Parlamentskorrespondenz Nr. 156 vom 03.03.2009

Bundes-Umwelthaftungsgesetz mehrheitlich beschlossen

Experten bewerten den Entwurf überwiegend positiv

Wien (PK) – Mit S-V-F-Mehrheit stimmten heute die Abgeordneten im Umweltausschuss für ein neues Bundes-Umwelthaftungsgesetz, mit dem vor allem die EU-Richtlinie zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden umgesetzt wird. Nach dem Grundsatz des Verursacherprinzips soll derjenige, der durch seine berufliche Tätigkeit einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr einer Schädigung herbeiführt, verschuldensunabhängig die Kosten der erforderlichen Vermeidungs- und Sanierungsmaßnahmen tragen. Bundesminister Nikolaus Berlakovich zeigte sich erfreut darüber, dass diese extrem schwierige Materie einen guten Abschluss gefunden hat. Einen eigenen Vorschlag betreffend ein Bundes-Umwelthaftungsgesetz (B-UHG) hatte FPÖ-Abgeordneter Norbert Hofer für seine Fraktion vorgelegt; dieser wurde bei der Abstimmung jedoch abgelehnt.

Der S-V-Entwurf zielt auf eine bestmögliche Harmonisierung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben mit dem bestehenden Anlagenrecht und auf die Wahrung bewährter Regelungen des österreichischen Wasserrechts. Die geforderte Beteiligung der Öffentlichkeit wird in Form einer Umweltbeschwerde und durch Zuerkennung einer Parteistellung umgesetzt. Während die Vermeidung von Schädigungen der Gewässer und der Böden in die Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit des Bundes fällt, sind für die Schädigung geschützter Arten und natürlicher Lebensräume (Stichwort Biodiversität) die Länder zuständig. Der Anwendungsbereich des vorliegenden Bundesgesetzes ist auf Grund des Umstandes, dass ein Umweltschaden erst ab einem bestimmten Erheblichkeitsgrad vorliegt und diese Schäden durch die Ausübung ganz bestimmter umweltrelevanter beruflicher Tätigkeiten verursacht sein müssen, als eng anzusehen.

Vor Eingang in die Tagesordnung stellte sich zunächst der neue Bundesminister Nikolaus Berlakovich den Abgeordneten vor. Es sei ihm wichtig, darauf hinzuweisen, dass in Zeiten wie diesen nicht nur die wirtschaftlichen Schwierigkeiten überbrückt werden müssen, sondern gleichzeitig auch der Schutz der Umwelt von großer Bedeutung sei. Danach berichtete er vom Erfolg beim gestrigen EU-Umweltministerrat, wo es dank des intensiven Engagements von Seiten Österreichs gelungen sei, die nationalen Anbauverbote für Genmais gegen den Widerstand der Kommission aufrecht zu erhalten. Die Verhandlungen hatten eine unglaubliche Dynamik, berichtete Berlakovich, und anfangs war es überhaupt nicht sicher, dass sich die österreichische Position durchsetzen würde. Er wertete das Resultat als sehr positives Signal dafür, dass in der EU über die nationalen Interessen der Mitgliedsstaaten nicht einfach "drübergefahren" werde. 

Die Positionen der Experten zum Entwurf

Danach kamen drei Experten zu Wort, die sich aus ihrer Sicht mit dem Regierungsentwurf befassten. Der Leiter der Umweltabteilung der Wirtschaftskammer, Stefan Schwarzer, gab zu bedenken, dass das Umwelthaftungsrecht der EU nur einen begrenzten Mehrwert habe, vor allem in jenen Ländern, in denen die Umweltgesetzgebung schon weit entwickelt sei. Als großzügig bewertete Schwarzer die Position der NGOs, da sie die Möglichkeit haben, initiativ zu werden und Ökoschäden aufgreifen können. Insgesamt war er der Auffassung, dass alle EU-rechtlichen Vorgaben umgesetzt wurden und in einigen Punkten auch darüber hinaus gegangen wurde. Allerdings wurde den Bedenken der Wirtschaft, dass Investoren eventuell verunsichert werden könnten, auch Rechnung getragen, hob Schwarzer positiv hervor. Im Hinblick auf das Wasserrecht könne man sagen, dass die dort enthaltenen Bestimmungen weder ausgehöhlt noch "überholt" werden.

