Parlamentskorrespondenz Nr. 315 vom 17.04.2009

Kritik an der künftigen gemeinsamen EU-Asylstrategie

Antrag auf Ausschussfeststellung im EU-Unterausschuss

Wien (PK) – Die Zukunft der gemeinsamen Asylstrategie und deren konkrete Umsetzung waren heute beherrschendes Thema des EU-Unterausschusses des Nationalrats. Österreich hat sich in der Vergangenheit klar zum Ziel bekannt, ein gemeinsames europäisches Asylsystem zu schaffen. Aus heimischer Sicht werden daher auch die Pläne der EU-Kommission zur Standardisierung und Harmonisierung grundsätzlich begrüßt, insbesondere die Bemühungen um eine Stärkung der praktischen Zusammenarbeit unter den Mitgliedsstaaten. Einheitliche Entscheidungsgrundlagen und eine einheitliche Praxis seien entscheidend, um Anreize für Sekundärmigrationen zu minimieren, heißt es. Dennoch sehen die Bundesregierung wie auch die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP die Vorschläge der Kommission zur konkreten Umsetzung teilweise sehr kritisch. FPÖ und BZÖ standen den Vorschlägen ablehnend gegenüber, nur die Grünen unterstützten die Kommissionsvorschläge uneingeschränkt.

Bundesministerin Maria Theresia Fekter betonte, eine zukünftige Asylstrategie müsse Harmonisierung und Effizienzsteigerung zum Ziel haben und eine gerechtere Verteilung der Lasten unter den Mitgliedsstaaten anstreben. Keineswegs aber dürfe es zu Eingriffen in nationale Rechte und zu einem verstärkten illegalen Aufenthalt von Flüchtlingen kommen. Man müsse weiter bemüht sein, Missbrauch hintanzuhalten. Die derzeit vorliegenden Vorschläge würden jedoch diese Ansprüche nicht erfüllen, meinte die Ministerin.

SPÖ und ÖVP sehen noch viel Diskussionsbedarf

Ähnlich äußerten sich die Abgeordneten der beiden Koalitionsparteien. So meinte etwa Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S), die Neuregelungen dürften nicht dazu führen, dass es zu einer Sogwirkung komme. Entscheidend für das Asyl könne nicht die Lage im Zielland sein, sondern habe die Lage im Herkunftsland zu bleiben. Trotz aller Kritik an den Vorschlägen der Kommission sei eine Harmonisierung zu begrüßen, da es hinsichtlich der Bewertungspraxis in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu großen Diskrepanzen komme. 

Abgeordnete Beatrix Karl (V) hielt fest, man müsse aufpassen, dass es nicht zu unerwünschten Effekten komme. Die Verbesserung und Angleichung der Asylsysteme habe der Effizienzsteigerung und Rechtssicherheit zu dienen, dürfe aber nicht zur Aufweichung bestehender Regeln und zur Verletzung des Subsidiaritätssystems führen.

In einem Antrag auf Ausschussfeststellung halten die beiden Koalitionsparteien daher fest, dass die den Vorlagen beigefügten Abschätzungen der Folgen und Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen teilweise mangelhaft oder nicht nachvollziehbar sind. Das betreffe insbesondere die finanziellen Auswirkungen auf die Mitgliedsstaaten, die möglichen Auswirkungen auf Sekundärmigration und die Begründung für die Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Die Abgeordneten sehen vor allem bei den Vorschlägen betreffend Zugang zum Arbeitsmarkt, betreffend die Höhe der zu erbringenden Sozial-, bzw. Versorgungsleistungen, sowie die Ausweitung der Definition der Familienangehörigen die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verletzt. Im gegenständlichen Antrag gehen dann die Abgeordneten detailliert kritisch auf die Asylstrategie, die Aufnahme-Richtlinien, die Dublin-Verordnung, die EURODAC-Verordnung und die Verordnung betreffend Asyl-Unterstützungsbüro ein. Bei all diesen Fragen orten sie noch erheblichen Diskussionsbedarf.

