Parlamentskorrespondenz Nr. 175 vom 05.03.2009

Gesundheitsausschuss: Aussprache mit Minister Alois Stöger

Die Pläne in den Bereichen Finanzierung und Strukturreform

Wien (PK) – Heute Nachmittag fand eine Sitzung des Gesundheitsausschusses statt, in der zunächst der neue Minister Alois Stöger zu aktuellen Fragen Stellung nahm. Er präsentierte ausführlich seine Vorhaben und Positionen in den wichtigsten Bereichen seines Ressorts. Ein wesentliches Element seiner Politik sei es, in allen Fragen sämtliche Vertreter des Gesundheitswesens einzubeziehen, um in einem "wertschätzenden Miteinander" gemeinsam die Probleme zu lösen. Er trete auch mit Nachdruck dafür ein, dass alle Menschen in Österreich den gleichen Zugang zu guten medizinischen Leistungen haben. Der Minister legte zudem ein Bekenntnis zu dezentralen Strukturen im Gesundheitssektor ab, da die Politik nahe bei den Menschen gemacht werden müsse.

Auf der Tagesordnung standen zudem die Novellierung des Gesundheitstelematikgesetzes, die eine Verlängerung des Übergangszeitraums für die Bestimmungen des elektronischen Datenaustausches um ein Jahr zum Inhalt hatte, sowie ein S-V-Antrag, in dem es um die Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben betreffend die Fristen im Verfahren zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex geht. Die Regierungsparteien brachten weiters ihre Sorge bezüglich der neuen Modedrogen wie z.B. "Spice" in einem Antrag zum Ausdruck und appellierten an den Gesundheitsminister, entsprechende Schritte zu unternehmen. Schließlich befassten sich die Mandatare noch mit zahlreichen Oppositionsanträgen, wobei folgende Themen im Mittelpunkt standen: Rauchverbot in der Gastronomie (FPÖ und BZÖ), E-card (FPÖ), Schihelmpflicht bei Kindern (BZÖ), Hebammenberatung (BZÖ), bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln, Grenzwerte bei Transfettsäuren sowie Aktionsplan für gesunde Ernährung und Bewegung (Grüne).

Vor Eingang in die Fragenrunde präsentierte Minister Alois Stöger seine Pläne und Positionen in den wichtigsten Gesundheitsbereichen. Österreich habe eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, konstatierte der Minister einleitend, und deshalb sollen die vorhandenen Strukturen nicht zerschlagen, sondern nur angepasst werden. Es müsse auf jeden Fall gewährleistet werden, dass weiterhin alle Menschen den gleichen Zugang zu einer optimalen medizinischen Versorgung haben. Was die Finanzierung des Gesundheitssystems angeht, so zeigte sich Stöger froh darüber, dass qualitativ neue Wege beschritten werden und erstmals direkte Mittel aus dem Budget in diesen Sektor fließen. Es sei bekannt, dass die Gebietskrankenkassen per 31.12.2008 ein negatives Reinvermögen in der Höhe von 1,2 Mrd. € aufwiesen. Innerhalb der Regierung wurde daher vereinbart, dass die langfristig ausgeglichene Gebarung der Kassen sichergestellt und dass ein Konsolidierungskurs eingeschlagen werden muss. Da nunmehr ein höherer Beitrag des Bundes vorgesehen ist, sollen auch die Aufsichtsmöglichkeiten von Seiten des Ministeriums verstärkt werden. Um eine kurzfristige Liquiditätssicherung zu garantieren, soll auch der Katastrophenfonds, der ein Teil des Ausgleichsfonds der Sozialversicherungsträger ist und in den Jahren 2008 und 2009 mit 38,5 Mill. € bzw. 39 Mill. € ausgestattet ist, aufgelöst werden. Zur Stabilisierung der Einnahmen wurde die Einrichtung eines Kassenstrukturfonds beschlossen, der 2010 100 Mill. € enthält und der in der Folge jährlich dotiert werden soll.

Natürlich müssen auch auf der Ausgabenseite Optimierungen erfolgen, meinte Stöger, so habe man etwa den Hauptverband beauftragt, bis 30. 6. 2009 ein entsprechendes Konzept auszuarbeiten. Wichtige Eckpunkte dabei sind der Ausbau des Qualitäts- und des Prozessmanagements sowie die Vermeidung von Doppelzahlungen und Folgekosten. Bezüglich des Themenbereichs Strukturen im Gesundheitssektor stellte Stöger mit Nachdruck fest, dass er sich zu einer dezentralen Vertragsabschlusskompetenz der Gebietskrankenkassen bekenne. Es solle jedoch eine Vertragspartneranalyse stattfinden und Benchmark-Zahlen ermittelt werden. Was die Problematik des E-card-Missbrauchs angeht, so gebe es eine Verpflichtung für die Ärzte, die Identität der Patienten zu überprüfen. Weitere Schritte werden in folgeden Bereichen gesetzt: die Umsetzung der so genannten E-Medikation und der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA), mehr Transparenz bezüglich der Werbung für Medikamente, die Einführung einer Pharmareferenten-Datenbank, Maßnahmen im Bereich der Sicherung der Lebensmittelqualität, mehr Verwaltungsvereinfachung und Entbürokratisierung, das Ausnützen von Synergien sowie der Ausbau der EDV in allen Sektoren.

