Parlamentskorrespondenz Nr. 260 vom 26.03.2009

EU-Unterausschuss diskutiert Klimaschutzprogramm der EU

Einstimmige Ausschussfeststellung zur Atomkraft

Wien (PK) – Die EU will die Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 um 20 % verringern. Sie wäre sogar zu einer Reduktion um 30 % bereit, wenn sich alle anderen Industrieländer zu vergleichbaren Reduktionen verpflichten. Oberstes klimapolitisches Ziel der EU ist es, den durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg gegenüber vorindustriellen Werten auf unter 2°C zu begrenzen, da bei einem höheren Anstieg unabsehbare negative Folgen für die Umwelt und die Wirtschaft überall auf der Welt zu erwarten sind. Um das 2°C-Ziel zu erreichen, müssen die globalen Treibhausgas-Emissionen bis 2020 ihren absoluten Höhepunkt erreichen und bis 2050 gegenüber 1990 zumindest halbiert werden.

Das ist den Schlussfolgerungen des Rats der UmweltministerInnen vom 2. März 2009 zu entnehmen, der damit, genauso wie eine Entschließung des Europäischen Parlaments, den wesentlichen Punkten der Mitteilung der Kommission zu einem umfassenden Klimaschutzübereinkommen folgt. Ein solches soll nach dem Plan der internationalen Staatengemeinschaft auf der UN-Klimakonferenz im Dezember 2009 in Kopenhagen für die Zeit nach 2012 beschlossen werden. Die EU hat damit als bisher einzige Verhandlungsgruppe konkrete Vorstellungen für weitere Maßnahmen nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls vorgelegt.

Der EU-Unterausschuss des Nationalrats beschäftigte sich heute eingehend mit den Schlussfolgerungen und der Zukunft der Klimaschutzpolitik. Einstimmig angenommen wurde eine Ausschussfeststellung, in der die Ausschussmitglieder an die österreichische Bundesregierung den Appell richten, allen Versuchen, die Nuklearenergie als eine sichere und nachhaltige Energieform darzustellen, entgegenzutreten und sich weiterhin dafür einzusetzen, dass der Einsatz von Nuklearenergie nicht als Beitrag im Sinne der Erreichung von Klimaschutzzielen Anerkennung findet.

Umweltminister Nikolaus Berlakovich bekräftigte, die EU nehme im Klimaschutz eine Führungsrolle ein und sei auch die einzige Region, die derzeit aktiv dafür etwas tue. Die angepeilten Emissionsreduktionen seien ambitioniert, aber es reiche nicht aus, nur in Europa etwas zu tun, sondern man müsse auch die USA und andere Länder ins Boot holen. Es sei weiters notwendig, in Asien einen Prozess einzuleiten. Die EU werde fortgeschrittenen Entwicklungsländern eine Unterstützung anbieten und werde darüber hinaus Forschung und Entwicklung auf dem Sektor der Energie forcieren.

In der Diskussion wies Abgeordnete Petra Bayr (S) auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. Feber 2009 hin, die sie als ein wichtiges Dokument zur Klimaschutzpolitik bezeichnete. Klimapolitik und Wirtschaft seien kein Widerspruch, sagte sie und bekräftigte damit die Aussage des Ministers, dass man in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die politischen Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, nicht vernachlässigen dürfe. Nachdem der Post-Kyoto-Prozess viel Geld kosten wird, brachte sie die Finanztransaktionssteuer wieder in die Diskussion ein und fragte nach der Lastenverteilung innerhalb der EU. Bayr sprach auch die Notwendigkeit an, Länder außerhalb Europas bei der Verfolgung der Klimaschutzziele zu unterstützen, und interessierte sich für die Strategie der EU gegenüber den USA.

Die Umstellung des Energiesystems auf Nachhaltigkeit erachtete Abgeordneter Hermann Schultes (V) als zentralen Punkt. Man habe gesehen, wie tief die Öl- und Energieknappheit Europa getroffen hat, sagte er, und im Zuge der Preisentwicklung sei über Spekulationen Geld in die Hände weniger gekommen, was auch zur Finanzkrise beigetragen habe. Ein großer Energieverbrauch könne die Wirtschaft erschüttern. Die Welt müsse sich daher auf ein neues System umstellen, betonte Schultes und Österreich könne aufgrund seines Know-hows auf diesem Gebiet einiges dazu beitragen.

