Parlamentskorrespondenz Nr. 112 vom 03.02.2011

Bundesrat betont großen Wert gesunder bäuerlicher Lebensmittel

Diskussion über Agrarrechtsänderungsgesetz und Grünen Bericht

Wien (PK) – Der nächste Themenblock des Bundesrats betraf den Bereich Land- und Forstwirtschaft.

Zunächst stand das Agrarrechtsänderungsgesetz auf der Tagesordnung, das der Umsetzung der EU-Pflanzenschutzmittel-Richtlinie in nationales Recht dient. Konkret regelt die Vorlage die Behördenstruktur, die notwendigen Maßnahmen zur Überwachung des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln, die Einfuhr aus Drittstaaten sowie die Anpassung der Strafbestimmungen und schafft überdies Rahmenbedingungen für die Fort- und Weiterbildung und für die Abgabe von Pflanzenschutzmitteln. Auch diese Vorlage blieb ohne Einspruch.

Der Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2011 sowie der Grüne Bericht 2010 wurden mehrheitlich von den Bundesrätinnen und Bundesräten zur Kenntnis genommen.

Maßnahmen gegen Auswirkungen des Dioxinskandals waren erfolgreich

In der Diskussion um das Agrarrechtsänderungsgesetz äußerten die BundesrätInnen Sorge um negative Auswirkungen des deutschen Dioxinskandals auf die heimische Landwirtschaft. Bundesminister Nikolaus Berlakovich betonte, man habe dem mit gezielten Eingriffen erfolgreich entgegenwirken können. Grundsätzlich sprachen sich die RednerInnen für einen sorgsamen Umgang mit Pflanzenschutzmitteln aus.

Bundesrat Friedrich HENSLER (V/N) sprach eingangs seiner Rede den Futtermittelskandal in Deutschland an und gab zu bedenken, dass dadurch bäuerliche Existenzen ohne deren eigenes Verschulden in Gefahr gebracht worden seien. Es sei unbestritten, dass die KonsumentInnen Vertrauen verloren hätten, meinte er. Umso mehr begrüßte Hensler daher das vorliegende neue Pflanzenschutzmittelgesetz, das ihm zufolge nicht nur eine Verwaltungsvereinfachung durch die Abschaffung von Doppel- und Mehrgleisigkeiten, sondern auch ein höheres Schutzniveau für die Umwelt und die Gesundheit bringt. Das Gesetz gebe nicht nur Bauern mehr Sicherheit beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, auch die KonsumentInnen würden davon profitieren.

Bundesrätin Juliane LUGSTEINER (S/N) betonte, Österreich werde von vielen Ländern wegen seines sauberen Trinkwassers beneidet. Sauberes Wasser sei aber keine Selbstverständlichkeit und müsse geschützt werden, konstatierte sie. Nach strengen Auflagen für die Industrie gelte es nun, der Verunreinigung von Wasser durch Pflanzenschutzmittel verstärkt entgegenzuwirken. In der Vergangenheit habe sich, so Lugsteiner, gezeigt, dass gesetzliche Auflagen nur dann Wirkung zeigten, wenn deren Einhaltung auch kontrolliert würde. Generelles Ziel muss es ihr zufolge sein, so wenig Pflanzenschutzmittel wie möglich einzusetzen.

Auch Bundesrat Peter ZWANZIGER (F/K) hob die Bedeutung des vorliegenden Gesetzes für den Trinkwasserschutz hervor. Es sei notwendig, Pflanzen vor Schädlingen zu schützen, erklärte er, man müsse beim Einsatz von Pflanzenschutzmittel aber sorgsam vorgehen. Allgemein hielt Zwanziger fest, die FPÖ bekenne sich zu einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft und lehne "Agrarfabriken" ebenso ab wie den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft.

Bundesrat Walter TEMMEL (V/B) wies darauf hin, dass das bäuerliche Einkommen im Jahr 2009 stark gesunken sei, während sich die Aufwendungen für Pflanzenschutzmittel deutlich erhöht hätten. Er erwartet sich durch das vorliegende Gesetz ein größeres Angebot an Pflanzenschutzmitteln und damit eine Senkung der "explodierenden Kosten" für landwirtschaftliche Betriebsmittel. Temmel unterstrich die Notwendigkeit eines sorgsamen Umgangs mit Pflanzenschutzmittel und äußerte die Befürchtung, dass der Dioxin-Skandal in Deutschland auch den österreichischen Bauern schade.

Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) stellte die Zustimmung der Grünen zum vorliegenden Gesetz in Aussicht. Die ÖsterreicherInnen legten großen Wert auf gesunde bäuerliche Lebensmittel, Voraussetzung dafür sei aber ein gesunder Boden, skizzierte er. Wichtige Aufgabe der Politik sei es daher, Bodenflächen zu schützen. Kritisch äußerte sich Dönmez zum Begriff "Pflanzenschutzmittel", welcher, wie er festhielt, für den Boden schädliche Herbizide, Fungizide und Pestizide umfasse. Er wertete es in diesem Sinn als bedenklich, dass der Einsatz von Chemie in der Landwirtschaft zuletzt gestiegen sei und brach eine Lanze für den Ausbau der ökologischen Landwirtschaft.

Landwirtschaftsminister Nikolaus BERLAKOVICH hielt Dönmez entgegen, die österreichische Landwirtschaft habe mit dem EU-Beitritt den Weg in Richtung Ökologie eingeschlagen. Österreich sei bei der Bio-Landwirtschaft "Weltmeister", bekräftigte er, in keinem anderen Land würden 20% der gesamten Anbaufläche biologisch bewirtschaftet. Ökologischer Landbau werde auch durch höhere Prämien belohnt.

Durch den Dioxin-Skandal in Deutschland sei auch in Österreich ein Preisdruck bei Schweinefleisch entstanden, dem die Politik mit gezielten Eingriffen in den Markt aber erfolgreich entgegengewirkt habe, sagte Berlakovich. Generell gab der Minister zu bedenken, es könne nicht sein, dass der Handel und die Bauern sich in einem Preiskampf "aufreiben", der zu Lasten der Qualität von Lebensmitteln gehe. Das vorliegende Pflanzenschutzmittelgesetz bringt laut Berlakovich zwei wesentliche Vorteile: eine Erhöhung des Schutzniveaus und Verwaltungsvereinfachungen.

Der Bundesrat erhob mit Stimmeneinhelligkeit keinen Einspruch gegen das Agrarrechtsänderungsgesetz 2010.

2009 – ein schwieriges Jahr für die Landwirtschaft

Im Zuge der Diskussion um den Grünen Bericht und den Bericht über Maßnahmen für die österreichische Land- und Forstwirtschaft räumten die RednerInnen ein, dass das Jahr 2009 ein äußerst schwieriges für die Bäuerinnen und Bauern gewesen ist. Seitens der ÖVP-Bundesräte wurde jedoch bekräftigt, dass die österreichische Landwirtschaft erfolgreich sei. Man war sich einig, dass eine gesunde Lebensmittelproduktion im Vordergrund stehen müsse, dabei wurde die Forderung nach einer klaren Lebensmittelkennzeichnung laut.  

Bundesrat Johann ERTL (F/N) führte aus, der vorliegende Grüne Bericht lese sich wie ein "Untergangsszenario". Die Einkommenssituation der Bauern habe sich im Jahr 2009 dramatisch verschlechtert, durchschnittlich seien die Einkommen im Vergleich zum Vorjahr um 28% gesunken. Ein hohes Minus gibt es laut Ertl etwa bei Betrieben mit hohem Forstanteil. Auch zahlreiche Milchbäuerinnen und Milchbauern hätten ihren Betrieb für immer schließen müssen.

Die Politik sei nicht in der Lage, entsprechende Voraussetzungen zu schaffen, um die Zukunft der bäuerlichen Betriebe zu sichern und den LandwirtInnen eine Perspektive zu geben, kritisierte Ertl. Er selbst kann sich etwa verstärkte Investitionen der Bäuerinnen und Bauern im Bereich Energieerzeugung vorstellen. Ertl verwies darüber hinaus auf Probleme mit einem Schweinemastbetrieb an der niederösterreichisch-burgenländischen Grenze, er fürchtet negative Auswirkungen auf das Grundwasser. Weitere Umweltgefahr droht ihm zufolge durch in Seibersdorf gelagerte radioaktive Abfälle.

Bundesrat Georg KEUSCHNIGG (V/T) räumte ein, dass das Jahr 2009 ein "katastrophales" Jahr für die österreichische Landwirtschaft gewesen sei, wandte sich allerdings strikt dagegen, von einem Untergangsszenario zu sprechen. Es gehe darum, wie man auf Probleme reagiere, meinte er, insgesamt sei die österreichische Landwirtschaftspolitik sehr erfolgreich. So sei es im Gegensatz zu vielen anderen Ländern etwa gelungen, einen starken ländlichen Raum zu erhalten. Zudem hob Keuschnigg den niedrigen Altersschnitt unter den österreichischen Bauern und Bäuerinnen hervor.

