Parlamentskorrespondenz Nr. 239 vom 08.04.2010

Zusammenarbeit an den EU-Außengrenzen soll verbessert werden

EU-Unterausschuss diskutiert Vorschlag der Kommission

Wien (PK) – Die EU will weitere Schritte in der Zusammenarbeit bei der Sicherung der Außengrenzen, zur besseren Koordinierung der Asylpolitik und zur Bekämpfung der illegalen Migration setzen. Dieses Ziel verfolgen zwei Vorschläge der Kommission, die heute im EU-Unterausschuss des Nationalrats diskutiert wurden.

Dabei handelt es sich zunächst um eine Änderung der Verordnung zur Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Europäischen Union (FRONTEX). Damit soll die Koordinierungsfunktion von FRONTEX gestärkt werden.

Dieses Ziel wurde von den Abgeordneten grundsätzlich begrüßt, wenn es auch einige kritische Fragen dazu gab, etwa was den Rechtschutz betrifft. Das Thema wurde vor allem von SPÖ und Grünen angesprochen. Ein diesbezüglicher Antrag der Grünen wurde jedoch von den anderen Fraktionen mehrheitlich abgelehnt. Die FPÖ sah trotz positiver Einschätzung die Gefahr, es könnte zu viel Bürokratie entstehen. Das BZÖ befürchtete eine Aushöhlung der nationalen Souveränitätsrechte durch die Ausweitung des Mandats für die Agentur und betonte, Fremden- und Asylwesen müsse nationale Kompetenz bleiben. Seitens der ÖVP wurde auf die Notwendigkeit einer verbesserten polizeilichen Zusammenarbeit im grenzenlosen Europa hingewiesen.

Darüber hinaus ist die Errichtung einer neuen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht mittels einer weiteren Verordnung geplant, da sich die derzeitigen Strukturen als unzureichend erwiesen haben. Diese Regulierungsagentur soll für das langfristige Betriebsmanagement von SIS II (Schengener Informationssystem der zweiten Generation), VIS (Visainformationssystem) und EURODAC (Datenbanksystem zum Vergleich von Fingerabdrücken von AsylwerberInnen) sowie für zukünftige IT-Großsysteme in diesen Politikfeldern zuständig sein.

Da es hier um sensible Daten geht, beschlossen die Abgeordneten von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ mehrheitlich eine Ausschussfeststellung, in der auf die Empfehlungen des Europäischen Datenschutzbeauftragten hingewiesen wird. Der Antrag zielt darauf ab, ein hohes Datenschutzniveau weiterhin zu gewährleisten und gegebenenfalls Rechtsschutzmechanismen zu entwickeln. Ein Antrag der Grünen fand nicht die Zustimmung der anderen Fraktionen.

Stärkung von FRONTEX – die Vorschläge der Kommission

Die in Warschau beheimatete und seit 2005 tätige EU-Agentur FRONTEX hat die Aufgabe, die operative Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der Außengrenzen zu koordinieren. Sie unterstützt die Mitgliedstaaten insbesondere im Fall besonderer Belastung, die eine verstärkte technische und operative Unterstützung an den Außengrenzen erfordern. Die Organisation gemeinsamer Rückführaktionen der Mitgliedstaaten und die Ausbildung von nationalen GrenzschutzbeamtInnen zählen ebenfalls zu ihren Tätigkeiten. Sie erstellt darüber hinaus auch Risikoanalysen und verfolgt die für ihre Zielsetzungen relevante Forschung.

Interne und externe Evaluierungen ergaben ein positives Bild der bisherigen Arbeit der Agentur für die Mitgliedstaaten, zeigten aber zugleich Schwachstellen auf. Diese sind vor allem bei der operativen Zusammenarbeit zu finden. Die Mitgliedstaaten stellen laut Prüfberichten bislang nur ungenügend Personal und technische Ausrüstung für gemeinsame Aktionen zur Verfügung. Auch die Koordinierung lässt bislang zu wünschen übrig, verbesserungswürdig ist weiters die Zusammenarbeit mit Drittstaaten.

Hier setzt der Änderungsvorschlag der Kommission an. FRONTEX soll in Hinkunft eine leitende Rolle bei der Umsetzung gemeinsamer Operationen und Koordinierungsfunktionen bei der Durchführung gemeinsamer Rückführaktionen erhalten. Dabei wird auf Grund eines österreichischen Vorschlags bei der Rückführung auf dem Luftweg ein unabhängiger Beobachtungsmechanismus über die Einhaltung der Grundrechte eingerichtet. Bundesministerin Maria Theresia Fekter zeigte sich darüber besonders erfreut, dass das österreichische Prozedere nun in die Rechtsgrundlage übernommen wird.