Der Antrag wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP mehrheitlich angenommen. Eine ähnlich kritische Stellungnahme zu diesen Fragen hatte der Bundesrat in der Sitzung seines EU-Ausschusses am 3. Februar 2009 abgegeben (siehe PK Nr. 63/2009)

FPÖ und BZÖ: Kommissionsvorschläge erleichtern Missbrauch

Keine Zustimmung zu den Vorschlägen der Kommission kam von den FPÖ-Ausschussmitgliedern. Nach Auffassung von Abgeordneten Johannes Hübner (F) mache der Vorschlag der Kommission insbesondere im Hinblick auf die neuen Schubhaftbedingungen, die Ausdehnung des Familienbegriffs, den leichteren Arbeitsmarktzugang und die Erweiterung der Grundversorgung ein vernünftiges Asylsystem unmöglich. In einem Antrag auf Stellungnahme fordert die FPÖ daher die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung auf, den Vorschlag zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von AsylwerberInnen in den Mitgliedsstaaten abzulehnen und die Mitteilung der Kommission über die künftige Asylstrategie im Sinne einer restriktiven Asylpolitik eine klar ablehnende Haltung einzunehmen. Der Antrag wurde lediglich von FPÖ und BZÖ unterstützt und erhielt somit nicht die erforderliche Mehrheit.

Ebenso negativ äußerten sich die Abgeordneten des BZÖ, wobei sie jedoch den Vorschlag zur EURODAC-Verordnung davon ausnahmen. Abgeordneter Ewald Stadler (B) stellte fest, die Vorschläge entbehrten jeglicher realistischer Betrachtung, und begründete die Haltung seiner Fraktion damit, dass die bisherigen Vorstellungen der Kommission generell auf eine Ausweitung der Rechte von AsylwerberInnen abzielen und damit zu weiteren Kosten und administrationsintensiven Verfahrensverzögerungen führen würden. Der Asylmissbrauch würde nicht nur nicht eingedämmt sondern noch ausgeweitet. Der diesbezügliche Antrag auf Ausschussfeststellung des BZÖ wurde jedoch von den anderen Fraktionen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit. In einem weiteren Antrag auf Ausschussfeststellung sprachen sich die BZÖ-Abgeordneten gegen die Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen aus. Auch dieser Antrag wurde mehrheitlich von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt.

Grüne begrüßen die Kommissionsvorschläge

Im Gegensatz zu den anderen Fraktionen zeigten sich die Grünen mit den Änderungsvorschlägen der Kommission zur EU-Asylpolitik völlig einverstanden. AslywerberInnen hätten ein Recht auf ein menschenwürdiges Dasein, unterstrich Abgeordnete Ulrike Lunacek (G). Es sei wichtig, den Betroffenen einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu öffnen, bis über deren Asylantrag entschieden ist. Die Grünen hielten es für eine unabdingbare Notwendigkeit, für die Betreuung von Flüchtlingen einheitliche Standards festzulegen. Ihr Antrag auf Stellungnahme wurde jedoch von den anderen Fraktionen mehrheitlich abgelehnt.

Vorschläge der Kommission und die Position Österreichs

Die EU-Kommission hat als Grundlage für die weitere Harmonisierung des Asylwesens eine Mitteilung unter dem Titel "Künftige Asylstrategien – Ein integriertes Konzept für EU-weiten Schutz" vorgelegt. Darin skizziert die Kommission die Pläne für die Umsetzung der zweiten Phase eines gemeinsamen europäischen Asylsystems, wie es das Haager Programm 2004 bis 2009 vorsieht. War man in der ersten Phase um die Schaffung von Mindestnormen bemüht, so soll es im folgenden Schritt der Harmonisierung zur Verwirklichung eines gemeinsamen Asylverfahrens, zu einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für Flüchtlinge und subsidiär Schutzbedürftige kommen. Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte – das sind Personen, deren Asylantrag zwar abgelehnt wurde, deren Leben oder Gesundheit im Herkunftsland aber bedroht ist -  sollen eine einheitliche Rechtsstellung erhalten, wobei man geschlechtsspezifische Aspekte und spezielle Bedürfnisse von besonders hilfsbedürftigen Gruppen berücksichtigen will. Darüber hinaus will man die praktische Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten stärken. Zur Erreichung der Schutzstandards schlägt die Kommission eine Überarbeitung der Aufnahme-Richtlinie, der Verfahrens- und der Status-Richtlinie sowie der Dublin II- und der EURODAC-Verordnung an.

