Parlamentskorrespondenz Nr. 461 vom 10.06.2010

Teilzentrale Reifeprüfung nun auch für BHS fix

Schulen für Berufstätige stellen auf modulares System um

Wien (PK) – Nachdem die teilzentrale Reifeprüfung ab dem Haupttermin 2014 allgemein an den AHS eingeführt wird, folgen nun auch die BHS im Jahr 2015. Die entsprechende Änderung zum Schulunterrichtsgesetz passierte heute den Unterrichtsausschuss mit Stimmenmehrheit.

Umfangreiche Neuerungen kommen auch auf die Schulen für Berufstätige zu. Um die Vereinbarkeit des Studiums mit Beruf und Familie für die Betroffenen zu erleichtern, stellen die Schulen nun auf ein modulares und damit auch flexibleres System um. Dies hat auch Auswirkungen auf das System der Schülerbeihilfen sowie der Bildungsdokumentation. Das Bildungsdokumentationsgesetz sieht darüber hinaus, analog zu den Universitäten, die Schaffung eines Datenverbands der Pädagogischen Hochschulen vor.

Das bildungspolitische Reformpaket umfasste auch das Hochschulgesetz, das Berufsreifeprüfungsgesetz und die Ausweitung der Sprachförderkurse. Studierende an Pädagogischen Hochschulen erhalten einen neuen Studienausweis ("PH-Card"), der neben seiner Ausweisfunktion auch weitere Daten enthalten kann, wenn die Studierenden dazu ihre Zustimmung geben. Darüber hinaus werden im Beruf stehende LehrerInnen Qualifikationen an den Pädagogischen Hochschulen nachholen können.

Kindern mit mangelnden Kenntnissen der Unterrichtssprache stehen Sprachförderkurse zur Verfügung. Da sich diese bewährt haben, sollen sie laut einer Novelle zum Schulorganisationsgesetz nicht nur weitergeführt sondern auch ausgebaut werden.

Der Unterrichtsausschuss beschäftigte sich außerdem mit dem Berufsreifeprüfungsgesetz, das LehrerInnen an berufsbildenden Schulen die Möglichkeit eröffnet, auch in Vorbereitungslehrgängen zur Berufsreifeprüfung unterrichten zu können.

Die auf der Tagesordnung stehenden Anträge der Opposition wurden dem bestehenden Unterausschuss des Unterrichtsausschusses zugewiesen.

Teilzentrale Reifeprüfung an BHS ab 2015

Ab dem Haupttermin 2015 soll an den berufsbildenden höheren Schulen sowie an den Anstalten der Lehrer- und Erzieherbildung allgemein die teilzentrierte Reifeprüfung eingeführt werden. Die BHS folgen damit den AHS, für die die Bestimmungen bereits ab 2014 gelten. Die gegenständliche Novelle zum Schulunterrichtsgesetz passierte den Ausschuss mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ.  

Damit erhalten zukünftige AbiturientInnen für einige Prüfungsgebiete standardisierte Aufgaben zu lösen, womit ein einheitliches Niveau sichergestellt werden soll. Zusätzlich wird Raum für fach- und schulspezifische Fragen sein.

Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) begründete die Ablehnung seiner Partei mit der Befürchtung, dass das Niveau der Matura eher sinken werde. Außerdem vertrat er die Ansicht, mit der vorwissenschaftlichen Arbeit verlange man zu viel verlangt. Die mündliche Prüfung bietet ihm zufolge zu wenig Spielraum für die Prüflinge und KlassenlehrerInnen.

Demgegenüber wurde die teilzentrale Reifeprüfung von den Abgeordneten der anderen Fraktionen als ein Schritt zur Sicherung der Qualität begrüßt. Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) hielt Abgeordnetem Rosenkranz entgegen, mit der neuen Form der Reifeprüfung sei an allen Schularten ein bestimmtes Leistungsniveau und eine Kompetenzorientierung gewährleistet. Sie brachte in diesem Sinne auch eine Ausschussfeststellung ein, in der die Abgeordneten davon ausgehen, dass es durch die Ausgestaltung der abschließenden Arbeiten im Hinblick auf die Anerkennung für die Absolventinnen und Absolventen im internationalen Kontext zu keiner Schlechterstellung kommt. Die Ausschussfeststellung wurde einstimmig angenommen.

