Parlamentskorrespondenz Nr. 939 vom 04.11.2009

Fünf-Parteien-Entschließung zur Lebensmittelkennzeichnung

Stöger kämpft weiter für ein umfassendes Gütezeichengesetz

Wien (PK) – Bei der heutigen Sitzung des Konsumentenschutzausschusses stand vor allem die Weiterentwicklung der Lebensmittelkennzeichnung im Mittelpunkt der Debatte. Ausgangspunkt dafür war ein gemeinsamer Entschließungsantrag aller fünf Fraktionen, den Gesundheitsminister Alois Stöger als Unterstützung für sein Bemühen verstand, ressortübergreifend ein umfassendes Gütezeichengesetz auszuarbeiten. Ebenfalls auf der Tagesordnung standen insgesamt elf Oppositionsanträge, die bei der Abstimmung teilweise miterledigt wurden. Im konkreten ging es dabei um die bessere Kennzeichnung von Fleisch und tierischen Produkten, von Lebensmittelimitaten sowie von Produkten, die verarbeitete Eier enthalten. Weiters forderten die Antragsteller eine bessere Lebensmittelkennzeichnung in der Gastronomie, eine Reform der Gütezeichenverordnung sowie die gesetzliche Festschreibung von Grenzwerten bei Transfettsäuren.

Fünf-Parteien-Initiative bezüglich Kennzeichnung von Lebensmitteln

Die Erwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten an die Informationen über Lebensmittel, deren Produktionsweise und Beschaffenheit sowie deren Nähr- und Gesundheitswerte sind in den letzten Jahren gestiegen, heißt es in einem Fünf-Parteien-Entschließungsantrag. Diesem Informationswunsch werde die gültige Lebensmittelkennzeichnung nach Ansicht der Antragsteller aber nicht immer gerecht, zumal die meisten Kennzeichnungsvorschriften nur für verpackte Waren gelten.

Aus diesem Grund haben die MandatarInnen einen umfassenden Forderungskatalog an die Bundesregierung ausgearbeitet, der folgende Punkte umfasst: eine Positiv-Kennzeichnungs-Regelung des Angebots für gewerbliche und nicht gewerbliche gastronomische Betriebe (z.B. Restaurants, Kantinen, Schulküchen), welche Speisen verabreichen und verkaufen, über die Herkunft und Produktionsweise (z.B. Haltungsform der Legehennen) der wertbestimmenden Lebensmittel (insbesondere Fleisch, Milch und Eier); klare Regelungen betreffend Gütezeichen; eine Richtlinie für die Positiv-Kennzeichnung für Produkte, die Eier als Zutat enthalten, damit die Angabe der Haltungsform in verarbeitenden Lebensmitteln ersichtlich ist; die Überarbeitung des österreichischen Lebensmittelbuchs (Codex Alimentarius Austriacus), um klare Beurteilungskriterien für Imitatprodukte zu erhalten; die verstärkte Durchführung von Kontrollen durch die Lebensmittelaufsicht der einzelnen Bundesländer sowie die klare Kennzeichnung aller Produkte mit gentechnisch veränderten Bestandteilen.

Außerdem sollten sich die zuständigen Minister auf EU-Ebene im Rahmen der derzeit verhandelten "Verbraucherinformations-Verordnung" dafür einsetzen, dass - zumindest bei unverarbeiteten Produkten - die Herkunft verpflichtend anzugeben ist. Wichtig wäre auch die Neugestaltung der Risikobewertung von GVOs durch die Europäische Lebensmittelagentur (EFSA) sowie EU-Maßnahmen, damit Lebensmittelimitate oder "Schummelprodukte" besser von Konsumentinnen und Konsumenten erkannt werden.

