf eine weitere Zusatzfrage ein, dass es notwendig sei, das Pensionssystem jungen Menschen durch geeignete Information näherzubringen und so das Vertrauen in den Generationenvertrag zu stärken.

Bundesrätin DIESNER-WAIS (V): Wie stehen Sie zur Neuregelung der Behaltefrist im Rahmen der Kurzarbeit im Hinblick auf die Praktikabilität für die Unternehmen?

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Der SOZIALMINISTER klärte darüber auf, dass diese Frage von den Sozialpartnern vor Ort zu vereinbaren sei, und sprach die Hoffnung aus, dass noch offene Diskussionen über die Behaltefrist, die in einem Vorarlberger Betrieb geführt werden, bis nächste Woche durch eine Vereinbarung beendet werden können. Als Grundsatz gelte, umso länger die Kurzarbeitsfrist, desto kürzer die Behaltefrist.

Auf die Zusatzfrage nach vermehrten Kontrollaufgaben des AMS in Folge der Kurzarbeitsvereinbarungen antwortete der Minister mit dem Hinweis darauf, dass in erster Linie die betroffenen Menschen selbst die Einhaltung der Vereinbarungen kontrollieren werden. Mehr Personal beim AMS will Hundstorfer einsetzen, um die Vermittlungsqualität zu steigern.

Bundesrätin MÜHLWERTH (F): Wie weit ist die Umsetzung im Bereich Mindestlohn/Mindestsicherung gediehen, da ja der Mindestlohn mit 1.1.2009 bereits in Österreich flächendeckend umgesetzt hätte werden müssen?

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Der BUNDESMINISTER berichtete den Bundesräten, die Einführung des 1.000-Euro-Mindestlohns durch Vereinbarung per Kollektivvertrag sei zu 99,9 % erledigt. Erfreulicherweise betrage der Mindestlohn für 80 % der Arbeitnehmer 1.200 Euro. Die wenigen noch nicht unterschriebenen Kollektivvertragsvereinbarungen im Bereich von Ärzten und Rechtsanwälten werden bis spätestens Mitte des Jahres erledigt sein, sagte Hundstorfer und bekannte sich nachdrücklich dazu, den Mindestlohn nicht gesetzlich, sondern in der Kollektivvertragsautonomie der Sozialpartner zu regeln.

Der Ansicht, die Differenz zwischen Mindestlohn und Mindestsicherung sei zu gering, was Menschen in die "soziale Hängematte" führe, trat der Minister entschieden entgegen. Wer arbeitsfähig sei, werde vom AMS intensiv betreut. Wer zumutbare Arbeiten ablehne, müsse mit Kürzungen rechnen, der Anreiz zu arbeiten, sei in ausreichendem Maße gegeben, zeigte sich der Arbeits- und Sozialminister überzeugt.

Bundesrat Mag. KLUG (S): Welche Maßnahmen sind für die Beschäftigten in Kurzarbeit während der inaktiven Zeit vorgesehen?

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Sozialminister HUNDSTORFER setzt auf Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, um die Zeit der Krise, in der Arbeitnehmer, die nicht in der Produktion gebraucht werden, weiterzuqualifizieren und so dem Facharbeitermangel entgegenzuwirken, der im nächsten Wirtschaftsaufschwung wieder spürbar werden könnte. Die in Zusatzfragen angesprochene Qualität der Kurse will Hundstorfer anheben und dafür mehr Geld ausgeben und mehr Personal einsetzen. "Es geht nicht darum, einen Arbeitnehmer zum fünften Mal in einen Kurs 'Wie bewerbe ich mich richtig' zu schicken", sagte der Minister pointiert. AMS und Sozialpartner stünden vor der Aufgabe, punktgenaue Ausbildungsprogramme zu entwickeln.

Bundesrat WOLFINGER (V): Welche Neuregelungen planen Sie im Bereich der Invaliditäts- bzw. Schwerarbeiterpension im Detail?