Dem schloss sich auch Abgeordneter Elmar Mayer (S) an. Er zeigte sich davon überzeugt, dass durch die Bildungsstandards und die teilzentrale Reifeprüfung ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer chancengerechten Bildung, zu mehr Objektivität und Leistungsgerechtigkeit gesetzt wird. Ähnlich äußerte sich Abgeordneter Harald Walser (G), der aber anregte, darüber nachzudenken, ob nicht im Sinne einer weiteren Objektivierung externe PrüferInnen herangezogen werden sollten. Er forderte auch Sonderregelungen für SchülerInnen mit besonderen Bedürfnissen, worauf Bundesministerin Claudia Schmied mit dem Hinweis reagierte, dass es bereits jetzt in den Reifeprüfungsverordnungen Sonderbestimmungen für Behinderte gibt.

Wie Abgeordneter Walser (G) stellte auch Abgeordnete Ursula Haubner (B) eine große Verunsicherung in Teilen der Lehrerschaft fest. Beide appellierten an die Bundesministerin, gezielt zu informieren. Die Ressortchefin informierte daraufhin die Abgeordneten, dass ab Herbst eine groß angelegte Informationskampagne mit zahlreichen Workshops geplant sei. Die neue Matura und die Bildungsstandards bezeichnete sie als Meilensteine in der Bildungsreform und als Projekte mit gigantischer Tragweite. Sie erwartet sich dadurch auch eine Änderung der Lernkultur.

Einstimmig angenommen wurde eine weitere Ausschussfeststellung, die von Abgeordneter Anna Franz (V) eingebracht worden war und auf die Standardüberprüfungen Bezug nimmt. Demnach gehen die Abgeordneten davon aus, dass die Mitwirkung der Lehrkräfte an der Durchführung von Standardüberprüfungen die ordnungsgemäße Abwicklung dieser an der eigenen Schule umfasst. Die erforderlichen Rahmenbedingungen sind von der Schulleitung herzustellen, heißt es darin.

Keine Mehrheit fanden jedoch Abänderungsanträge der Abgeordneten Helene Jarmer (G) und Ursula Haubner (B). Die Grünen möchten einen gesetzlichen Auftrag, dass Unterrichtsmittel auch in barrierefreier Form vorliegen beziehungsweise durch barrierefreie Materialien ergänzt werden. Darüber hinaus fordern sie, für SchülerInnen mit Behinderung besondere Prüfungsvoraussetzungen zu erlassen.

Dazu äußerten sich sowohl die Abgeordneten Franz-Joseph Huainigg (V) als auch Elmar Mayer (S) grundsätzlich positiv. Sie wiesen jedoch darauf hin, dass die Materie auf Grund der unterschiedlichen Zuständigkeiten von Bund und Ländern kompliziert ist, weshalb man genau prüfen müsse, wie die Forderungen umgesetzt werden können. Eine formale Ablehnung im Ausschuss bedeute keineswegs Stillstand in dieser Frage, betonten beide.

Abgeordnete Ursula Haubner (B) wollte mit ihrem Antrag sicher stellen, dass Fachvorstände der BHS auf jeden Fall Mitglied der Prüfungskommission sind, da diese über einen fundierten Gesamtblick verfügen. Dem hielt Abgeordneter Elmar Mayer (S) entgegen, Intention sei es, die Prüfungskommissionen schlanker zu gestalten. In der Realität würden aber die Fachvorstände weitgehend Mitglieder der Kommissionen sein.  

Im Rahmen der Novellierung des Schulunterrichtsgesetzes werden auch die aus dem Jahr 1974 stammenden Bestimmungen über die Approbation von Schulbüchern und Unterrichtsmitteln modernisiert, indem vermehrt auf Kompetenzorientierung als Eignungskriterium abgestellt wird.

Studiensystem für Berufstätige wird flexibler

Mehr Flexibilität, individuellere Gestaltungsmöglichkeiten und damit eine bessere Anpassung an die gesellschaftlichen und pädagogischen Ansprüche an das Bildungswesen für Berufstätige, das ist das Ziel der Novelle zum Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das einstimmig angenommen wurde. Der gewählte Bildungsgang kann in Zukunft in unterschiedlichen Abläufen und Zeiträumen absolviert werden. Studierende haben die Möglichkeit, vom Lehrplan abweichende Module zu wählen, wenn diese angeboten werden. Bereits erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten werden bei entsprechendem Nachweis angerechnet. Die Umstellung auf das Modulsystem soll es den betreffenden Personen erleichtern, ihr Studium mit Beruf und Familie zu vereinbaren.

