Parlamentskorrespondenz Nr. 1017 vom 14.12.2010

EU-Kommission: Staaten sollen über Anbau von GVO selbst entscheiden

EU-Unterausschuss bekräftigt Selbstbestimmungsrecht bei GVO-Anbau

Wien (PK) – Hinsichtlich des Anbaus gentechnisch veränderter Organismen (GVO) gibt es innerhalb der EU einen Meinungsumschwung. Die Europäische Kommission schlägt mittels eines Verordnungsentwurfs vor, es den Mitgliedstaaten frei zu stellen, ob sie den Anbau von GVO in ihrem Hoheitsgebiet zulassen, einschränken oder verbieten. Damit löst die Kommission ein politisches Versprechen von Präsident Barroso ein, in dieser Frage das Subsidiaritätsprinzip und damit das Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten in den Vordergrund zu stellen. Ausschlaggebend dafür war eine Initiative Österreichs und der Niederlande im Juni 2009 beim Umweltministerrat, der sich dann zwölf andere Mitgliedstaaten angeschlossen haben, wie Bundesminister Nikolaus Berlakovich berichtete.

Das Engagement der Bundesminister Nikolaus Berlakovich und Alois Stöger in dieser Frage wurde auch im heutigen EU-Unterausschuss des Nationalrats von allen Fraktionen anerkennend hervorgehoben.

Gemeinsam mit der genannten Verordnung stand auch die Mitteilung der Kommission "zur Freiheit der Mitgliedstaaten, über den Anbau von genetisch veränderten Kulturen zu entscheiden" auf der Tagesordnung des Ausschusses. Die Mitteilung stellt das Hintergrunddokument für das GVO-Paket dar.

S-V-G-Antrag: Unterstützung und Kritik

SPÖ, ÖVP und Grüne legten einen Antrag auf Stellungnahme vor, deren Inhalt für die österreichischen Regierungsmitglieder bei den Beratungen in Brüssel verbindlich ist. Darin unterstützen sie den Vorschlag der Kommission, in die Richtlinie 2001/18/EG einen neuen Artikel 26 b aufzunehmen, der es den Mitgliedstaaten gestattet, Maßnahmen zu treffen, um den Anbau aller oder bestimmter GVO, die gemäß der EU-Gesetzgebung zugelassen wurden, auf ihrem Hoheitsgebiet oder in bestimmten Regionen zu beschränken oder zu verbieten. Dies gilt unter der Einschränkung, dass sich diese Maßnahmen auf andere Gründe stützen als diejenigen, die sich auf die Risikobewertung in Bezug auf die Gesundheit und die Umwelt beziehen und dass sie im Einklang mit den EU-Verträgen stehen.

Daran stoßen sich jedoch die Abgeordneten und fordern im genannten Antrag, dass für die Entscheidung der Mitgliedsstaaten im Sinne des Vorsorgeprinzips auch Argumente des Gesundheits- und Umweltschutzes als Begründung für die Erlassung nationaler Anbauverbote anerkannt werden sollten. Insbesondere sollten auch sozioökonomische Faktoren und der Schutz der Biodiversität akzeptiert werden.

Weiters treten die AntragstellerInnen für eine baldige rechtlich verbindliche und umsetzbare Regelung ein. Sie vertreten auch die Auffassung, dass die Mitgliedsstaaten in die Lage versetzt werden sollten, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um die Gefahr einer Kontaminierung der Umwelt sowie der konventionellen und biologischen Landwirtschaft durch gentechnisch veränderte Organismen zu verhindern.

Der Verordnungsentwurf der Kommission sieht auch vor, dass die Verbote und Beschränkungen nicht mehr von der Kommission genehmigt werden müssen. Die Mitgliedstaaten, die solche Maßnahmen zu erlassen beabsichtigen, müssen lediglich die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission einen Monat vor Erlass dieser Maßnahmen zu Informationszwecken in Kenntnis setzen.

Gentechnikfreier Anbau in Österreich schon jetzt

 

Derzeit dürfen Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von GVO als Produkte oder in Produkten, die den Anforderungen der Richtlinie 2001/18/EG entsprechen, weder verbieten noch einschränken noch behindern. Analoges gilt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 für GVO, die als solche in Lebensmitteln oder als daraus hergestellte Lebensmittel und Futtermittel in Verkehr gebracht werden. Für GVO gilt ein EU-weites Zulassungsverfahren, für die Risikobewertung liegt die Zuständigkeit bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Trotz dieser strikten EU-Vorschriften, werden derzeit in Österreich keine GVO angebaut. Die innerstaatlichen Vorschriften sind so streng formuliert, dass der gentechnikfreie Anbau damit rechtlich wie organisatorisch abgesichert ist, weil der Anbau unattraktiv ist (Gentechnikgesetz, Saatgut-Gentechnik-Verordnung, Saatgut-Anbaugebiete-Verordnung, Verordnung: Verbot des Inverkehrbringens des gentechnisch veränderten Maises Zea mays L., Linie MON 810, in Österreich sowie die Gentechnik-Vorsorgegesetze der Bundesländer).

Noch viel Verhandlungsgeschick nötig

Bundesminister Nikolaus Berlakovich erläuterte, dass einige Mitgliedstaaten Zweifel hegen, ob die Initiative der Kommission mit den Bestimmungen der WTO in Einklang zu bringen ist. Die Kommission wiederum teilt diese Befürchtungen nicht, sie wurde jedoch aufgefordert, Argumente auszuarbeiten, die die genannten Zweifel ausräumen.

