Parlamentskorrespondenz Nr. 771 vom 14.10.2010

Das Vertrauen in die Justiz muss wieder gestärkt werden

Aktuelle Aussprache im Justizausschuss

Wien (PK) – Das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in die heimische Justiz muss wieder gestärkt werden – dazu bekannten sich alle Fraktionen im Rahmen der Aktuellen Aussprache im heutigen Justizausschuss. Vor dem Hintergrund der in den Medien diskutierten Fälle, in denen RichterInnen und StaatsanwältInnen eine wenig rühmlich Rolle spielten, sinke dieses aber eher, als es zunehme, gab Abgeordneter Harald Walser (G) zu bedenken. Wie unter anderem die Fälle von Testamentsfälschungen in Vorarlberg zeigten, "brodle es in diesem Bereich ganz extrem". Die Öffentlichkeit habe, so Walser, inzwischen das Gefühl, dass die Medien anstelle der Behörden bei der Aufklärung der Vorfälle "den Takt angeben". Justizministerin Claudia Bandion-Ortner warf der G-Abgeordnete vor, zu den Ereignissen nicht ausreichend Position zu beziehen. Sein Fraktionskollege Albert Steinhauser wollte außerdem wissen, inwiefern der Fall Vorarlberg zu diesbezüglichen Überprüfungen in anderen Bundesländern beigetragen hat.

B-Mandatar Ewald Stadler veranlassten "ungeheuerliche" Enthüllungen, die der Bericht der Evaluierungskommission zum Fall Kampusch enthalte, dazu, von "Versäumnissen", "Pannen" und "Ermittlungsverweigerung" zu sprechen, die das Ansehen der Justiz weiter sinken ließen. Für ihn stand fest, dass es sich dabei nur um den "Gipfel eines Eisbergs" handle, weshalb es einer umfassenden parlamentarischen Anfrage bedürfe, wie sie seine Fraktion einbringen werde. Stadler zufolge wäre es außerdem sinnvoll, die richterliche Kontrolle über die Staatsanwaltschaft wieder stärker zu forcieren.

Auch S-Abgeordneter Johannes Jarolim kam auf Probleme im Umfeld der Staatsanwaltschaft zu sprechen. Ihm zufolge gehe es nicht an, dass der ermittelnde Staatsanwalt in der Causa Meinl von Seiten des Unternehmens mit "unerträglichen" und tatsachenwidrigen Vorwürfen gegen seine Person konfrontiert werde. Dieses Vorgehen ziele lediglich darauf ab, Argumente für den Austausch des Staatsanwalts zu sammeln, indem man den eigentlich eingesetzten zu unbedachten Äußerungen provoziere.

Für eine zielgerechte Untersuchung aller Verdachtsfälle sprach sich auch V-Abgeordneter Peter Michael Ikrath aus. Ihm zufolge wäre es außerdem sinnvoll, Anstrengungen zu unternehmen, um die Tätigkeit der österreichischen Justiz für die Bevölkerung sichtbar zu machen. Ikrath begrüßte darüber hinaus die Entscheidung, eine zentrale Einheit für die Bekämpfung von Korruption zu schaffen und erkundigte sich danach, wie die dort zukünftig tätigen StaatsanwältInnen ausgebildet werden sollen und wann diese Stelle ihre Funktion aufnehmen könne. Die Einrichtung einer solchen Einheit begrüßte auch G-Abgeordneter Albert Steinhauser. Er kritisierte jedoch die Art und Weise, wie man im Zuge der Begutachtung ein Strukturkonzept gegen ein anderes ausgetauscht habe. 