Für jene Personen, die das Realgymnasium für Berufstätige an der Theresianischen Militärakademie besuchen, gelten die Bestimmungen, vor allem hinsichtlich der Wahlmöglichkeiten, jedoch nur eingeschränkt, da sie in einem Dienstverhältnis zum Bund stehen und für das Studium freigestellt werden.

Mit dem einstimmigen Beschluss signalisierten die Mitglieder des Unterrichtsausschusses ihre volle Unterstützung für die vorgesehenen Maßnahmen. Dazu meinte Abgeordneter Franz Riepl (S), die Beschlussfassung des Gesetzes werde es für Werktätige erleichtern, ihre Schulabschlüsse nachzuholen. Die Abgeordneten Silvia Fuhrmann (V) und Katharina Cortolezis-Schlager (V) unterstrichen die Notwendigkeit, die Studierenden umfassend und intensiv zu beraten.  Abgeordnete Ursula Haubner (B) hob die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten für die Studierenden als einen großen Fortschritt hervor. Für Abgeordneten Harald Walser (G) blieben trotz der positiven Beurteilung Fragen im Hinblick auf finanzielle Aspekte und die Stellung der StudienkoordinatorInnen offen.

Das geplante Modulsystem an Schulen für Berufstätige bedingt auch Änderungen im Schülerbeihilfengesetz, das ebenfalls einstimmig beschlossen wurde. Vor allem betrifft dies die erforderliche Anzahl der Module und die Definition des günstigen Schulerfolgs als Voraussetzung für den Bezug von Schülerbeihilfe.

Anpassungen werden auch im Bildungsdokumentationsgesetz vorgenommen. Dabei geht es insbesondere um Daten, die sich etwa auf das Schuljahr, die Schulstufe, die Berechtigung zum Aufsteigen und die Wiederholungsprüfungen beziehen. Darüber hinaus soll analog zu den Universitäten ein Datenverband der Pädagogischen Hochschulen geschaffen werden. Dieser dient etwa der ordnungsgemäßen Vergabe von Matrikelnummern und der Vermeidung der Zulassung von Studierenden für dasselbe Studium an mehreren Universitäten. Der Datenverband führt damit zu Erleichterungen für die Administration.

Die Vorlage wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags, der Anregungen der Datenschutzkommission Rechnung trägt, mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ mehrheitlich angenommen.  

Ein zum Bildungsdokumentationsgesetz vorliegender Antrag der Grünen wurde mit S-V Mehrheit dem bestehenden Unterausschuss des Unterrichtsausschusses zugewiesen. Die Grünen verlangen darin, in der Bildungsdokumentation auf die Verwendung der Sozialversicherungsnummer zu verzichten und statt dessen eine bereichsspezifische Personenkennzahl (Matrikelnummer für SchülerInnen) einzuführen.

Abgeordneter Dieter Brosz (G) kritisierte die Vorgangsweise scharf und wies auf die Stellungnahme des Datenschutzrates hin, der sich auch dafür ausgesprochen hatte, mittelfristig eine Personenkennzahl statt der Sozialversicherungsnummer zu verwenden. Auch Abgeordnete Ursula Haubner (B) wandte sich gegen die Verwendung der Sozialversicherungsnummer. Bundesministerin Claudia Schmied erklärte dazu, man sei bereit, mittelfristig, wie es der Datenschutzrat vorgesehen hat, umzustellen. Eine sofortige Umstellung sei aber auf Grund des dafür nötigen umfangreichen Arbeitsaufwands nicht möglich. Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) wiederum meinte, man dürfe die Statistik Austria nicht von vorherein verdächtigen, Datenmissbrauch zu betreiben. Außerdem seien auch bei Matrikelnummern Missbrauchsmöglichkeiten gegeben. 