Gesundheitsminister Alois Stöger machte auf die geteilte Zuständigkeit zwischen Umwelt- und Gesundheitsministerium in dieser Frage aufmerksam und unterstrich, dass bei der Ausarbeitung der Argumente in Bezug auf die WTO drei ÖsterreicherInnen mitarbeiteten. Er sah gute Chancen, dass während des ungarischen Ratsvorsitzes in dieser Frage einiges weitergeht und setzte auch Hoffnungen in das Europäische Parlament. Dennoch warnte Bundesminister Berlakovich, es sei nicht selbstverständlich, dass sich die Kommission mit ihrem Vorschlag auch durchsetzt.

Gentechnikfreiheit – es ist noch viel zu tun

In der Diskussion wurde die Initiative der Kommission unisono unterstützt. FPÖ und BZÖ lehnten den vorliegenden Antrag der drei anderen Parteien jedoch ab, weil er ihnen zu wenig weit geht. So kritisierten die Abgeordneten Norbert Hofer (F) und Gerhard Huber (B), dass im Antrag nichts über eine Kennzeichnungspflicht steht und auch Handel und Import weiterhin möglich seien. Dem hielt Minister Berlakovich entgegen, dass dies auf alle Fälle der WTO widersprechen würde, während er beim Verbot des Anbaues von GVO allein keinerlei Verstöße dieser Regelungen erkennen könne.

F-Mandatar Hofer vermutete auch, dass die Kommission in Zukunft eine beschleunigte Zulassung durch die Europäische Behörde für Lebenssicherheit (EFSA) erlauben möchte, was Berlakovich entschieden in Abrede stellte. Er stimmte jedoch mit Abgeordneter Petra Bayr (S) überein, dass die EFSA kritischer werden müsste und bei der Zulassung höhere Standards beachten sollte.

Trotz seiner kritischen Bemerkungen sah Abgeordneter Hofer (F) jedoch auch die Notwendigkeit, das Thema auf EU-Ebene zu lösen, da es sonst zu einer großen Verschmutzung kommen könnte. Man müsse auch in Bezug auf Grenzregionen entsprechende Vorkehrungen treffen, meinte er.

Für Abgeordneten Gerhard Huber (B) besteht das Hauptproblem in der Kontaminierung, wobei Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) meinte, bei einer guten Qualitätssicherung sei die Vermeidung von Kontamination möglich. Die Qualitätskriterien seien konsequent gestiegen, sagte er. Bundesminister Stöger erläuterte dazu, dass die zugelassenen 0,9 % an Verschmutzung einen Kennzeichnungsschwellenwert darstellen, bei Bioprodukten und Saatgut liege der Wert aber bei 0,1 %.

Abgeordneter Huber kritisierte auch den "Dschungel an Gütesiegel", wodurch der Konsument in die Irre geführt werde. Er forderte eine genaue Kennzeichnung ein. Auch Abgeordnete Christine Muttonen (S) und Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) sprachen sich für ein einheitliches Gütesiegel in Österreich und in der EU aus. Pirklhuber meinte, ein solches Gütesiegel würde die einheimische Wirtschaft stärken. Bundesminister Nikolaus Berlakovich machte in diesem Zusammenhang jedoch aufmerksam, dass dabei nicht nur die Hauptinhaltsstoffe, sondern auch sämtliche Zusatzstoffe berücksichtigt werden müssten.

Im Gegensatz zu den anderen beiden Oppositionsparteien begrüßte Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber den zur Diskussion stehenden Drei-Parteien-Antrag. Dieser richte sich sowohl an die Kommission als auch an die Regierung und betreffe Fragen, die derzeit aktuell anstehen. Er bekräftigte die Notwendigkeit, keinerlei Einschränkungen der Begründungen für GVO-freien Anbau zuzulassen und meinte, dass diese Bedingungen auch vor der WTO halten sollten. Auch Abgeordneter Peter Mayer (V) erwartete sich von der Kommission eine juristische Schützenhilfe.

Abgeordnete Christine Muttonen (S) unterstrich das Selbstbestimmungsrecht in der Frage des Anbaus von GVO und machte auf die noch immer bestehenden großen Unsicherheitsfaktoren, die es hinsichtlich gentechnisch veränderter Organismen gibt, aufmerksam. Man wisse viel zu wenig über die Langzeitfolgen und könne auch nicht abschätzen, wie sich die Kontamination auf das Ökosystem auswirkt. Für Abgeordneten Peter Mayer (V) geht es auch darum, die biologische Landwirtschaft sowie die konventionell arbeitende, aber gentechnikfreie Produktion zu unterstützen, denn diese sei für die Bauern und Bäuerinnen heute noch immer teuer.

Trotz dieser aus seiner Sicht notwendigen Konzentration auf den Anbau von GVO zum jetzigen Zeitpunkt vertrat Abgeordneter Pirklhuber die Auffassung, dass man sich nun auch mit der Futtermittelfrage beschäftigen müsse, da hier großer Handlungsbedarf besteht. Abgeordnete Petra Bayr wiederum ortete Lücken im Gentechnikgesetz, und zwar in Bezug auf die Haftung, wo es um die Freisetzung von GVO geht. Dazu meinte Gesundheitsminister Stöger, es gebe Haftungsregeln im Gentechnikgesetz, die für Fälle bei einer Versuchsfreisetzung gelten. Gehe es um eine kommerzielle Freisetzung, dann sei das Bundeshaftungsgesetz zu verändern, und dieses liege nicht in seinem Kompetenzbereich. (Fortsetzung EU-Unterausschuss)