In diesem Zusammenhang strebt die EU unter anderem eine Qualitätssteigerung der Asylsysteme an. Daher werden Anstrengungen unternommen, die praktische Zusammenarbeit und Solidarität innerhalb der EU und im Verhältnis zu Drittstaaten zu fördern und zu verbessern und damit zu einer verstärkten Harmonisierung und zur Wahrung der Kohärenz beizutragen. Die Kommission schlägt zu diesem Zweck die Errichtung einer Europäischen Asylunterstützungsagentur vor und regt an, das Dublin-System zu ändern, die Möglichkeit der gemeinsamen Bearbeitung von Asylanträgen zu prüfen, Spezialteams zur Unterstützung überlasteter Mitgliedstaaten bereitzustellen und stärker belastete EU-Länder finanziell zu unterstützen. Darüber hinaus werden regionale Schutzprogramme zur Verbesserung der Situation in den Drittstaaten überlegt, etwa erleichterte Asylverfahrenszugänge und Wiederansiedlungen auf freiwilliger Basis.

Bei den auf der Tagesordnung stehenden konkreten Vorlagen zur Umsetzung der Ziele handelt es sich zunächst um einen Richtlinienvorschlag zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von AsylwerberInnen in den Mitgliedsländern, wobei es unter anderem um einen Zugang zum Arbeitsmarkt 6 Monate nach Antragstellung geht, was von Österreich kritisch gesehen wird. Der Arbeitsmarktzugang falle in die nationale Kompetenz der Mitgliedsstaaten, wird ausdrücklich betont. Ebenso ablehnend hat sich Österreich gegenüber der Erwägung der Kommission geäußert, die einzelnen Länder zu verpflichten, bei der Gewährung finanzieller Unterstützung für AsylwerberInnen den Umfang der eigenen Staatsangehörigen gewährten Sozialhilfe zu berücksichtigen. Dies würde aufgrund des unterschiedlichen Sozialhilfeniveaus zu Sekundärmigration führen, wird befürchtet. Ähnlich verhält es sich mit dem Punkt, die Möglichkeit zur Gewahrsamnahme stark einzuschränken sowie mit der geplanten Erweiterung des Familienbegriffs. Österreich wendet sich gegen eine massive Einschränkung der Inschubhaftnahme und tritt für die Beibehaltung des Familienbegriffs, der sich auf die Kernfamilie bezieht, ein. Außerdem soll die Mitwirkung der AsylwerberInnen am Verfahren weiterhin ein wesentlicher Faktor bleiben. Die Kommission schlägt weiters vor, nationale Maßnahmen zur sofortigen Feststellung besonderer Bedürfnisse einzuführen, um etwa den Zugang zu medizinischer Versorgung oder zu Bildungseinrichtungen im Fall von Jugendlichen sicherzustellen. Laut österreichischer Position ist bei einer Erweiterung der Gruppe besonders Schutzwürdiger auf psychisch Kranke große Missbrauchsgefahr gegeben.

Die angestrebte Neufassung der Dublin II-Verordnung, in der geregelt wird, wer für die Prüfung der Asylverfahren zuständig ist, soll laut Kommission die Leistungsfähigkeit des Systems durch die Einführung von Fristen und durch Präzisierungen erhöhen. Darüber hinaus sollen nun auch subsidiär Schutzberechtigte in den Anwendungsbereich der Verordnung einbezogen, der Schutz unbegleiteter Minderjähriger und anderer schutzbedürftiger Personen ausgeweitet und der Rechtsschutz allgemein gestärkt werden. Auch diesen Vorschlag sieht Österreich sehr kritisch, da laut Stellungnahme das Grundprinzip der geltenden Dublin-Verordnung geändert werde und auf eine weitgehende Ausweitung der Rechte von AsylwerberInnen inklusive einer partiellen Wahlfreiheit des zuständigen Mitgliedstaates durch die AsylwerberInnen abziele. Die neuen Regelungen zu Rechtsbehelfen würden den Vollzug der Dublin-Verordnung erheblich behindern, heißt es in der Stellungnahme. Insbesondere wird die vorgeschlagene Möglichkeit zur zeitweiligen Aussetzung von Dublin-Überstellungen abgelehnt, da dies zu einer Aufweichung der Verantwortung der Mitgliedsstaaten und zu einer kosten- und administrationsintensiven Verfahrensverzögerung führen würde.