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner wies den Vorwurf, an einer Klärung der genannten Fälle nicht interessiert zu sein, vehement zurück. Den von Abgeordnetem Stadler angesprochenen Bericht habe sie sofort an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Die darin erhobenen Vorwürfe würden selbstverständlich überprüft, zumal man an einer Klärung äußerst interessiert sei. Ebenso verhalte es sich in Hinblick auf den Fall Vorarlberg. Auch hier müssten "harte Maßnahmen" ergriffen werden. Die Reform des ABGB, die Abgeordneter Herbert Scheibner (B) angesprochen hatte, werde auch Möglichkeit zur Reflexion über das Erbrecht geben, stellte Bandion-Ortner fest. Hierbei gelte es unter anderem die Fälschungssicherheit von Testamenten zu erhöhen. Für die Opfer des Betrugsfalls in Vorarlberg dürfe es, so die Justizministerin, möglichst wenig Bürokratie und Kostenrisiko geben. Natürlich habe man auch in anderen Bundesländern diesbezügliche Erhebungen durchgeführt, diese seien aber ergebnislos geblieben, skizzierte die Ressortchefin.

Die Einrichtung einer zentralen Korruptions-Einheit anstelle von vier Wirtschaftskompetenzzentren habe sich im Zuge des Begutachtungsverfahrens als notwendiger Schritt erwiesen. Korruption und Wirtschaftskriminalitäten müssten, so die Bundesministerin, zusammen behandelt werden, zumal eine Abgrenzung häufig kaum möglich ist. Im Rahmen der geplanten Einheit werden sich 40 StaatsanwältInnen und ExpertInnen mit den größten Wirtschafts- und Korruptionsfällen befassen. Dieses Personal schule man in Form einer justizinternen Ausbildung, wobei auch Praxis in einem Unternehmen zu absolvieren sei, um ökonomisches Hintergrundwissen zu erwerben. Sie gehe davon aus, dass die Einheit ab Mitte 2011 voll funktionstüchtig sein werde, um jährlich ca. 500 Fälle zu bearbeiten. Was die von Abgeordnetem Johann Maier (S) aufgeworfene Frage betreffend Beschlagnahmung von kriminellem Vermögen angehe, wolle sie im Rahmen der neuen Korruptions-Einheit auch SpezialistInnen für die Sicherstellung solcher Vermögenswerte abstellen.

Maßnahmen, die das Vertrauen der Bevölkerung in die österreichische Justiz stärkten, seien natürlich zu begrüßen. Schwierig gestalte sich hierbei aber die Position der Justiz zwischen Transparenzgebot und Amtsverschwiegenheit, gab die Ministerin zu bedenken.

Kritik am Umgang mit elektronisch überwachtem Hausarrest

Ein weiteres Thema der Aussprache bildeten Fragen nach Anwendungsbereich und Sicherheit des elektronisch überwachten Hausarrests. G-Abgeordneter Albert Steinhauser merkte kritisch an, die MitarbeiterInnen der Justiz würden dieses Mittel in nicht ausreichendem Maße annehmen. Derzeit gestalte sich der Anwendungsbereich des elektronisch überwachten Hausarrests äußerst schmal, weshalb er wissen wollte, was die Justizministerin zu seiner Forcierung – unter anderem in Bezug auf Kurzstrafen – zu unternehmen gedenke. F-Mandatar Harald Stefan interessierte sich vor allem für die Gründe, die zur Wahl des implementierten Systems geführt haben.

Justizministerin Bandion-Ortner konnte die Kritik Steinhausers nicht verstehen. Das Projekt laufe sogar sehr gut an. Derzeit wäre die elektronische Fußfessel in 17 Fällen in Anwendung, weitere 227 Anträge auf Gewährung wären bereits eingegangen. Bis Jahresende 2010 sei, so Bandion-Ortner, mit 80 bis 100 Personen zu rechnen, die auf diese Weise überwacht werden könnten.

Vor der Entscheidung für dieses System habe man alle Angebote ausführlich geprüft. Es gehe aber nicht darum, das günstigste Offert anzunehmen: Man müsse für das sicherste votieren. Beim derzeit verwendeten handle es sich um kein GPS-System, da diese Art der Überwachung noch zu wenig ausgereift sei. Der in Österreich eingeschlagene Weg habe sich international bewährt, so die Justizministerin.

