Parlamentskorrespondenz Nr. 435 vom 02.06.2010

Die Krise: Ursachen, Opfer und Versuche, sie zu bewältigen

Finanzminister Josef Pröll in der Aktuellen Stunde des Bundesrats

Wien (PK) - Die 785. Sitzung des Bundesrats begann heute mit einer Aktuellen Stunde mit Finanzminister Josef Pröll. Im Mittelpunkt der Debatte standen die Krise und ihre Ursachen, ihre Opfer und die Versuche der Bewältigung. Bundesrat Gottfried KNEIFEL (V/O) eröffnete die Aktuelle Stunde: Europa befinde sich in einer schwierigen Phase, die nun schon mehrere Jahre andauere. Man neige in solchen Momenten dazu, ein wenig abzustumpfen, doch man dürfe in dieser kritischen Situation nicht nachlassen, den negativen Entwicklungen gegenzusteuern. Es gelte, die Lehren aus diesen Vorfällen zu ziehen.

Die Spekulanten hätten diese Krise nicht verursacht, sie hätten vielmehr einen fruchtbaren Boden für ihre Aktivitäten gefunden. Es seien die Rahmenbedingungen gewesen, die zur heutigen Lage geführt hätten, denn vor der Krise hätten viele Staaten über ihre Verhältnisse gelebt, hätten Schulden gemacht, wodurch sie schon vor der Krise in die Krise geraten seien.

Der Redner erinnerte daran, dass Ökonomie wörtlich "das Gesetz vom richtigen Haushalten" bedeute, und genau daran müsse man sich nun auch halten. Man komme nicht umhin, mit dem nötigen Ernst an die Konsolidierung zu schreiten, und die Vorgangsweise der Bundesregierung sei in diesem Zusammenhang beispielhaft für Europa. Konkret sei eine Reform der europäischen Finanzarchitektur ein absolutes Muss. So brauche man eine europäische Rating-Agentur und eine europaweite Finanztransaktionssteuer.

Bundesrat Johann KRAML (S/O) rekapitulierte die Maßnahmen, die zur Stabilisierung der europäischen Finanzlandschaft gesetzt wurden und sprach in diesem Zusammenhang von einer "Herkulesarbeit". Er glaube nicht, dass die Völker Europas über ihre Verhältnisse gelebt hätten, vielmehr seien die Spekulanten für die kritische Lage verantwortlich, denn diese Spekulation sei das Grundübel der Ökonomie. Die Finanzmärkte müssten endlich reguliert werden, die Banken sollten auf ihre ursprünglichen Aufgaben zurückgeführt werden.

Die Sanierung dürfe nicht über Massensteuern ins Werk gesetzt werden, da dies volkswirtschaftlich kontraproduktiv wäre. Vielmehr sollten jene zur Kasse gebeten werden, die von diesem System bislang profitiert und die Krise mit ihrem Agieren verursacht hätten. Es dürfe nicht sein, dass die Bürgerinnen und Bürger die Krise auszubaden hätten, vielmehr müsse man eine Politik machen, die solche Entwicklungen wie jene, die zur Krise geführt hätten, künftig verhindere.

Konkret sprach der Redner davon, die ungerechte Gruppenbesteuerung zu überdenken, denn es könne ja nicht sein, dass der Portier eines Unternehmens mehr Steuern bezahle als das ganze Unternehmen selbst. Auch gehörten Managergehälter beschränkt, und die Steuerrückstände der Unternehmen sollten energischer eingefordert werden. Natürlich müssten alle zur Sanierung beitragen, doch würde das den Bürgerinnen und Bürgern leichter fallen, wenn sie sähen, dass auch von der anderen Seite Geld hereinkomme.

Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) meinte, man müsse sich die Rolle der Banken anschauen, denn bei allen großen Wirtschaftskrisen kam den Banken eine ganz besondere Rolle bei der Auslösung dieser Krisen zu. Die Banken müssten sich wieder auf ihr eigentliches Geschäft zurückziehen und die verfehlte Politik rund um die Euro-Einführung sei umgehend zu korrigieren. Skeptisch zeigte sich die Rednerin hinsichtlich des Euro-Rettungspakets, denn es stehe zu befürchten, dass der europäische Steuerzahler von diesen 750 Mrd. Euro keinen Cent mehr sehen werde. Vielmehr brauche es eine grundlegende Systemänderung.

Es könne nicht sein, dass die Gewinne den Banken, die Schulden aber den BürgerInnen gehören würden. Den BürgerInnen müsse das Vertrauen in das System zurückgegeben werden, und dazu sei es unumgänglich, dass gegen die Spekulanten konsequent vorgegangen werde. Die Regierung beschränke sich in dieser kritischen Phase auf Ankündigungen, die noch dazu nebelhaft blieben. Die Regierung müsse endlich ihre Hausaufgaben erledigen, denn dazu sei sie schließlich gewählt worden.

Bundesminister Josef PRÖLL nutzte die Gelegenheit, über die gesetzten Maßnahmen zu reflektieren und meinte, dies sei nicht die Zeit für parteipolitischen Hickhack, vielmehr gelte es, gemeinsam für eine Sanierung des heimischen Haushalts zu sorgen. Pröll zeigte sich überzeugt, dass Österreich geeint und gestärkt aus dieser Krise hervorgehen werde.

