Parlamentskorrespondenz Nr. 914 vom 28.10.2009

EU-Hauptausschuss: Abgeordnete für europäische Transaktionssteuer

Weitere Themen: Benes-Dekrete, Klimapolitik, Asylpolitik, Kommissar

Wien (PK) – Die Mitglieder des EU-Hauptausschusses, der heute im Vorfeld des Europäischen Rats am 29. und 30. Oktober tagte, sprachen sich einhellig für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene aus. Ein entsprechender G-S-V-Antrag auf Stellungnahme, der für die Regierungsmitglieder in den entsprechenden EU-Gremien bindend ist, wurde heute mehrheitlich von den beiden Koalitionsparteien sowie von den Grünen und dem BZÖ angenommen. Ein eigener Antrag des BZÖ auf Ausschussfeststellung fand bei den anderen Fraktionen keine Unterstützung.

Bundeskanzler Werner Faymann bezeichnete die Transaktionssteuer als einen wesentlichen Schlüssel dafür, dass man es bei der Budgetkonsolidierung mit dem sozialen Ausgleich ernst nimmt. Er trat in diesem Zusammenhang auch für mehr Kontrolle der Finanzmärkte und damit für eine stärkere Finanzmarktaufsicht ein, um Spekulationen, wie sie zur letzten globalen Wirtschaftskrise geführt haben, präventiv zu verhindern. Die Abgeordneten wünschten sich dazu einen deutlicheren Standpunkt des Rats und vertraten darüber hinaus die Ansicht, dass man die derzeitige Wirtschafts- und Finanzsituation sowie die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht schönreden dürfe. Der Entwurf für die Schlussfolgerungen des kommenden Gipfels schien ihnen demnach zu optimistisch. Sie erwarteten sich klarere Antworten aus den Lehren der Krise.

In einem von den Grünen gemeinsam mit SPÖ und ÖVP vorgelegten und auch mehrheitlich beschlossenen Antrag auf Ausschussfeststellung drängen die Abgeordneten darauf, nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon unverzüglich die Umsetzung der darin verankerten europäischen Bürgerinitiative in Angriff zu nehmen. Dabei ist laut Antrag darauf zu achten, dass die Bestimmungen für die Wahrnehmung dieses BürgerInnenrechts klar, einfach und nutzerfreundlich zu gestalten sind.

Einigkeit herrschte unter den Mitgliedern des Ausschusses auch hinsichtlich der Ablehnung der Wünsche des tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus nach einer Garantie der Benes-Dekrete. Die Vorgangsweise des tschechischen Präsidenten wurde als inakzeptabel gewertet. Aus österreichischer Sicht sei es undenkbar, dass es einen neuerlichen Ratifizierungsprozess gibt und dass die Rechte von Vertriebenen geschmälert werden, bekräftigte Bundeskanzler Faymann. Außenminister Michael Spindelegger betonte dazu, er habe im Rat der Außenminister mit aller Deutlichkeit rote Linien definiert, über die Österreich nicht hinaus gehen werde. Er habe deponiert, dass es keine Aufschiebung des Vertrags und keinen neuerlichen Ratifikationsprozess geben könne. Österreich werde keiner europäischen Entscheidung zustimmen, in denen die Benes-Dekrete sanktioniert und Rechte der BürgerInnen beschnitten werden. Ein Antrag des BZÖ auf Ausschussfeststellung zu diesem Thema fand nicht die erforderliche Mehrheit, ebenso der Antrag der FPÖ auf Stellungnahme betreffend "Stoppt den Vertrag von Lissabon".

Breiten Raum nahmen in der Diskussion auch die Klimastrategie der EU und die Vorbereitungen für den Gipfel in Kopenhagen ein. Die Arbeiten seien jetzt in eine heikle Phase getreten, erläuterte der Bundeskanzler, und ihm sei es wichtig, möglichst viel an gemeinsamen Regeln auf internationaler Ebene, also zwischen der EU und anderen Ländern, durchzusetzen. Dies sei deshalb notwendig, um ein Abwandern der Industrie zu vermeiden. Ein Antrag der Grünen auf Stellungnahme, in dem sie unter anderem eine Reduktion der CO2-Emmissionen bis 2020 um 40 %, Mindestziele für erneuerbare Energien und einen europäischen Beitrag zur weltweiten Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen fordern, fand nicht die entsprechende Unterstützung der übrigen Fraktionen.