Weiters lag der Entwurf für die Neuregelung der Verordnung über die Einrichtung von "EURODAC" zur elektronischen Erfassung, Weiterverarbeitung und Übermittlung von Fingerabdrücken vor, der unter anderem auf einen verbesserten Schutz personenbezogener Daten abstellt. Österreich steht diesem Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüber, vor allem wird die Festlegung klarer Fristen für die Datenübermittlung begrüßt. Aus heimischer Sicht wurde aber auch der Wunsch nach verpflichtenden Regelungen zur Einspeicherung bzw. Abfragemöglichkeiten zur Datenkategorie der illegal an der Grenze aufgegriffenen Drittstaatsangehörigen sowie nach einer zwingenden Einspeicherung von illegal Aufhältigen geäußert. Wie betont wird, kann eine Zustimmung zu EURODAC nur im Einklang mit der Dublin-Verordnung erfolgen, weshalb der weitere Verhandlungsverlauf abzuwarten ist.

Schließlich stand der Verordnungsentwurf zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen zur Diskussion. Mit einer solchen Institution beabsichtigt man die praktische Zusammenarbeit im Asylbereich zu unterstützen, besonders belasteten Mitgliedstaaten behilflich zu sein und zur Verwirklichung eines gemeinsamen Europäischen Asylsystems beizutragen. Das Büro soll daher laut Plan bewährte Praktiken ermitteln, Schulungen organisieren, den Zugang zu einer aussagekräftigen Herkunftsländerinformation erleichtern, Unterstützungsteams koordinieren und technische und faktische Unterstützung leisten. Es ist als Regulierungsagentur mit eigener Rechtspersönlichkeit geplant, soll aber keine Entscheidungsbefugnisse haben. Auch dieser Vorschlag findet nicht die ungeteilte Unterstützung Österreichs. Österreich betont insbesondere, dass sich der Einsatz des Asylunterstützungsteams auf eine praktische Hilfe vor Ort beschränken müsste. Eine Einbindung in nationale Asylverfahren dürfe keinesfalls vorgesehen werden. Jedenfalls sieht man aus heimischer Sicht in dieser Frage noch einen großen Diskussionsbedarf, da man die Auffassung vertritt, dass unnötige und kostenintensive bürokratische Strukturen zu vermeiden sind und die Notwendigkeit einer derartigen neuen Institution von der Kommission noch nicht ausreichend begründet worden ist.

Die Diskussion im Detail

Fekter: Keine Eingriffe in nationale Rechte

In ihrer einleitenden Stellungnahme bekräftigte Innenministerin Maria Theresia Fekter die Bestrebungen nach Standardisierung und Harmonisierung, zumal es durch die unterschiedliche Anerkennungspraxis und die unterschiedlichen sozialen Niveaus in den einzelnen Mitgliedsstaaten attraktivere und weniger attraktive Zielländer gebe. Österreich gehöre jedenfalls durch die Grundversorgung und die Abwicklung der Individualverfahren zu den attraktiveren Staaten. Die Bundesregierung habe dennoch zu den einzelnen Detailfragen kritische Anmerkungen gemacht und werde darin von vielen anderen Ländern unterstützt. Befürwortet werde jedoch in weiten Bereichen die EURODAC-Verordnung.

So würde die neue Aufnahme-Richtlinie Österreich finanziell stark belasten, stellte Fekter fest, da sie weit über das ohnehin hohe Niveau hinausgehe. Massiv wehrte sich die Ministerin gegen den Vorschlag der Kommission, Malta, Zypern und Griechenland für eine bestimmte Zeit von den Dublin-Pflichten zu befreien, da diese Länder besonders belastet seien. Fekter begründete ihre Haltung damit, dass Österreich zumindest ebenso belastet wie Griechenland sei, und in Europa an fünfter Stelle nach Malta, Zypern, Schweden und Griechenland liege. Ein solches Moratorium würde dazu führen, dass vieles wieder bei Österreich lande, sagte sie. Es sei nicht verständlich, Griechenland zu erlauben, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Das Unterstützungsbüro für Asylfragen werde von Österreich zwar nicht abgelehnt, man werde jedoch keiner Institution zustimmen, die zu einem zentraleuropäischen Asylwesen führe, bekräftigte Fekter. Asylpolitik müsse nationale Angelegenheit bleiben, daher habe sie darauf gedrängt, dass es sich bei diesem Büro um eine reine Unterstützungsinstitution handelt.