Die Arbeit von FRONTEX will man auch durch eine bessere Verfügbarkeit von technischer Ausstattung erleichtern. Fekter bemerkte dazu, die verbindlichen Regeln für zukünftige gemeinsame Aktionen seien deshalb so wichtig, um schnell verfügbare Kapazitäten zu haben.

Darüber hinaus ist geplant, die operative Zusammenarbeit mit Drittstaaten zu erweitern. FRONTEX soll eigene VerbindungsbeamtInnen in Drittstaaten entsenden und dort Analysen von Migrationstrends erstellen. Bisher konnte FRONTEX nur innerhalb der EU tätig werden, im Hinblick auf die humanitäre Situation sei es enorm wichtig, die operative Zusammenarbeit mit den Drittstaaten zu verbessern, stellte die Innenministerin fest.

Bundesministerin Fekter bewertete die Vorlage der Kommission äußerst positiv und wies darauf hin, dass FRONTEX in Zukunft nicht nur auf Ersuchen der Mitgliedstaaten tätig werden, sondern bei Feststellung eines Missstandes auch amtswegig Maßnahmen ergreifen kann.

Positive Reaktionen der Abgeordneten mit kritischen Bemerkungen

Die Stärkung der Agentur FRONTEX wurde seitens der Fraktionen grundsätzlich positiv bewertet. Abgeordnete Christine Muttonen (S) erhoffte sich dadurch einen besseren Schutz der Außengrenzen und zeigte sich zufrieden darüber, dass der Verordnungsentwurf am Bekenntnis zur Einhaltung von Menschenrechten festhält. Sie begrüßte auch die Absicht, einen Verhaltenskodex zu erstellen um eine menschenwürdige Behandlung bei der Rückführung sicher zu stellen. Offene Fragen ortete sie jedoch beim Rechtschutz. Dieser sollte ihrer Meinung nach sowohl für das Unterstützungsteam und die BeamtInnen als auch für die AsylwerberInnen ausgebaut werden.

Eher kritisch nahm Abgeordneter Ewald Stadler (B) zum geplanten Verhaltenskodex Stellung. Es komme immer auf die Inhalte an, sagte er, aber da die zuständige Kommissarin Cecila Malmström in seinen Augen eine Sozialromantikerin sei, befürchte er Schlimmes. Malmström wolle nicht abschieben, sondern Asylsuchende in der EU verteilen und die legale Einwanderung fördern. Darauf bemerkte die Innenministerin, die Kommission könne nur Vorschläge erarbeiten, die endgültigen Bestimmungen würden jedoch im Rat durch die Mitgliedstaaten und durch das europäische Parlament beschlossen.

Abgeordneter Norbert Kappeller (V) wiederum unterstrich die Notwendigkeit der engen polizeilichen Zusammenarbeit in einem grenzenlosen Europa zum Schutz der Bevölkerung. Für ihn sind daher weitere Schritte notwendig, etwa die Möglichkeit eines Datenaustausches mit Europol. Kappeller sprach damit das Problem an, dass FRONTEX nicht ermächtigt ist, bestimmte personenbezogene Daten zu erheben und zu verarbeiten.

Dem schloss sich Abgeordneter Johannes Hübner (F) an, wobei er insofern Bedenken äußerte, ob mit den zusätzlichen Befugnissen tatsächlich eine Stärkung und Steigerung der Effizienz verbunden ist. Die Gefahr einer überbordenden Bürokratie und Scheintätigkeit könnte die Arbeit der Länder eher behindern als unterstützen, meinte er. Dieser skeptischen Einschätzung konnte sich die Innenministerin nicht anschließen. Es mache Sinn, wenn eine europäische Institution Migrationsrouten und illegale Ströme analysiere, und nicht die Mitgliedstaaten selbst. Außerdem könnten weder Europol noch Interpol Aufgaben von FRONTEX übernehmen, da diese beiden Institutionen nur mit Straftaten zu tun haben.

Hübner regte auch an, sich für europäische Mindeststandards hinsichtlich des Grenzschutzes und der Abschiebepraxis stark zu machen. Abgeordneter Harald Stefan (F) bemerkte, der Schutz der Außengrenzen sollte vornehmlich von BeamtInnen der betreffenden Regionen wahrgenommen werden, da sie das Terrain besser kennen.