Ebenso wenig fanden die Anträge von FPÖ und BZÖ auf Ausschussfeststellung zur gemeinsamen europäischen Asylpolitik eine ausreichende Mehrheit. Die FPÖ unterstreicht darin ihren Standpunkt im Sinne einer restriktiven und nachhaltigen Einwanderungs- und Asylpolitik, das BZÖ wendet sich in ihrem Antrag gegen eine Einschränkung nationaler Kompetenzen hinsichtlich der Öffnung des Arbeitsmarkts, gegen steigende Kosten für die Grundversorgung und gegen die Ausweitung der Definition des Familienbegriffs.

Thema der Diskussion im Ausschuss war auch die Nominierung von Bundesminister Johannes Hahn als EU-Kommissar. Während SPÖ und ÖVP die Entscheidung verteidigten und diese als ein Zukunftssignal sowie eine ausgezeichnete Wahl bezeichneten, kritisierten Abgeordnete der Opposition die Vorgangsweise scharf. Sie sprachen von einer "einzigartigen Farce" und einer "peinlichen Provinzposse".

Wirtschafts- und Finanzkrise  -  noch keine Entwarnung

Die Wirtschafts- und Finanzkrise sei noch nicht überwunden und die Beschäftigungssituation prekär, betonte Bundeskanzler Werner Faymann in seiner einleitenden Stellungnahme. Deshalb stehe dieses Thema auch beim kommenden EU-Gipfel im Vordergrund. Die EU und die Mitgliedstaaten müssten weiterhin wirtschaftspolitisch gegensteuern, und zwar mit realistischem Blick und flexibler Vorgangsweise. Es sei richtig gewesen, hohe Budgetmittel einzusetzen, die Budgetkonsolidierung könne jedoch nicht ausbleiben. Man sei aber aus derzeitiger Sicht noch nicht in der Lage, einen präzisen Zeitrahmen dafür zu nennen, weil die Entwicklung nicht vorhersehbar sei. Die Budgetkonsolidierung habe aber unter dem Gesichtspunkt des sozialen Ausgleichs zu erfolgen, bekräftigte Faymann und präzisierte, dass die geplante Verwaltungsreform, auch wenn sie völlig ausgeschöpft wird, nicht reichen werde. Um mehr Effizienz in der Verwaltung zu gewinnen, werde diese sogar teilweise mehr Mittel erforderlich machen. Daher werde man andere Einnahmenquellen finden müssen, sagte Faymann, wobei er dezidiert neue Massensteuern ausschloss. Aus diesem hält er die Finanztransaktionssteuer für ein geeignetes Mittel des sozialen Ausgleichs. Diese müsse zunächst auf europäischer Ebene geregelt werden, da sie national nicht denselben Effekt habe und auch innerstaatlich nicht die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, erläuterte der Bundeskanzler.

Dem schloss sich Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) an. Man müsse in dieser Frage zunächst eine europäische Einigung anstreben, sagte er, denn sofort auf ein internationales Übereinkommen abzuzielen, würde eine Verzögerung nach sich ziehen. Nationale Maßnahmen sind seiner Ansicht nach nur dann gefragt, wenn es in Europa zu keiner Beschlussfassung kommt. Auch Abgeordneter Karlheinz Kopf (V) unterstützte die Initiative zu einer Transaktionssteuer und trat gleichzeitig für eine Stärkung der Finanzmarktaufsicht ein. In Zukunft müsse es mehr Transparenz und mehr Sicherheit auf den Finanzmärkten geben, betonte er.

Es sollen jene in die Pflicht genommen werden, die uns die Wirtschaftskrise eingebrockt haben, meinte dazu Abgeordneter Gerald Grosz (B). Der Vorwurf, die ÖVP-Mitglieder im Europäischen Parlament hätten gegen einen Antrag zur Transaktionssteuer gestimmt, der von der EU-Abgeordneten Ulrike Lunacek (G) sowie vom Abgeordneten Gerald Grosz (B) erhoben worden war, wurde von der EU-Abgeordneten Hella Ranner (V) entschieden zurückgewiesen. Die von Österreich entsendeten VP-Mitglieder hätten am 8. Oktober einer Entschließung zugestimmt, wo es auch um die Einführung der Transaktionssteuer ging, merkte sie an.

Die Ausführungen im Entwurf für die Schlussfolgerungen des Europäischen Rats zur Wirtschafts- Finanz- und Beschäftigungspolitik wurden von den Abgeordneten als nicht ausreichend empfunden. Abgeordnete Christine Muttonen (S) etwa wies auf die dramatischen Entwicklungen am Arbeitsmarkt hin. Es sei noch kein Ende in Sicht, sagte sie, man dürfe die Augen nicht vor den gravierenden sozialen Problemen verschließen. Sie sprach sich dafür aus, vor allem den Inlandskonsum zu stärken und die Schwerpunkte nicht nur auf die Exportwirtschaft zu legen. Ähnlich äußerte sich ihr Klubkollege Kai Jan Krainer, der sich klare Antworten zu den Lehren aus der Krise und zu einer gerechten Finanzierung in den Schlussfolgerungen erwartete.