SPÖ: Aufnahmefähigkeit beachten; keine unkontrollierte Migration

Daraufhin meldete sich Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) zu Wort, die den menschlichen Aspekt im gesamten Asylwesen unterstrich. Dennoch müsse man eine unkontrollierte Migration und die Gefährdung der Aufnahmefähigkeit einzelner Länder vermeiden, sagte sie. Grossmann teilte die Skepsis der Ministerin hinsichtlich des Unterstützungsbüros und vertrat die Auffassung, dass mit der Erhöhung der Grundversorgung das Subsidiaritätsprinzip verletzt würde. Die selbe Problematik stelle sich hinsichtlich der angestrebten Öffnung des Arbeitsmarkts für AsylwerberInnen. Grossmann plädierte dafür, alles zu unternehmen, um auch die Standards in den einzelnen Mitgliedsstaaten anzuheben.

Ihre Klubkollegin Angela Lueger (S) präzisierte die Kritikpunkte der SPÖ. So würde ihrer Ansicht nach die Ausweitung der Definition des Familienbegriffs zu höheren Belastungen in den Mitgliedsstaaten führen, argumentierte sie. Die Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt hielt sie für überzogen. Sie konnte sich jedoch vorstellen, dass AsylwerberInnen nach einer bestimmten Zeit Ansuchen beim AMS stellen und deren Anträge daraufhin nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes geprüft werden. Ebenso überzogen seien die Vorstellungen zur Grundversorgung und griffen in die nationalen Kompetenzen ein. Lueger wandte sich auch gegen die vorgesehene Einschränkung der Möglichkeiten der Schubhaft. Ihrer Meinung nach sollten AsylwerberInnen auch in Zukunft angehalten werden, aktiv im Verfahren mitzuwirken. Das geplante Unterstützungsbüro widerspricht laut Lueger dem Bemühen um Deregulierung und Bürokratieabbau. Die Notwendigkeit einer derartigen Agentur sei daher kritisch zu hinterfragen. Lueger warf der FPÖ vor, gegen alles zu sein, ohne eigenen Vorschläge zu bringen, und begründete die Ablehnung des Antrags der Grünen mit dem Hinweis, dass vieles noch nicht entschieden sei. Einige Punkte darin seien aber aus ihrer Sicht durchaus unterstützungswürdig.

ÖVP: Keine Schlechterstellung von EU-BürgerInnen versus Flüchtlingen 

Große Probleme im Bereich der Sozialleistungen sah auch Abgeordnete Beatrix Karl (V). Sie wies darauf hin, dass selbst EU-BürgerInnen erst dann Anspruch auf Sozialhilfe haben, wenn sie über einen Daueraufenthalt verfügen. Würde der Kommissionsvorschlag umgesetzt, wären AsylwerberInnen gegenüber EU-BürgerInnen bessergestellt. Sie warnte auch vor negativen Tendenzen am Arbeitsmarkt. Wichtigstes Ziel müsse es sein, so Karl, das Asylsystem zu verbessern und anzugleichen, weshalb sie die verstärkte Zusammenarbeit begrüßte, um die Anwendung und die Auslegung der Bestimmungen zu harmonisieren.

Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) bekräftigte, es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn sich die Europäische Kommission mit der Asylproblematik näher auseinander setzt. Dennoch müsse man mit Augenmaß vorgehen. So sei etwa die Frage des Arbeitsmarkts sehr heikel. Auf der einen Seite bestehe oft großes Unverständnis darüber, dass AsylwerberInnen nichts arbeiten dürfen, andererseits könne es nicht so sein, dass ihnen nach sechs Monaten der volle Zugang gewährt wird, denn das würde gegenüber den neuen EU-Mitgliedsstaaten Ungleichheiten schaffen. Auf Grund der Übergangsfristen wären deren BürgerInnen schlechter gestellt als AsylwerberInnen. Man müsse auch die Tatsache beachten, dass die Arbeitsmarktprobleme in den einzelnen Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich sind, bemerkte Schüssel. Das Subsidiaritätsprinzip sei daher in dieser Frage genauso zu respektieren, wie bei der Grundversorgung. Er trete für eine Formulierung ein, wonach ein angemessener Lebensunterhalt garantiert werden soll. Schüssel wollte auch die Frage der Abschiebungen nicht auf EU-Ebene heben. Hinsichtlich des Unterstützungsbüros stellte der V-Abgeordnete fest, die Kommission müsse den Mehrwert einer solchen Institution erst begründen. Auch er zeigte sich skeptisch, ob man eine derartige Agentur tatsächlich brauche. Zum Antrag der Grünen bemerkte er, darin würden politische Flüchtlinge und Wirtschaftsflüchtlinge vermengt, und das müsse man auseinanderhalten.