Abgeordneter Harald Stefan (F) hinterfragte grundsätzlich, ob man den Klimawandel tatsächlich stark beeinflussen könne, auch wenn er die Reduktion von Emissionen für unumgänglich erachte. Aber in den letzten Jahrhunderten habe es auch große Temperaturschwankungen gegeben. Ihm war es wichtig, dass den EU-Mitgliedstaaten keine wirtschaftlichen Nachteile erwachsen, wenn sie Vorleistungen beim Klimaschutz erbringen.

Ebenso sorgte sich Abgeordneter Rainer Widmann (B) um eventuelle Wettbewerbsnachteile. Ohne die USA und China werde man nicht viel tun können, meinte er und befürchtete negative ökonomische Effekte, wenn die EU allein vorgeht. Außerdem könne man Klimaschutzpolitik nicht nur über Emissionen machen, sondern man sollte seiner Auffassung nach etwa die thermische Sanierung forcieren, da dies auch Arbeitsplätze bringe. Widmann bezweifelte angesichts der angespannten Budgetsituation auch die Ernsthaftigkeit, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Bereich Energie bis 2012 verdoppeln und bis 2020 vervierfachen zu wollen. Er kritisierte die EU, die auf eine Renaissance der Atomkraft setze und einen ungesunden Energiemix zulasse.

Seitens der Grünen wurden die Pläne der EU zum Klimaschutz zwar begrüßt, sie gehen ihnen jedoch nicht weit genug. Das Europäische Parlament verfolge in seiner Entschließung weit ambitioniertere Ziele, sagte Abgeordnete Christiane Brunner (G). Klimaschutz sei kein Widerspruch zur Wirtschaftlichkeit, vielmehr schafften Investitionen in innovative Projekte eine Vielzahl von Arbeitsplätzen. Brunner sprach sich weiters für die Unterstützung der Entwicklungsländer aus und erteilte einmal mehr der Atomenergie eine klare Absage. In diesem Zusammenhang appellierte ihre Klubkollegin Ulrike Lunacek an die Verantwortung der Industrieländer für die Regenwaldabholzung und machte sich für die Unterstützung der Aufforstung stark. Lunacek sah in der jetzigen Situation grundsätzlich eine Chance, gemeinsam mit den USA einen Umschwung in der Industrie zu schaffen. Viele Länder hätten ein hohes Interesse an energiesparenden Produkten, meinte sie. Sie erinnerte auch an den Fünf-Parteien-Antrag, wo man sich für eine Finanztransaktionssteuer ausgesprochen hatte.

Bundesminister Nikolaus Berlakovich machte eindringlich auf das ambitionierte Programm der EU aufmerksam. Man solle die stark widerstrebenden Interessen der einzelnen Mitgliedsländer nicht unterschätzen, erläuterte er. Mit dem Programm sei daher ein gigantischer Interessenausgleich gelungen, den man nicht kleinreden dürfe. Auch der Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments sei ein wichtiger Impuls gewesen. Österreich selbst gehe einen konsequenten Weg und wolle den Anteil an erneuerbarer Energie bis 2020 von derzeit 23,4 % auf 34 % anheben. Berlakovich bestätigte, dass Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen auch einen Jobmotor darstellen. Mit Bundesminister Reinhold Mitterlehner habe er ein Programm zur thermischen Sanierung vorgestellt, wodurch man sich zusätzliche 7.000 Arbeitsplätze erwartet.

Was die Atomkraft betrifft, so sei diese noch immer ein heiß umstrittenes Thema, so Berlakovich weiter. Österreich bemühe sich aber im Rahmen von Energiepartnerschaften, sein Know-how auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien anderen Staaten zur Verfügung zu stellen.

Die EU werde selbstverständlich alles tun, auch andere Staaten ins Boot zu holen. In Bezug auf die USA zeigte sich der Minister vorsichtig positiv, da Präsident Obama sich dezidiert für Klimaschutzmaßnahmen ausgesprochen hat. (Schluss)