Auch ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf hielt die Aussagen zur Krise im vorliegenden Papier für zu positiv. Er widersprach Abgeordneter Muttonen insofern, als er meinte, es sei zwar wichtig, den Inlandskonsum zu stärken, in gleichem Ausmaß müsse man aber auch den Export ankurbeln. Die österreichische Volkswirtschaft sei zu klein, um allein mittels des Konsums ausreichende wirtschaftliche Impulse zu erhalten.

Abgeordneter Bernhard Vock (F) ging ebenfalls auf die Verschuldung der einzelnen Staaten aufgrund der Maßnahmen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise ein und kritisierte, dass man in der EU zu wenig für die Unterstützung der Klein- und Mittelbetriebe tue. Er vermisste auch konkrete Schritte zur Verwaltungsreform.

Klimaschutz: International verbindliche Ziele notwendig

Zum Thema Klimaschutz führte der Bundeskanzler aus, die EU habe sich engagierte Ziele gesetzt, und nun gehe es darum, die Konferenz in Kopenhagen vorzubereiten. Es sei notwendig, wenn auch außerordentlich schwierig, möglichst umfangreiche Vereinbarungen mit den USA und anderen Ländern zu treffen, um zu verhindern, dass die produzierende Industrie abwandert. Die EU dürfe international nicht zum Außenseiter werden, sondern müsse sich zum Pionier entwickeln, meinte der Kanzler pointiert.

Während Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) die diesbezüglichen Formulierungen in den Schlussfolgerungen positiv bewertete, zeigte sich Abgeordnete Christiane Brunner (G) von den bisherigen Ergebnissen enttäuscht. Der Klimawandel stelle die Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte dar, hielt sie fest, und es müsse endlich gehandelt werden. Sie forderte, wissenschaftsbasierte Reduktionsziele festzulegen und eine kollektive CO2-Reduktion von 40 % bis 2020 und 95 % bis 2050 verglichen mit 1990 zu vereinbaren. Nach Auffassung der Grünen bedarf es auch der Fixierung von globalen Mindestzielen für erneuerbare Energien. So sollte der Anteil erneuerbarer Energie im Strombereich global bis 2020 bei 30 % liegen, bis 2050 bei 80 %. Darüber hinaus treten die Grünen für die Verpflichtung der EU ein, einen Beitrag zur weltweiten Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen zu leisten.

Dem hielt Abgeordneter Kai Jan Krainer entgegen, es sei wenig sinnvoll, wenn die EU vor der Konferenz in Kopenhagen konkrete Finanzierungszusagen macht. EU-Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) machte darauf aufmerksam, bei der Klimakonferenz gehe es um eine Grundsatzentscheidung, und zwar ob man echte Ziele vereinbart oder ob sich Österreich und Europa aus der Verantwortung stehlen. Sie sprach sich entschieden gegen eine Strategie der Auslagerung von Verantwortung aus, denn diese sei wirtschaftlich und politisch falsch.

Die Bedeutung konkreter Ergebnisse bei der Weltklimakonferenz in Kopenhagen wurde auch von Abgeordnetem Hermann Schultes (V) unterstrichen. Der Erfolg der Selbstbindung der EU könne nur dann eintreten, wenn auch andere Industriestaaten wie die USA oder Japan konkrete Zusagen machen und man Schwellen- und Entwicklungsländer einbinden kann, betonte er. Wichtig seien konkrete Strukturen, welche die weitere Entwicklung überwachen, dokumentieren und die Einhaltung der Übereinkommen einfordern.

Benes-Dekrete – Österreich gegen europarechtliche Zugeständnisse

Breiten Raum in der Diskussion nahm die letzte Hürde für das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags ein. Die Entscheidung des tschechischen Verfassungsgerichtshofs wird für den 3. November erwartet, danach gehe man davon aus, dass auch der tschechische Präsident seine Unterschrift unter den Vertrag setzen wird. Sowohl Bundeskanzler Werner Faymann als auch Außenminister Michael Spindelegger schlossen aus ihrer Sicht eine Änderung des vorliegenden Vertragstextes und einen neuen Ratifizierungsprozess aus. Das verlange aber auch Vaclav Klaus nicht, sagte Faymann, es könnte aber zu einer Formulierung kommen, die beim Beitritt zukünftiger Mitgliedsländer eine Rolle spiele.