Was die kritische Anmerkung des Abgeordneten Albert Steinhauser (G) betreffend unzureichende Umsetzung des elektronischen Akts anbelange, könne sie nur feststellen, dass in diesem Bereich schon vieles passiert sei. Sie plädiere im Sinne einer Effizienzsteigerung für ein zügiges Voranschreiten auf diesem Gebiet.

Personalaufstockung im Justizbereich bereits Realität

Desweiteren kam Bandion-Ortner auf die Entwicklung der Personalzahlen im Justizbereich zu sprechen. 2010 könne man, so die Bundesministerin, eine Nettovermehrung um 151 Planstellen verzeichnen. Natürlich könne man neues Personal nicht sofort einsetzen, da dieses eine Ausbildungsphase durchlaufen müsse, gab sie zu bedenken, die Aufstockung sei jedoch in vollem Gange.

Was die künftige Entwicklung der finanziellen Mittel, die für Resozialisierungsprogramme aufgewendet werden, anbelange, könne sie derzeit keine genaue Auskunft geben. S-Abgeordnetem Peter Wittmann gegenüber, der sich danach erkundigt hatte, führte sie aus, die Budgetverhandlungen erlaubten keine genauen Auskünfte über zukünftige finanzielle Ressourcen.

Weitere Vorhaben des Justizministeriums im Überblick

Informiert werden wollten die Ausschussmitglieder auch über die legistischen Vorhaben der Bundesministerin für die kommenden Monate und das Jahr 2011. S-Abgeordneter Johannes Jarolim erkundigte sich in diesem Zusammenhang nach einer etwaigen Novelle zum Terror-Präventionsgesetz, das dem Vorwurf begegnen müsse, zu weit definiert zu sein. Jarolim sprach sich dabei für eine gemeinsame, konsensuale Weiterentwicklung des Gesetzestextes aus. Sein Fraktionskollege Hannes Fazekas wollte das Terror-Präventionsgesetz außerdem mit ExpertInnen und WissenschafterInnen diskutiert wissen.

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner versicherte den Abgeordneten, dass es in diesem Bereich zu Nachschärfungen kommen werde. Dass auch virtuelle Terrorcamps in das Gesetz einbezogen wurden, mache eine eigene Initiative gegen Hassseiten im Internet, wie sie laut Abgeordnetem Johann Maier (S) in Deutschland initiiert wurde, nicht erforderlich.

Weitere Schritte zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt seien, so die Justizministerin, hingegen nicht geplant. Das Schutzniveau, das B-Abgeordneter Herbert Scheibner in seiner Wortmeldung als zu niedrig bewertet hatte, könne man als gut bezeichnen. Österreich nehme, was diesen Bereich angehe, sogar eine Vorreiterrolle in Europa ein. Auf europäischer Ebene gelte es jedoch, über das Sperren von Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt zu sprechen – ein Vorschlag, der bei den zuständigen Stellen auf durchaus positive Resonanz stoße.

Anlässlich des Jubiläums "200 Jahre Allgemein Bürgerliches Gesetzbuch" im Jahr 2011 werde, so Bandion-Ortner, auch der Startschuss für die Reform des ABGB fallen. Es gelte, dieses nicht nur sprachlich sondern auch inhaltlich – und hier vor allem im Bereich des Familien-, Erb- und Vertragsrechts – zu modernisieren. Desweitere werde sich ihr Ressort mit einer Lösung für den Problemkomplex "Cold Calling" befassen, eine Verschärfung des Bilanzstrafrechts vorbereiten, über Neuerungen im Bereich Namensrecht reflektieren und die Timeshare-Richtlinie umsetzen. Darüber hinaus gelte es auszuloten, inwiefern im Bereich des Medienrechts – und hier vor allem in Bezug auf Redaktions- und Amtsgeheimnis – legistischer Handlungsbedarf bestehe. (Fortsetzung Justizausschuss)