Parlamentskorrespondenz Nr. 245 vom 15.03.2011

Vollendung des Binnenmarkts soll Wachstum in EU ankurbeln

EU-Unterausschuss zu Vorschlägen der Kommission

Wien (PK) – Im heutigen EU-Unterausschuss stand auch das Thema "Vollendung des Binnenmarkts" zur Diskussion. Grundlage dafür bildete die Mitteilung der EU-Kommission "Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte. Für eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft". Darin sind 50 Vorschläge aufgelistet, die bis spätestens 2012 umgesetzt werden sollen. Nachdem die Vorlage am 15. Februar dieses Jahres mit dem Staatssekretär im Finanzministerium, Andreas Schieder, diskutiert worden war, nahm heute Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner aus der Sicht seines Ressorts dazu Stellung (siehe PK-Meldung Nr. 149/2011).

Die Liste der angedachten Maßnahmen macht den Querschnittcharakter der Materie deutlich und betrifft Patentrechte und wirtschaftliche Fragen ebenso wie Vergabewesen, Dienstleistungen, Mehrwertsteuer, Verkehr, Energie, Konsumentenschutz bis hin zur Achtung der sozialen Grundrechte. Die Mitteilung gliedert sich in drei Kapitel: "Ein starkes, nachhaltiges und faires Wachstum in Partnerschaft mit den Unternehmen"; "Vertrauen wiedergewinnen und die europäischen BürgerInnen in den Mittelpunkt des Binnenmarkts stellen"; "Dialog, Partnerschaft, Evaluation: Die Instrumente einer 'good governance' im Binnenmarkt". Damit bringt die Kommission den Anspruch einer wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft zum Ausdruck.

Laut Auskunft von Bundesminister Reinhold Mitterlehner wird durch die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen für die nächsten zehn Jahre eine Wachstumsstimulierung von 4 % erwartet. Europa habe im Zuge der Wirtschaftskrise an Boden verloren, weshalb man sich nun angesichts der Wachstumsschwäche entschließen müsse, an den Stärken des Wirtschaftsraums zu arbeiten, erklärte Mitterlehner. Dem soll die Vollendung des Binnenmarkts dienen, wobei zwölf Vorschläge der insgesamt fünfzig priorisiert würden. Trotz unterschiedlicher Positionen im Rat zeigte sich der Minister zuversichtlich, dass man sich bald einigen werde können.

SPÖ und ÖVP beschließen Antrag auf Mitteilung mehrheitlich

Von den Abgeordneten Christine Muttonen (S) und Ursula Plassnik (V) wurde ein Antrag auf Mitteilung vorgelegt, der dann auch mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP mehrheitlich angenommen wurde. Darin wird die Bedeutung des Binnenmarkts für den Wohlstand innerhalb der EU unterstrichen. Man stehe aber nun vor neuen Herausforderungen, heißt es darin, wobei es wesentlich sei, dass alle Beteiligten konkrete Vorteile erkennen können. Dazu zählten die Entfaltung des Wachstums- und Wohlstandspotentials, niedrigere Preise und ein größeres Angebot sowie erleichterte grenzüberschreitende Durchsetzbarkeit der Rechte von KonsumentInnen. ProduzentInnen und UnternehmerInnen sollen durch bessere Absatzchancen und niedrigere Transaktionskosten profitieren, ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen durch größere Chancen auf den Arbeits- und Exportmärkten, SchülerInnen und Studierende durch grenzüberschreitenden Bildungsaustausch und das Lehr- und Forschungspersonal durch europaweiten Zugang zu wissenschaftlichen und ausbildenden Institutionen.

Als prioritär sehen die Antragstellerinnen den Binnenmarkt für Dienstleistungen unter Beachtung der besonderen Erfordernisse der Dienstleistungen im allgemeinen Interesse, weiters die Achtung der in der EMRK und Grundrechtecharta zum Ausdruck kommenden Grundrechte, sowie die Berücksichtigung der besonderen Situation der KMU. Unterstrichen wird ferner die Förderung der Energieeffizienz und Elektromobilität, die Bedeutung von privaten Investitionen und Risikokapital, eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer, der internationale Handel, der Zugang zu grundlegenden Finanzdienstleistungen und die nationale Umsetzung von EU-Regelungen.

Vorbehalte drücken die unterzeichneten Abgeordneten hinsichtlich zusätzlicher europäischer Regelungen betreffend Investitionstätigkeit nationaler Risikokapitalfonds aus sowie im Hinblick auf Project bonds. Kritisch gesehen wird darüber hinaus der VerbraucherInnenschutz bei Hypothekarkrediten unter Hinweis auf die notwendige Kohärenz mit den Regelungen für VerbraucherInnenkreditverträge, weiters Regelungen, die in die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten eingreifen und Vorschläge, die die besondere Situation von KMU nicht ausreichend berücksichtigen. Im Antrag wenden sich die Abgeordneten auch gegen Vorschläge, die in die Grundstrukturen des nationalen Zivilrechts eingreifen.

SPÖ: Sozialpolitische Kriterien im Binnenmarkt stärken

Für Abgeordnete Christine Muttonen (S) muss es Ziel sein, ein gerechtes europäisches Sozialmodell als zweites Standbein des Binnenmarkts zu etablieren. Sozial- und marktpolitische Kriterien im Binnenmarkt seien gleichberechtigt zu sehen, urgierte sie. Derzeit habe aber immer noch die Liberalisierung des Handels Priorität, stellte sie mit kritischem Unterton fest. Darauf reagierte Abgeordneter Martin Bartenstein (V) mit der Bemerkung, der Handel schaffe sehr wohl Arbeitsplätze und Wohlstand.

Durchaus interessante und richtige Vorschläge konnte auch Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber seitens der Grünen im Vorschlag der Kommission erkennen. Die durchgehend positive Bewertung des Binnenmarkts sei allerdings zu hinterfragen. Auch der Antrag der Koalition stelle eine gute Diskussionsgrundlage dar, für ihn sind jedoch Aspekte wie die ökologische Dimension oder die Aussagen zur Daseinsvorsorge noch viel zu unklar formuliert. Er anerkannte jedoch die Aufnahme des ökologischen Fußabdrucks.

Für Abgeordneten Ewald Stadler (B) versucht die Koalition mittels dieses Antrags den österreichischen Kammerstaat in Europa zu etablieren. Seiner Meinung nach müsse auch der Steuerwettbewerb stärker diskutiert werden. Negativ zu den Kommissionsvorschlägen äußerte sich Abgeordneter Johannes Hübner (F). Vieles bringe nur neue Bürokratie mit sich und über Umwege versuche man in die Steuerhoheit der Staaten einzugreifen, so seine Analyse.

(Schluss EU-Unterausschuss)