Die klare Haltung der Bundesregierung zu diesem Thema und insbesondere zu den Benes-Dekreten, die einzelne RednerInnen auch als "Unrechts-Dekrete" bezeichneten, wurde von den Abgeordneten grundsätzlich begrüßt. Der zweite Präsident des Nationalrats Fritz Neugebauer berichtete, dass seine KollegInnen in der COSAC das Verhalten des Tschechischen Präsidenten für inakzeptabel halten. Die Unrechts-Dekrete hätten mit dem Gemeinschaftsrecht nichts zu tun, stellte Neugebauer fest. Bundesminister Michael Spindelegger sowie Abgeordneter Alexander Van der Bellen wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich in der aktuellen Diskussion nicht um die Summe aller Benes-Dekrete handle, sondern nur um jene Paragraphen, die Vertreibung zu Inhalt haben.

In gleicher Weise äußerte sich Klubobmann Josef Cap. Es sei dem tschechischen Präsidenten gelungen, die Diskussion von der Wirtschaftskrise zu den Benes-Dekreten zu verlagern, um aus dem selbstverschuldeten Schlamassel herauszukommen. Österreich werde in Zukunft, wie in der Vergangenheit klare Worte zu den Dekreten findet, bekräftigte er. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Vaclav Klaus nicht mit der gesamten tschechischen Republik gleichgesetzt werden dürfe. Cap thematisierte aber auch zukünftige Erweiterungen und hielt aus seiner Sicht fest, die EU müsse ihren Schwerpunkt auf eine strukturelle Konsolidierung legen, sowie auf die Bewältigung der Wirtschaftskrise. Nur so könne sich die EU in den Augen der Bürgerinnen und Bürger legitimieren.

Vaclav Klaus gefährde das Funktionieren der gesamten Union und schaffe damit Präzedenzfälle, umschrieb Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) seine Einschätzung in Bezug auf das Verhalten von Vaclav Klaus, das er als "unerträglich" bezeichnete.

Klubobmann Heinz-Christian Strache (F) äußerte sich zufrieden darüber, dass Österreich geschlossen gegen die vom tschechischen Präsidenten geforderte Sonderklausel auftritt. Jegliche Form von Erklärungen, die die Benes-Dekrete in Einklang mit der europäischen Rechtsordnung bringen würden, seien entschieden abzulehnen. Er vertrat die Auffassung, dass ein neuer Ratifikationsprozess notwendig wäre, sollte auch nur in den Protokollen des Vertrags etwas geändert werden. Die Benes-Dekrete müssten endlich abgeschafft werden, forderte Strache.

Dem schloss sich Abgeordneter Gerald Grosz (B) an. Es zeige sich immer mehr, wie falsch es gewesen ist, Tschechien in die EU aufzunehmen ohne die Benes-Dekrete aus der Welt zu schaffen, bemerkte er. Die acht Paragraphen der Dekrete stünden für Vernichtung, Völkermord, Vertreibung und Enteignung.

Lissabon-Vertrag – mehr Demokratie oder mehr Zentralismus?

Nachdem Präsident Fritz Neugebauer den Antrag auf Ausschussfeststellung zur Umsetzung der Europäischen Bürgerinitiative eingebracht und auf die Stärkung der Demokratie durch den Lissabon-Vertrag hingewiesen hatte, entgegnete Abgeordneter Heinz-Christian Strache, der Reformvertrag bringe nicht mehr Demokratie, sondern mehr Zentralismus. Er kündigte daher auch eine Verfassungsklage an, sollte der Vertrag in Kraft treten. EU-Abgeordneter Andreas Mölzer (F) meinte, aus seiner Sicht fordere der Vertrag einen hohen Preis. Es werde zu einem bürokratischen Zentralismus kommen und zu einer EU mit bundesstaatlichem Charakter, wo Souveränitätsrechte marginalisiert werden, befürchtete er. Er sah sogar das Ende der Volkssouveränität kommen und hinterfragte die demokratische Legitimation für den kommenden Ratspräsidenten.

Diskussion um Nominierung von Johannes Hahn als EU-Kommissar

Die Abgeordneten gingen auch auf die Nominierung von Bundesminister Johannes Hahn für den Posten eines EU-Kommissars ein. Die Opposition übte harte Kritik am Bestellungsvorgang. Man habe sich national und international lächerlich gemacht, meinte etwa Abgeordneter Gerald Grosz (B), der in diesem Zusammenhang auch von einer "einzigartigen Farce" und einem "provinziellen Intrigantenstadl" sprach. Hahn sei nicht der beste für Europa, sondern lediglich der beste für das Zusammenleben für SPÖ und ÖVP. Man habe im Wissenschaftsministerium für die nächsten zwei Monate eine "lame duck" produziert und einen Kommissar nominiert, ohne zu wissen wofür er eigentlich zuständig sein soll.

Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) nannte das Ganze eine "peinliche Provinzposse" und konnte kein einziges sachliches Kriterium erkennen, bei dem Hahn besser abschneidet als Wilhelm Molterer. Seiner Ansicht nach wäre auch die ehemalige Außenministerin Ursula Plassnik eine interessante Kampfansage an die Kronenzeitung gewesen, aber das habe man sich nicht getraut, merkte er an. Er hoffte jedenfalls auf eine offene Diskussion über die Bestellung in einer Hauptausschusssitzung. EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) ging davon aus, dass man mit der Bestellung in Europa großen Schaden angerichtet hat. Das Chaos, das Hahn an den Universitäten hinterlässt, sei keine gute Basis für eine europäische Wissenschaftspolitik. Hahn sei kein Signal in Richtung aktiver und gestaltender EU-Politik, sagte Lunacek. Ihre Kollegin im Europäischen Parlament Evelin Lichtenberger (G) stellte dazu fest, man brauche in Europa die besten Köpfe und keine Kompromisskandidaten.

Abgeordneter Josef Cap (S) verteidigte die Entscheidung und merkte an, die Opposition sei wohl immer dagegen. Selbstverständlich könne man unterschiedlicher Meinung sein, er halte aber die Nominierung Hahns für ein Zukunftssignal. Abgeordneter Karlheinz Kopf (V) würdigte Hahn als Politiker mit fachlicher Kompetenz, Weltoffenheit und Kommunikationsfähigkeit. Mit seiner Nominierung sei eine längere Debatte beendet worden, die Schaden angerichtet hätte. Kopf räumte ein, dass er persönlich eine andere Präferenz gehabt hätte, das sei aber keine Aussage gegen den Wissenschaftsminister.

FPÖ und BZÖ kritisieren EU-Asylpolitik

Abgeordneter Johannes Hübner (F) thematisierte auch die gemeinsame EU-Asylpolitik. Der geplante einheitliche Asylstatus mache eine Kontrolle der Asylströme unmöglich und übe zusätzlichen Druck auf den ohnehin dramatischen Arbeitsmarkt aus. Hübner befürchtete, unter dem Titel Asyl werde es zu einer Massenzuwanderung kommen und zu einem Lohndumping. Das Problem der Migration sei eines der größten Probleme der Zukunft, das man mit Wegschauen nicht bewältigen könne. Das Asylsystem, wie wir es haben, stelle kein geeignetes Instrumentarium mehr dar, stellte er fest. Die EU gehe einen völlig falschen Weg und verschließe vor der Realität die Augen, so das Resümee Hübners.

Abgeordneter Gerald Grosz (B) sprach sich für eine konsequente Umsetzung des Dublin-Abkommens aus und betonte, die EU dürfe in keinem Fall vorgeben, was in Österreich zu tun ist. Man müsse sich gegen jeglichen Eingriff in nationale Kompetenzen wehren, sagte er.

Europäischer Auswärtiger Dienst

Außenminister Michael Spindelegger erwähnte in seiner Stellungnahme auch den geplanten europäischen auswärtigen Dienst. Er habe sich dafür eingesetzt, dass BeamtInnen kleinerer und mittlerer Länder nicht überfahren werden und Führungspositionen ausgeschrieben werden.

Der europäische auswärtige Dienst wurde von den Abgeordneten Christiane Muttonen (S) und Alexander Van der Bellen (G) unterstützt. Beide sahen aber noch offene Fragen, etwa hinsichtlich der parlamentarischen Kontrolle, der Finanzierung und der Auswirkungen auf das Außenamt. Es sei auch noch zu klären, wer über die Botschafter entscheidet. Daraufhin erläuterte Bundesminister Michael Spindelegger, der Dienst solle durch die bisherigen zuständigen Dienststellen der Kommission gebildet werden, weshalb für den Aufbau des Dienstes keine zusätzlichen Finanzmittel nötig seien. Über die Botschafter werde der zukünftige Hohe Repräsentant entscheiden.

Der Außenminister informierte auch, dass die Ostseestrategie nun Formen annehme. Österreich selbst bemühe sich um eine Donaustrategie und wolle dabei auf die Erfahrungen im Rahmen der Ostseestrategie aufbauen. Es gebe daher demnächst ein Treffen der AußenministerInnen jener Länder, die in die beiden Strategieprozesse eingebunden sind.

(Schluss)