Man habe Griechenland helfen müssen, um das europäische Projekt nicht zu gefährden. Die Art, wie die Amerikaner die Lehman-Bank "den Bach hinuntergehen ließen", zeige, wie fatal eine solche Vorgangsweise sei. Man musste also diesen Rettungsschirm spannen, um eine negative Sogwirkung zu vermeiden. Sodann zählte der Redner die konkreten Schritte auf, die man zur Euro-Rettung gesetzt habe, und erläuterte die Auswirkungen dieser Maßnahmen.

Damit, so schloss Pröll, habe man sichergestellt, dass die gemeinsame Währung auch weiterhin eine Zukunft habe. Spekulation könne nur dort greifen, wo sie entsprechende Rahmenbedingungen vorfinde, und daher gelte es, diesen Machinationen den Boden zu entziehen, gelte es, die richtigen Lehren aus dieser Krise zu ziehen. Der Minister kündigte an, dass man die europäische Finanzarchitektur neu gestalten werde, damit es nicht mehr zu solch negativen Entwicklungen wie jenen, die zu dieser Krise führten, kommen könne.

Bundesrat Stefan SCHENNACH (G/W) ortete ein Auseinanderklaffen zwischen jenen, die immer mehr verdienten und jenen, die immer weniger verdienten. In diesem Lichte müsse man beim Sparen äußerst behutsam vorgehen, gehe es dabei doch darum, einen Ausgleich zwischen diesen beiden Gruppen zu schaffen.

Die Rettungsaktion für Griechenland sei alternativlos gewesen, denn man habe ja auch Kärnten mit seinem Bankendebakel nicht sich selbst überlassen können. Man sei nun einmal ein gemeinsames Europa, und Griechenland sei Europas Kärnten. Damit sei jedenfalls eine Grundsatzentscheidung gefallen, weshalb man den eingeschlagenen Weg nun konsequent weitergehen müsse.

Bundesrätin Anneliese JUNKER (V/T) rief dazu auf, "unserem Finanzminister zu vertrauen". Die Sanierung Europas müsse gemeinsam gemacht werden, man müsse die Finanzen ausgaben- und einnahmenseitig sanieren, gleichzeitig innovative und nachhaltige Initiativen setzen, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Dazu sei es unabdingbar, dass man gemeinsam an diesem für das Land so wichtigen Projekt arbeite.

Dies gelte, so die Rednerin, auch für den europäischen Rahmen. Jeder gesparte Euro bedeute weniger Steuern, und jedes Prozent Wachstum bedeute mehr Einnahmen. Von dieser Grunderkenntnis müsse man sich leiten lassen, schloss die Rednerin.

Bundesrätin Muna DUZDAR (S/W) warnte davor, das Budget durch eine Erhöhung von Massensteuern sanieren zu wollen, denn dies würde einen kontraproduktiven Effekt auf die heimische Volkswirtschaft haben. Auch sei es unzulässig, zu sagen, dass "wir" über unsere Verhältnisse gelebt hätten. Die Mindestrentner, die Armutsgefährdeten und die prekär Beschäftigten hätten sicher nicht über ihre Verhältnisse gelebt.

Insofern sei es auch unstatthaft, sich gegen die Mindestsicherung zu stellen. Man solle nicht andauernd von Sozialbetrug reden, vielmehr solle man sich endlich dem groß angelegten Steuerbetrug zuwenden, denn dieser sei fraglos das wesentlich größere Problem. Es gebe immer noch viele Menschen in Österreich, die bei einer Vollbeschäftigung unter 1.000 Euro verdienten. Hier müsste dringend angesetzt werden.

Hinsichtlich der Wirtschaftskrise solle man nicht Ursache mit Wirkung verwechseln. Es seien die Finanzmärkte gewesen, die diese Krise verursacht hätten, die Krise habe die Schulden bewirkt und nicht umgekehrt. Und daher sei es nicht hinnehmbar, nun noch einmal jene, die schon einmal unter der Krise gelitten hätten, abermals zur Kasse bitten zu wollen.

Bundesrätin Cornelia MICHALKE (F/V) behauptete, man könne die Verursacher der Krise nicht mehr namhaft machen, aber man wisse genau, wer dafür zur Kasse gebeten werde: der Bund, die Länder, die Gemeinden und die Familien. Es bestehe die Gefahr, dass Griechenland nicht das letzte Land sei, dem Österreich helfen müsse, wie dies ja durch den Vertrag von Lissabon vorgesehen sei. Doch solche Hilfsleistungen würden die BürgerInnen der Nettozahlerländer überfordern. Das müsse man bedenken, erklärte die Rednerin, die in diesem Lichte eine Staats- und Verwaltungsreform einmahnte.

Bundesrat Peter ZWANZIGER (B/K) wies darauf hin, dass man sich in der größten Krise seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts befinde. In dieser Lage dürften sich Bankdirektoren freuen, während der griechische Bürger von diesem Rettungspaket gar nichts habe. Auch werde kein einziger Österreicher einen Nutzen daraus ziehen können, dass es dieses Rettungspaket für Griechenland gebe. Abermals würden nur die Banken davon profitieren. Der Redner hielt die Einführung des Euro für einen Fehler und warnte davor, dass es bei diesem einen Rettungspaket nicht bleiben werde. (Schluss)


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