Breite Themenpalette: Von Finanzierung bis Lebensmittelqualität

Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) wollte vom Minister wissen, warum er sich skeptisch gegenüber einer Finanzierung aus einer Hand und für die Beibehaltung der regionalen Strukturen ausgesprochen hat. Außerdem erkundigte er sich danach, ob Stöger Leistungskürzungen für die Patienten ausschließen könne. Ein wichtiges Anliegen war ihm die Abschaffung von Selbstbehalten wie etwa bei Hörgeräten oder Zahnprothesen, weil dadurch sozial schwächere Familien besonders belastet würden. Außerdem würde dadurch viel Geld – schätzungsweise 200 Mill. € - ins Ausland abfließen, weil dort diese Dienstleistungen billiger angeboten werden.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) konnte keine Anzeichen für eine echte Gesundheitsreform erkennen, man müsse seiner Meinung nach vielmehr bei den eigentlichen Ursachen ansetzen. Dringenden Handlungsbedarf ortete er in den Bereichen Palliativmedizin und Hospizwesen sowie bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo es viel zu wenig Kassenärzte gebe. Weiters wies Grünewald darauf hin, dass das Budget der Gesundheitsplattformen oft nur zu einem kleinen Teil ausgenützt wird und der Bund entsprechende Initiativen setzen sollte. Schließlich setzte er sich noch für die rasche Ratifikation der Bioethikkonvention des Europarates ein. Außerdem sprachen die Abgeordneten noch folgende Themen an: Verbesserung der Ausbildung von Turnus-ÄrztInnen (Abgeordnete Sabine Oberhauser, S), Strukturreform und bundeseinheitliche Leistungs- und Honorarvereinbarungen (Abgeordneter Wolfgang Spadiut, B), die Bedeutung von Präventionsmaßnahmen sowie das Hausarztmodell (Abgeordneter Erwin Rasinger, V), Risikoforschung im Bereich der Gentechnik und Lebensmittelqualitätssicherung (Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber, G), Bonussystem für in Anspruch genommene Vorsorgeuntersuchungen, Lehrstuhl für Geriatrie, Gesamtkonzept für die Pflege sowie neue Medizin-Uni in Linz (Abgeordnete Ursula Haubner, B), das frühe Pensionsantrittsalter im öffentlichen Bereich (Abgeordneter Werner Neubauer, F), Weiterentwicklung des Projekts "Gesunde Schule" (Abgeordneter Erwin Kaipel, S), weitere Vorgangsweise bezüglich Gentechnik-Anbauverbote in der EU (Abgeordneter Johann Maier, S) sowie Frauengesundheit (Abgeordneter Erwin Spindelberger, S).

Bundesminister Alois Stöger nahm noch einmal zu dem Vorschlag, die Krankenkassen zusammenzulegen, Stellung. Er frage sich, was das nützen soll? Seiner Meinung nach sei es sinnvoller, die Entscheidungsstrukturen nahe beim Patienten zu lassen. Er glaube auch nicht an eine Steuerwirkung durch Selbstbehalte, führte Stöger weiter aus. Studien haben bewiesen, dass Selbsthalte keine Einsparungen bringen, sondern sogar eine Erhöhung der Ausgaben. Die Selbstbehalte werden nicht ausgebaut, da "kranke Menschen keinen Markt haben", unterstrich der Ressortchef. Gegenüber dem Abgeordneten Grünewald berichtete Stöger, dass bezüglich der Einrichtung von Kompetenzzentren in Bezug auf seltene Kinderkrankheiten bereits eine Unter-Arbeitsgruppe beim Obersten Sanitätsrat etabliert wurde. Was die Ratifizierung der Bioethikkonvention angeht, so sei diese in Aussicht genommen. Allerdings gab Stöger zu bedenken, dass in manchen Punkten die österreichische Rahmengesetzgebung weitreichender sei. Hinsichtlich der Länderplattformen merkte der Minister an, dass der Bund sich dafür einsetze, dass noch weitere innovative Projekte gestartet werden. In Richtung der Abgeordneten Sabine Oberhauser (S) stellte Stöger fest, dass an einer Qualitätsverbesserung der Ärzteausbildung gearbeitet und darauf Bedacht genommen werde, dass die Ausbildungsinhalte auch in der vorgegebenen Turnuszeit absolviert werden können. Die Abgeordnete Ursula Haubner (B) informierte er darüber, dass auch das Thema Geriatrie stärker in die Ärzteausbildung integriert werden soll. Wenig halte er jedoch von dem vorgeschlagenen Bonus-System, da der bürokratische Aufwand in diesem Zusammenhang enorm wäre. Bezüglich der Errichtung einer weiteren medizinischen Universität in Österreich habe er von Wissenschaftsminister Hahn gehört, dass er Linz für einen geeigneten Standort halte. Die Prävention im Gesundheitsbereich sei ein ganz wichtiger Schwerpunkt seiner zukünftigen Tätigkeit, es seien schon eine Reihe von Maßnahmen geplant, wie z.B. im Bereich der Ernährung von Kindern, der Ausbau des Projekts "Gesunde Schule" oder die Beleuchtung der Gesundheitsmaßnahmen unter dem Gender-Aspekt. Im Rahmen der Frauengesundheit werde ein Schwerpunkt auf Depressionen und Krebsfrüherkennungsmaßnahmen gelegt. Weiters ging Stöger auf die Risikoforschung in der Gentechnik ein, für die insgesamt 300.000 € bereit gestellt werden. (Fortsetzung)