Gesundheitsminister Alois Stöger, dessen Ressort für die Lebensmittelkennzeichnung zuständig ist, informierte eingangs darüber, dass er gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine Arbeitsgruppe eingesetzt habe, die sich mit dem Thema Gütezeichen befasst. Er habe auch die drei anderen Ressorts (Landwirtschaft, Wirtschaft, Soziales), die mit Gütezeichenfragen befasst sind, zu den Gesprächen eingeladen, um eine gemeinsame Vorgangsweise zu beraten. Bis dato konnte noch keine Einigung erzielt werden, da vor allem aus dem Bereich Landwirtschaft (insbesondere bezüglich des AMA-Gütesiegels) Bedenken vorgebracht wurden. Das Wirtschaftsministerium habe in der Zwischenzeit ein Gütezeichengesetz in die Begutachtung geschickt, das aber den Lebensmittelsektor nicht umfasst. Sein Ziel sei es noch immer, so Stöger, dass ein ressortübergreifender, gemeinsamer Entwurf ausgearbeitet wird, in dem die Gütezeichen in allen Bereichen geregelt werden. Stöger zeigte sich froh über den Fünf-Parteien-Entschließungsantrag, weil damit seine Bemühungen in diese Richtung eine Unterstützung erfahren.

Was die konkrete Ausgestaltung der Gütezeichen angeht, so standen für den Minister die Bewertung der Qualität der Lebensmittel, die gesundheitsfördernden Aspekte sowie ethische Elemente (z.B. Tierschutz, Tiertransport, Gentechnik) im Vordergrund. Bereits bestehende gute Gütesiegel sollen jedoch nicht in Frage gestellt werden. Außerdem soll das Gütezeichen von jenem Ministerium vergeben werden, in dessen Sachbereich das jeweilige Produkt fällt. Als die entscheidenden Kriterien für die Vergabe sah Stöger unter anderem an, dass die Qualität über das Mindestniveau hinausgeht, dass das Transparenzprinzip beachtet wird, dass unabhängige Kontrollen stattfinden, dass die Vergabe befristet wird (etwa 3 Jahre) und dass ein jährlicher Bericht über die Anwendung der Gütezeichen vorgelegt wird. Primär gehe es für ihn jedenfalls darum, dass die KonsumentInnen Vertrauen in staatlich autorisierte Gütezeichen setzen und sich darauf verlassen können, dass sie auch das bekommen, was ihnen versprochen wird.

Abgeordneter Harald Jannach (F) forderte eine deutliche Reduktion der Gütezeichen, da der österreichische Durchschnittskonsument mit der Vielzahl an Qualitätszeichen völlig überfordert sei.

Auch Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) war der Auffassung, dass die Konsumenten kaum zwischen den Markenzeichen und den staatlich autorisierten Gütezeichen unterscheiden können. Er hielt auch eine Kennzeichnung für wichtig, wenn gentechnisch veränderte Futtermittel verwendet wurden. Es gebe bereits Studien, dass solche Produkte die Darmflora beeinflussen. Außerdem wünschte er sich eine Reform der europäischen Lebensmittelagentur, die derzeit nicht einmal über eigene Labors verfüge.

Abgeordneter Johann Maier (S) plädierte für ein einheitliches Gütezeichengesetz, das alle Produkte und Dienstleistungen umfasst, damit die KonsumentInnen vor Irreführung und Täuschung geschützt werden. Auch auf europäischer Ebene stünden wichtige Herausforderungen an, zumal gerade die neue Verbraucherinformations-Verordnung diskutiert werde. In der Frage der Lebensmittelimitate sollte eine differenzierte Diskussion stattfinden, zumal etwa der Analogkäse, der aus pflanzlichen Ölen hergestellt ist, für Laktoseallergiker eine wichtige Alternative zu normalem Käse darstelle.

Abgeordnete Anna Höllerer (V) hielt ein Plädoyer für den Weiterbestand des AMA-Gütesiegels, da es sehr gut eingeführt und fast allen ÖsterreicherInnen bekannt und vertraut ist. Es stehe zudem für strenge Qualitätsstandards, die von unabhängigen Stellen regelmäßig kontrolliert werden.  

Nach Ansicht von Abgeordnetem Bernhard Vock (F) müsse gewährleistet werden, dass Fleisch, auf dem Österreich bzw. Austria draufsteht, auch von österreichischen Schlachttieren stamme.

Geht es nach F-Abgeordnetem Wolfgang Zanger, sollte die Herstellung und der Verkauf von Lebensmittelimitatprodukten in Österreich verboten werden. Um Konsumenten nicht länger zu täuschen, sei es zudem notwendig, dass künftig nur noch Fleisch von in Österreich aufgewachsenen Tieren mit dem A-Stempel versehen werden darf.