Sprachförderkurse werden verlängert

Da sich die Sprachförderkurse bewährt haben, sollen sie nun weitergeführt und ausgeweitet werden. Sprachförderkurse stehen jenen Kindern und Jugendlichen zur Verfügung, die wegen mangelnder Kenntnisse der Unterrichtssprache nur als außerordentliche SchülerInnen die Volksschule, Hauptschule oder den Polytechnischen Lehrgang besuchen. Die entsprechende Regierungsvorlage zur Änderung des Schulorganisationsgesetzes wurde einstimmig im Ausschuss beschlossen.

Die Abgeordneten Christian Faul (S), Elmar Mayer (S), Katharina Cortolezis-Schlager (V), Harald Walser (G) und Ursula Haubner (B) begrüßten die Maßnahmen unisono als einen wesentlichen Fortschritt. Abgeordneter Walser beklagte lediglich, dass die Förderkurse wieder nur befristet verlängert werden. 

Berufsreifeprüfung: Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen eingebunden

Einstimmig verabschiedet wurde auch eine Novelle zum Berufsreifeprüfungsgesetz. Demnach können LehrerInnen für den fachtheoretischen Unterricht an Berufsschulen sowie an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen in Zukunft auch als Vortragende in Lehrgängen zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung herangezogen werden.

Abgeordneter Franz Riepl (S) wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Lehre mit Matura ein Erfolgskonzept darstellt. Mehr als 6000 Personen hätten diese Ausbildung bereits gemacht und die Nachfrage sei weiter groß. Deshalb müssten die Betreuungskapazitäten erhöht werden. Abgeordnete Ursula Haubner (B) meinte, man hätte die Berufsreifeprüfung in die neue Matura integrieren müssen.

LehrerInnen wird Höhequalifizierung ermöglicht

Die einstimmig beschlossenen Neuerungen im Hochschulgesetz eröffnen AbsolventInnen von Lehramtsstudien vor Inkrafttreten des Hochschulgesetzes 2005 die Möglichkeit, durch Absolvierung von berufsbegleitenden Ergänzungsstudien den akademischen Grad "Bachelor of Education, BEd" zu erwerben.

Abgeordneter Elmar Mayer (S) sprach in diesem Zusammenhang von einem weiteren Meilenstein im Gesamtpaket der Bildungsreform. Es gehe um die Durchlässigkeit, sagte er und es sei wichtig, LehrerInnen zu motivieren, sich höher zu qualifizieren.

Weniger euphorisch äußerte sich Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager allgemein zu den Pädagogischen Hochschulen. Ihrer Ansicht nach fehlt es an den Instituten noch immer an einer forschungsgeleiteten Lehre und einer entsprechenden Ausstattung mit wissenschaftlichem Personal. Damit sei die Gleichwertigkeit nicht gegeben, sagte sie und stellte die Befürchtung in den Raum, dass der tertiäre Bereich auseinander fallen könne, sollte man hier nicht gegensteuern. Die Bildungsministerin entgegnete, die Hochschulen hätten sich gut entwickelt und eine Vergleichbarkeit mit den Universitäten sei durchaus gegeben.

Ein weiterer wesentlicher Punkt des Hochschulgesetzes betrifft die Studienausweise an Pädagogischen Hochschulen ("PH-Card"). Sie sollen in Zukunft neben ihrer Ausweisfunktion auch weitere Daten aufnehmen können, jedoch nur mit Zustimmung der Studierenden. Als zusätzliche Informationen kommen etwa die Anmeldung zu Prüfungen, der Abruf von Prüfungsergebnissen oder der Ausdruck von Lehrveranstaltungszeugnissen in Betracht. Im privatwirtschaftlichen Bereich ist unter anderem die elektronische Geldbörse für Kopiergeräte und Mensen angedacht.

Abgeordneter Harald Walser (G) äußerte sich dazu insofern skeptisch, als er Missbrauchsmöglichkeiten befürchtete. Wie Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) behielt er sich vor, im Plenum dazu eine getrennte Abstimmung zu verlangen oder Abänderungsanträge vorzulegen.

Weitere Änderungen betreffen die Nostrifizierung von Zeugnissen ausländischer Lehrerbildungseinrichtungen. Besonderes Augenmerk wird im Entwurf dem Gender Mainstreaming geschenkt.

Die Novelle zum Hochschulgesetz fand die Zustimmung aller Fraktionen. (Fortsetzung Unterrichtsausschuss)


Themen