Ein zentrales Thema in der Zukunft wird nach Auffassung Keuschniggs die Sicherheit der Lebensmittelversorgung sein. Er wies in diesem Zusammenhang auf Rohstoffverknappungen, steigende Getreidepreise und die Gefahr von Spekulationen hin. Hier müsse man in der Politik gemeinsam agieren, forderte Keuschnigg.

Bundesrat Klaus KONRAD (S/ST) wies auf den Stellenwert der Ausbildung im landwirtschaftlichen Bereich hin und richtete einen eindringlichen Appell an den Minister, die landwirtschaftlichen Schulen in der Steiermark entsprechend zu finanzieren. Wenn nichts geschieht, dann drohe vier Schulen die unmittelbare Schließung, warnte er.

Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) forderte eine Ökologisierung der Landwirtschaft im Rahmen eines Bio-Aktionsplans, dessen zentrale Punkte Klimaschutz, Naturschutz, Lebensmittelqualität, Sicherung der bäuerlichen Arbeitsplätze sowie die Einschränkung des Imports von Futtermitteln aus dem außereuropäischen Raum darstellten. Eine klare Absage erteilte der Redner überdies der Gentechnik in der landwirtschaftlichen Produktion sowie landwirtschaftlichen Monokulturen.

Bundesrat Martin PREINEDER (V/N) bezeichnete die Erhaltung und Weiterentwicklung des ländlichen Raums sowie einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen bäuerlichen Landwirtschaft als vorrangige Ziele der Agrarpolitik und forderte klare Lebensmittelkennzeichnung sowie in Anspielung an die Preisschwankungen eine öffentliche Lagerhaltung. Mit Nachdruck betonte er, die öffentlichen Gelder an die Bäuerinnen und Bauern seien keine Sozialtransfers, sondern ein Entgelt für Leistung. Zufrieden zeigte sich Preineder mit der Entwicklung des Bio-Landbaus und der Unterstützung der Bergbauern. Respekt zollte der VP-Bundesrat seinem Vorredner Dönmez, dem er den Jungbauernkalender überreichte.

Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) verlangte Maßnahmen gegen das Bienensterben, insbesondere ein Verbot von mit Insektiziden gebeiztem Saatgut, und meinte, es reiche nicht aus, das Problem bloß zu evaluieren. Weiteres Anliegen der Rednerin war die Selbstversorgung bei eiweißhältigen Futtermitteln. Handlungsbedarf ortete Kerschbaum überdies im Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeit von Schweinezuchtbetrieben.

Bundesrat Ferdinand TIEFNIG (V/O) sprach angesichts von Preisverfall und Wetterkapriolen von einem schwierigen Jahr für die Bauern, stellte aber insgesamt fest, Österreichs Landwirtschaft habe Zukunft. Er hob vor allem die Bedeutung der Landwirtschaft für Wirtschaft und Arbeitsplätze und für die Energieversorgung hervor. Erfreut zeigte er sich auch über den Umstand, dass die heimischen Bauern im Durchschnitt zu den jüngsten in Europa zählen.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH unterstrich die hohe Qualität der österreichischen Lebensmittel und betonte, es könne nicht Ziel der heimischen Landwirtschaft sein, Lebensmittel zu Schleuderpreisen zu produzieren. Zur Situation auf dem Lebensmittelmarkt hielt er fest, mit Lebensmitteln dürfe nicht spekuliert werden. Klar war für Berlakovich weiters, dass die Zahlungen an die Bauern ökologische Leistungsentgelte und keine Sozialtransfers sind. In der Energiepolitik wiederum trat der Minister für einen schrittweisen Ausstieg aus fossiler Energie und eine Entwicklung in Richtung eines energieautarken Österreich auf Basis von erneuerbaren Energieträgern ein. Was die von Bundesrat Konrad angesprochene Schulsituation betrifft, rief Berlakovich das Land Steiermark dazu auf, seine Verantwortung bei der Finanzierung wahrzunehmen.

Bundesrat Klaus KONRAD (S/ST) machte in einer zweiten Wortmeldung abermals auf die prekäre Lage der landwirtschaftlichen Schulen in der Steiermark aufmerksam.

Bei der Abstimmung wurden beiden Berichte mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

(Fortsetzung Bundesrat)


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