Werner Hochreiter von der Arbeiterkammer sprach von einem sehr gelungenen Kompromiss, wobei der Kernbereich der Richtlinie in den Verhandlungen nie strittig war. Bei den Diskussionen ging es vor allem um Abgrenzungsfragen, Begriffsbestimmungen und um das Verhältnis zum Wasserrecht, das nun geklärt werden konnte. Auch die Frage der Gentechnik in der Landwirtschaft wurde an mehreren Stellen im Entwurf in befriedigender Weise abgehandelt.

Universitätsprofessor Bernhard Raschauer war der Auffassung, der Entwurf sei kein umweltpolitischer Meilenstein, es werde nur eine Verpflichtung in anständiger Weise erfüllt. Er prognostizierte, dass in einigen Jahren eine Novelle beschlossen werden müsse. Bis dahin rechne er mit keinem einzigen Anwendungsfall. Die Regelungen bezüglich der Gentechnik seien seiner Meinung nach unverständlich.

Abgeordnete Petra Bayr (S) zeigte sich froh darüber, dass nach langen und intensiven Beratungen schließlich der vorliegende Entwurf im Ausschuss behandelt werden kann. Für wichtig erachtete sie, dass nun ein klares Verursacherprinzip festgeschrieben und auch die Frage der Gentechnik in das Gesetz aufgenommen wurde. Positiv bewertete sie auch die Parteienstellung der NGOs und der Umweltanwaltschaften. Bei den von Raschauer angesprochenen Bestimmungen gehe es darum, dass nicht nur jene Bauern, die genmanipuliertes Saatgut ausbringen, zur Verantwortung gezogen werden, sondern auch die Saatgutfirmen. Was die möglichen Anwendungsfälle betrifft, so wünsche man sich natürlich, dass es so wenige Schäden wie möglich in dieser Dimension gibt. Sie erinnere sich konkret aber an zwei Fälle in der Vergangenheit, wie z.B. einen Tankerunfall auf der Donau, wo das neue Gesetz schlagend geworden wäre.

Abgeordneter Norbert Hofer (F) erinnerte daran, dass erst ein E-Mail der Wirtschaftskammer dazu geführt habe, dass noch einmal ausführlich über den Entwurf diskutiert wurde. Erfreulich sei, dass nun auch das Verursacherprinzip aufgenommen wurde, weshalb man – trotz kleiner Kritikpunkte - von einem ganz guten Verhandlungsergebnis sprechen könne. Es wäre allerdings sinnvoll gewesen, wenn man sich etwas mehr Zeit für die Ausarbeitung des Gesetzes genommen hätte.

Abgeordneter Hermann Schultes (V) wies darauf hin, dass die Umsetzung der Umwelthaftungsrichtlinie schon dringend erforderlich war, da sonst ein Vertragsverletzungsverfahren von Seiten der EU gedroht hätte.

Abgeordnete Christiane Brunner (G) bezeichnete den Entwurf als einen positiven Schritt, der allerdings zu wenig weit reiche. So seien nicht nur wesentliche Umweltgüter nicht einbezogen, Unklarheiten bestünden auch bei den Haftungsfragen, den Informationspflichten und hinsichtlich der Beweisführung von Schäden. Ihr Fraktionskollege Wolfgang Pirklhuber sah die Einbeziehung des Verursacherprinzips als Fortschritt, weil damit dem Vorsorgegedanken entsprochen wird. Bedenken meldete er hinsichtlich der Tatsache an, dass einmal genehmigte Anlagen vom Gesetz nicht erfasst werden. Er hätte sich auch die Implementierung der Durchgriffshaftung gewünscht.

Abgeordneter Robert Lugar (B) war der Meinung, dass die EU-Richtlinie übererfüllt wurde und die Wirtschaft dadurch zu stark belastet werde. Auch sein Fraktionskollege Gerhard Huber übte Kritik und bemängelte, dass der Entwurf zu schnell durchgepeitscht wurde. (Fortsetzung)