FPÖ: Europa für Einwanderung nicht noch attraktiver machen

Seitens der FPÖ wurde ins Treffen geführt, dass es sich bei den AsylwerberInnen zu 90 % um Wirtschaftsflüchtlinge handelt. Das Asylsystem und die Flüchtlingskonvention stamme aus einer anderen Zeit, bemerkte Abgeordneter Johannes Hübner (F). Die Konvention sei längst zum Vehikel für illegale Einwanderung geworden. Es könne auch nicht das Bestreben der EU sein, Mindeststandards festzulegen und damit weitere EU-Länder für die Einwanderung attraktiv zu machen, bzw. der EU noch mehr Magnetwirkung zu verschaffen, meinte Hübner.

Abgeordneter Harald Stefan (F) ergänzte, seitens der anderen Fraktionen werde so getan, als ob das Asylsystem in Österreich in Ordnung sei. Vielmehr laufe es schlecht, die Asylanträge hätten wieder stark zugenommen. Er kritisierte vor allem die geplante Ausdehnung des Schutzes auf subsidiär Schutzbedürftige sowie die Pläne zur Öffnung des Arbeitsmarktes und plädierte dafür, Europa für Wirtschaftsflüchtlinge weniger attraktiv zu machen und damit den Sog zu vermindern.

Eine Unterwanderung der EU-Institutionen durch NGOs befürchtete Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) angesichts der vorliegenden Kommissionsvorschläge. Der Zugang zum Arbeitsmarkt würde weit aufgemacht und damit dem ohnehin bestehenden Lohndumping weiterhin Vorschub geleistet. Denn hinter diesen Vorschlägen stünden nicht nur NGOs sondern auch die Industrie, die illegale billige Arbeitskräfte beschäftige. Rosenkranz warnte davor, bestehende Regelungen wie Dublin oder Schengen in irgendeiner Form aufzuweichen. Vielmehr müsste man alles daran setzen, die Umsetzung strikter zu handhaben.

BZÖ: Harmonisierungsbestrebungen stiften weiter zu Asylmissbrauch an

Harsche Kritik sowohl an den Vorschlägen der Kommission als auch am Antrag der Koalitionsparteien und der Grünen kam von Abgeordnetem Ewald Stadler (B). Er stieß sich vor allem an den Formulierung im S-V-Antrag, wonach viele Punkte "kritisch gesehen" werden. Vielmehr solle man klar sagen, dass die Vorschläge mit Ausnahme von EURODAC abzulehnen sind. Die Harmonisierungsbestrebungen der Kommission würden zum fortgesetztem Asylmissbrauch anstiften, sagte er. Die Entwürfe seien der schlagende Beweis dafür, dass die Kommission bemüht sei, in Europa noch unpopulärer zu werden. Als unerträglich bezeichnete Stadler insbesondere die Vorstellungen zur Öffnung des Arbeitsmarkts, die Ausweitung des Familienbegriffs, die Gewahrsamsregelung und die Einbeziehung psychisch Kranker. Wenn man in Europa eine andere Bevölkerung haben und niedrigere Löhne zahlen wolle, dann solle man das auch deutlich sagen, forderte Stadler. Er wandte sich auch gegen das geplante Unterstützungsbüro, zumal man in der Vergangenheit mit derartigen Einrichtungen keine guten Erfahrungen gemacht habe. Die Aufgaben könnten durchaus von einer eigenen Dienststelle der Kommission bewältigt werden, meinte er.