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Bundesminister HUNDSTORFER berichtete über die Ausarbeitung eines Gutachtens über die Lebenserwartung von Schwerarbeitern und über die Arbeit von Arbeitsgruppen zur Evaluierung regelmäßiger Nacht- und Akkordarbeit. Sein Ziel sei es, die berufliche Rehabilitation zu modernisieren und einen Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation einzuführen, ohne den Berufsschutz in Zweifel zu ziehen. Ein erstes Koordinierungsgespräch zu diesen Themen kündigte der Minister bereits für den 19. Februar an. Das Gesamtsystem sei zu überarbeiten, weil sich derzeit viele Schwerarbeiter mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen "durchbeißen", um in die Langzeitversichertenregelung zu kommen. Nachdenklich zeigte sich Hundstorfer angesichts der steigenden Zahlen von Burn-Out-Betroffenen.

Bundesrat DÖNMEZ (G): Welche Maßnahmen sind angesichts der Tatsache, dass Österreich im EU-Schnitt in der Arbeitslosenversicherung die zweitniedrigste Nettoersatzrate hat, angedacht, um die Transferzahlungen zumindest auf den EU-Schnitt von 70 % zu erhöhen?

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Der BUNDESMINISTER räumte ein, dass eine Erhöhung der Netto-Ersatzrate, die in Österreich bei 55 % liege, wünschenswert wäre. Budgetmittel seien dafür aber nicht vorhanden, weil seine Priorität bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik liege. Der Minister gab aber zu bedenken, dass Netto-Ersatzraten wegen der Netto-Brutto-Problematik international nicht leicht vergleichbar seien. Berücksichtige man Zuschläge für Arbeitnehmer mit familiären Verpflichtungen und die von Land zu Land unterschiedlich geregelte Steuer- und Abgabenpflicht, komme man real auf eine Netto-Ersatzrate von 80 % in Österreich.

Noch einmal auf die bedarfsorientierte Mindestsicherung angesprochen, sagte der Minister, die Landesstellen des AMS werden dafür zusätzliche Millionenbeträge erhalten. Ganz wichtig sei es ihm, Menschen, die arbeiten können, durch geeignete Programme auch nach langer Abwesenheit vom Arbeitsmarkt wieder in Beschäftigung zu bringen.

Bundesrätin MOSBACHER (S): Wie viele Betriebe und Beschäftigte befinden sich aktuell in Kurzarbeit?

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Sozialminister HUNDSTORFER gab diese Zahl mit Stichtag 1. Februar mit 22.411 ArbeitnehmerInnen in 113 Betrieben an, bei steigender Tendenz. Mit weiteren 11 Betrieben mit 1.604 Beschäftigten gebe es bereits unterschriebene Vereinbarungen, mit 22 weiteren Betrieben mit 5.872 Beschäftigten führe das AMS derzeit Verhandlungen betreffend Kurzarbeit. Die Zahl von 30.000 Kurzarbeitsverhältnissen werde Ende Februar/Anfang März überschritten, sagte Hundstorfer. Auf eine Zusatzfrage von Bundesrätin Mühlwerth (F/W) betonte der Minister, Kurzarbeit hätte keinerlei Auswirkungen auf spätere Pensionsleistungen.

Bundesrat HENSLER (V): Welche spezifischen Maßnahmen gedenken Sie gegen die Arbeitslosigkeit aufgrund der Wirtschaftskrise in den hauptsächlich betroffenen Bereichen zu setzen?

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Der SOZIALMINISTER betonte, dass der Nationalstaat dort, wo er helfen könne, um Antworten bemüht sei – etwa in Form der Kurzarbeit, aber auch durch Bildungskarenz, Bildungsteilzeit und Bildungskarenz plus. All dies unter dem Motto: "Nützen wir die Krise als Chance" – speziell in Richtung einer Höherqualifizierung. Hundstorfer verwies in diesem Zusammenhang auch auf die spezifische Problematik der Arbeitslosigkeit bei jungen Leiharbeitskräften und auf die Bedeutung der Branchenstiftungen.

Die Kosten für Kurzarbeit bezifferte der Minister aktuell mit 56,2 Mio. €, bei steigender Tendenz. Hundstorfer betonte, dass die Kosten für einen Arbeitslosen den Ausgaben für drei Kurzarbeitsverhältnisse entsprächen, unter Berücksichtigung des gesamten volkswirtschaftlichen Mehraufwands sogar für 6 KurzarbeiterInnen. Für April/Mai kündigte der Minister ein weiteres Maßnahmenpaket an; man werde alles daran setzen, die Ausbildungsgarantie im Herbst effektiv umzusetzen, etwa durch Schaffung zusätzlicher überbetrieblicher Lehrwerkstätten. (Schluss)


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