Abgeordneter Franz Hörl (V) plädierte für einen Schulterschluss zwischen der Gastronomie und der Landwirtschaft. Er lobte zudem das hohe Niveau des österreichischen Lebensmittelkodexes.

Bundesminister Alois Stöger wies darauf hin, dass der A-Stempel nur die Genusstauglichkeit bescheinige, aber kein Herkunftszeichen darstelle. Damit sei nur nachvollziehbar, in welchem Schlachthof das Fleisch begutachtet wurde. Generell sei es ihm aber ein wichtiges Anliegen, dass die KonsumentInnen nicht in die Irre geführt werden, weshalb die Täuschungskontrolle ein Schwerpunkt seines Ressorts im Jahr 2010 sei. Dies gelte etwa auch für die Lebensmittelimitate, wo es eine klare Kennzeichnung geben müsse; generell in Frage stellen könne man sie aber nicht. In einem freien Markt sei es nun mal erlaubt, auch Schinken niedrigerer Qualität ("Schummelschinken") zu verkaufen. Bezüglich der Herkunftsbezeichnungen sei er der Meinung, dass etwa Tiroler Speck nur dann unter diesem Titel angeboten werden sollte, wenn das Fleisch auch von heimischen Tieren stamme.

Bei der Abstimmung wurde der Fünf-Parteien-Entschließungsantrag einstimmig angenommen. Als miterledigt galten somit folgende Oppositionsanträge: ein Entschließungsantrag des G-Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber, in dem er forderte, dass die Bestimmungen zur Lebensmittelkennzeichnung dahingehend geändert werden, dass Angaben zur Haltungsform der Legehennen bei allen Lebensmitteln, die Ei als Zutat enthalten und in der Gastronomie angeboten werden, verpflichtend angegeben werden; eine BZÖ-Initiative betreffend Lebensmittelkennzeichnungspflicht in der Gastronomie; zwei FPÖ-Anträge betreffend die eindeutige Kennzeichnung von Speiseersatzstoffen bzw. von Kunstkäse; eine von B-Abgeordnetem Sigisbert Dolinschek vorgebrachte Forderung nach einer klaren Kennzeichnung von Schinkenimitaten in der Gastronomie und im Verkauf sowie die G-Entschließung betreffend eine umfassende Reform der Gütezeichenverordnung.

Abgelehnt wurden hingegen die FPÖ-Entschließungsanträge betreffend die Forderung, dass künftig nur noch Fleisch von in Österreich aufgewachsenen Tieren mit dem A-Stempel versehen werden darf; betreffend ein Verbot der Herstellung und des Verkaufs von "Schummelschinken" sowie betreffend der Reduktion der Gütezeichen auf eine überschaubare Menge. Ebenfalls abgelehnt wurde der G-Entschließungsantrag betreffend eine konsequente Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln.

Minister Stöger will bei Trans-Fettsäuren gegenüber EU hart bleiben 

Weiters auf der Tagesordnung stand ein Entschließungsantrag des G-Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber, in dem er für die Einführung eines gesetzlichen Grenzwerts für Trans-Fettsäuren eintritt; ihr Anteil in Lebensmitteln sollte maximal 2 % betragen. Pirklhuber erkannte die Bemühungen des Ministers in dieser Frage, der bereits eine Verordnung erlassen hat, an, und erkundigte sich danach, welche Position die Europäische Kommission dazu einnimmt.

Abgeordneter Johann Maier (S) wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Kampf um die Transfett-Verordnung noch andauere, weil die diesbezüglichen Gespräche mit der Europäischen Kommission noch nicht abgeschlossen sind. Aus diesem Grund brachte er einen Vertagungsantrag ein.

Bundesminister Alois Stöger bekräftigte, dass es für ihn wichtig war, die Verordnung in Österreich umzusetzen, noch bevor die Europäische Kommission zugestimmt hat. Man sehe bereits erste Erfolge, viele Bäckereien haben ihre Rezepturen umgestellt und die Sensibilität in dieser Frage sei nun viel höher. Er hoffe, dass die Gespräche mit der EU-Kommission ein gutes Ende nehmen, ansonsten würde er sich auch nicht scheuen, ein Vertragsverletzungsverfahren in Kauf zu nehmen.

Der G-Entschließungsantrag wurde einstimmig vertagt. (Schluss)