Grüne: Europäische Solidarität auch in Asylpolitik

Die Abgeordneten der Grünen beurteilten die Kommissionsvorschläge im Gegensatz zu den anderen Fraktionen durchwegs positiv. Die Kommission habe offensichtlich die Problemlage erkannt, bemerkte Abgeordnete Alev Korun (G). Die unterschiedliche Anerkennungspraxis sei nicht zu akzeptieren, weil damit das Schicksal der AsylwerberInnen vom Zufall abhänge.

Wo bleibt der europäische Anspruch, solidarische Systeme zu etablieren und die Lage in den anderen Ländern zu verbessern, fragte etwa Abgeordnete Ulrike Lunacek (G). Sie widersprach den Darstellungen, wonach es sich bei den AsylwerberInnen in erster Linie um Wirtschaftsflüchtlinge und nicht um politische Flüchtlinge handelt, und trat für eine verstärkte Entwicklungshilfe ein. Anders als die Ministerin befürwortete Lunacek, Ländern mit großen Schwierigkeiten, wie Malta, Zypern und Griechenland, unter die Arme zu greifen.

Abgeordnete Alev Korun (G) sprach sich für eine gerechte Lastenverteilung aus und befürwortete die Öffnung des Arbeitsmarkts für AsylwerberInnen. Bleibe man bei nationalen Kompetenzen, dann werde es in Zukunft weiterhin 27 verschiedene Regelungen geben. In Österreich haben AsylwerberInnen zwar theoretisch nach einiger Zeit eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, durch den sogenannten "Bartenstein-Erlass" sei dieser aber faktisch unmöglich, kritisierte sie.

Fekter gegen Dublin-Moratorium u. Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen

Am Ende der Ausschusssitzung bekräftigte Bundesministerin Maria Theresia Fekter ihre negative Haltung zum Moratorium für Malta, Zypern und Griechenland. Die EU sei sehr bemüht, die Länder zu unterstützen, betonte sie gegenüber Abgeordneter Marianne Hagenhofer (S). Es gebe eine eigene Kooperation der Mittelmeerstaaten, die sich um die Flüchtlingsströme aus Westafrika kümmere. Außerdem werde der Aufbau eines Küstenüberwachungssystems unterstützt. Zudem sei die Kooperation mit Marokko intensiviert worden, berichtete Fekter und hielt fest, dass die EU zudem Schiffe im Mittelmeer habe, um die Menschen aus den überfüllten Booten aufnehmen zu können.

Was die Rücküberweisungsabkommen betreffe, so habe Österreich mit keinem Land einen derartigen Vertrag geschlossen. Es bedürfe einer sorgfältigen Prüfung, vor allem wolle man die Entwicklungshilfe nicht mit derartigen Vereinbarungen koppeln. Die EU selbst verhandle aber mit mehreren Ländern und zeige sich dabei sehr großzügig, betonte Fekter.

Im Rahmen der Diskussion kam es auch zu einem kleinerem Meinungsaustausch hinsichtlich der Guantanamo-Häftlinge. Die Innenministerin hatte sich gegen die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen gewehrt, solange deren Rechtstatus nicht geklärt ist. Daraufhin hat ihr Abgeordnete Alev Korun (G) ein bedenkliches Menschenrechtsverständnis vorgeworfen. Korun stieß sich insbesondere daran, dass sowohl die Innenministerin als auch Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) die Auffassung vertreten haben, das es sich bei den Betroffenen nicht unbedingt um völlig unbescholtene Personen handle. Wenn eine Weltmacht wie die USA jemanden ohne Beweise einsperrt, könne man nicht von vornherein davon ausgehen, dass diese Personen auch verdächtig seien, konterte Korun.

Fekter blieb bei ihrer Auffassung und entgegnete, Amerika würde Guantanamo-Häftlinge als nicht gänzlich ungefährlich einstufen, auch wenn sie noch kein Verfahren haben. Gibt man ihnen den rechtlichen Status als Gefangene, so seien sie einem Verfahren zuzuführen, stufe man sie als Kriegsgefangene ein, dann müsse man sie freilassen. Wenn man daher diese Personen aufnehme, dann dürften sie sich auch in Europa frei bewegen. Daher müsse auf alle Fälle deren rechtlicher Status geklärt werden. (Schluss)