Abgeordneter Hannes Weninger (S) konnte sich größere Schritte zu einer besseren Absicherung der Außengrenzen vorstellen und gab zu überlegen, ob die Sicherung der EU-Außengrenzen nicht insgesamt eine europäische Angelegenheit werden sollte, womit man sich von der Form einer Agentur verabschieden könnte.

Mindeststandards innerhalb der EU hinsichtlich der Migrationspolitik hielt auch Abgeordneter Herbert Scheibner (B) für notwendig, auch wenn er gleichzeitig unterstrich, die Behandlung von Asyl- und Fremdenrechtsfragen müsse nationale Angelegenheit bleiben. Scheibner kritisierte jedoch die Praxis einiger EU-Länder scharf, illegale Einwanderer zu legalisieren und ihnen damit die Möglichkeit zu geben, sich im gesamten EU-Raum aufzuhalten. Derartige Amnestieregelungen würden auch von Österreich äußerst kritisch gesehen, stellte Innenministerin Fekter dazu fest. Die EU könne aber nicht mitbestimmen, wer in den einzelnen Mitgliedstaaten die Staatsbürgerschaft bekommt. 

Auf die Tragödien der Bootsflüchtlinge wies Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) hin. Hier gebe es offensichtliche Menschenrechtsverletzungen und die Flüchtlinge würden ohne Rechtsgrundlage zurückgedrängt, kritisierte er. Wenn seitens der EU militärische Abschiebemechanismen zum Einsatz kommen, so müsste es auch Rechtschutzmechanismen geben, stellte er fest und brachte in diesem Sinne einen Antrag auf Stellungnahme ein, der von den anderen Fraktionen abgelehnt wurde.

Darin wird gefordert, den Bootsflüchtlingen die Einreise in die EU zu ermöglichen und Anträge auf internationalen Schutz entgegen zu nehmen und zu prüfen. Die Zurückweisungs- und Abdrängungsaktionen bei FRONTEX-Einsätzen auf hoher See im Verbund mit den Mitgliedsstaaten müssen nach Ansicht der Grünen endgültig eingestellt werden. Die Grünen verlangen weiters eine eigene Beschwerdestelle für die Behandlung von Beschwerden über rechtswidrige Handlungen und eine Anrufmöglichkeit des EuGH, konkrete Sanktionsmöglichkeiten gegen GrenzschutzbeamtInnen, die rechtswidrig handeln, und die Zulassung unabhängiger BeobachterInnen zu allen Einsätzen von FRONTEX.

Abgeordneter Ewald Stadler (B) kritisierte im Rahmen der Diskussion auch die Tatsache, dass bei jeder Abschiebung ein/e BeobachterIn einer Hilfsorganisation beigezogen werden muss. Er traue den ExekutivbeamtInnen zu, auch ohne andere Organisationen eine zwangsweise Rückführung ordnungsgemäß durchzuführen, sagte er. Bundesministerin Fekter reagierte darauf mit der Bemerkung, es mache Sinn, die NGOs einzubinden. Bestes Beispiel dafür seien die Erfolge bei der freiwilligen Heimkehr. Die Organisationen würden nicht nur die Rückkehrberatung durchführen, sondern die betreffenden Personen in ihren Heimatländern auch weiter betreuen. Diese Vorgangsweise spare Kosten und sei besser als teure repressive Polizeieinsätze. Das österreichische Modell habe sich bewährt, betonte sie, die Ausreise könne man auch human organisieren. Sie wolle auf jeden Fall weitere Todesfälle verhindern.

Die Ministerin ging auf Grund einer Frage der Abgeordneten Christine Muttonen (S) auch auf die Finanzierungsfrage ein und informierte, dass die Kosten für FRONTEX aus dem Gesamtbudget der EU bestritten werden. Die Mitgliedsländer seien zu keinen gesonderten Beiträgen verpflichtet. FRONTEX unterliege der Kontrolle des europäischen Parlaments und OLAF. Derzeit würden 240 Personen bei FRONTEX tätig sein, 9 kämen aus Österreich.

Das eigentliche Steuerungsgremium von FRONTEX sei der Verwaltungsrat, in dem Österreich den Vorsitzenden stelle, erläuterte die Ministerin weiter. Der Verwaltungsrat werde von den Mitgliedstaaten beschickt und somit hätten diese auch großen Einfluss auf die Arbeit von FRONTEX. Fekter reagierte damit auf die Wortmeldung von Abgeordnetem Johann Maier (S). (Fortsetzung EU-Unterausschuss)