Parlamentskorrespondenz Nr. 374 vom 13.04.2011

Europa braucht gemeinsame soziale Ziele

EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert Strategie Europa 2020

Wien (PK) – In der heutigen Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrats befassten sich die Mitglieder der Länderkammer zunächst mit dem Bericht über die bisherigen Arbeiten und Umsetzungsschritte zur "Strategie Europa 2020".

Mit der genannten Strategie, die im Juni 2010 vom Europäischen Rat beschlossen wurde, gibt die EU in Form eines zehnjährigen Wirtschaftsprogramms wesentliche Zielsetzungen vor, die im Jahr 2020 erreicht werden sollen. Durch eine bessere Koordinierung der nationalen und europäischen Wirtschaft will man ein "intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum" innerhalb der Union erreichen und darauf hinwirken, dass Europa die Krise überwindet und gestärkt aus ihr hervorgeht.

Die Strategie erfordert Maßnahmen seitens der Mitgliedstaaten und der Union, wobei die Mitgliedstaaten beauftragt wurden, ihre nationalen Ziele und Reformpläne rasch vorzulegen. Die Überwachung und Bewertung der Fortschritte erfolgt im Rahmen des "Europäischen Semesters". Dieses neue Steuerungs- und Überwachungsinstrument zur Vorabkoordination der Wirtschaftspolitik ist seit Beginn des Jahres 2011 im Einsatz.

Die konkreten nationalen Reformprogrammen (NRPs) sind bis Ende April 2011 an die Europäische Kommission zu übermitteln, wie die Expertin aus dem Bundeskanzleramt erklärte. In Österreich laufe dazu gerade der Erstellungs- und Koordinationsprozess. Dabei sei man bemüht, die Länder stärker einzubinden. So hätten beispielsweise Salzburg, Wien und die Steiermark bereits ihre konkreten Maßnahmen gemeldet. Die durchgeführten Projekte würden auch publiziert, bekräftigte man seitens des Bundeskanzleramts.

Im weiteren Verlauf sei vorgesehenen, dass die Kommission im Mai 2011 die Programminhalte bewertet und - nach entsprechender Diskussion durch die FinanzministerInnen - der Europäische Rat im Juni 2011 länderspezifische Empfehlungen verabschiedet. Diese an die einzelnen Mitgliedstaaten gerichteten Mitteilungen sollen dann in den nationalen Politikvorhaben und Budgets berücksichtigt werden. Das zweite Halbjahr 2011 soll insbesondere der Umsetzung der in den NRPs angekündigten Maßnahmen gewidmet werden, eine horizontale Gesamtbewertung durch die Kommission werde dann im Jahreswachstumsbericht 2012 erfolgen.

Man befinde sich in einem Lernprozess, betonte die Expertin des Bundeskanzleramts, im Jahr 2014 werde es seitens der Kommission eine Revision geben. Über die einzelnen Phasen, wie Beschluss des NPR im Ministerrat und Feedback dazu aus Europa werde das Parlament umgehend informiert. Damit ging die Beamtin auf Fragen der BundesrätInnen Elisabeth Kerschbaum (G/N), Monika Mühlerth (F/W), Edgar Mayer (V/V) und des Ausschussvorsitzenden Georg Keuschnigg (V/T) ein.

Die Vizepräsidentin des Bundesrats, Susanne Neuwirth (S/S) begrüßte darüber hinaus eine einheitliche europäische Vorgangsweise. Es sei wichtig, dass in Europa nicht nur über gemeinsame wirtschaftspolitische Ziele gesprochen werde, sondern dass diesmal auch der soziale Aspekt im Vordergrund stehe. Selbstverständlich müssten diese Vorhaben budgetär verkraftbar sein.

Im Rahmen der Strategie wurden fünf Kernziele zu den Themen "Beschäftigung", "F&E und Innovation", "Klimawandel und Energie", "Bildung" sowie "Armut und soziale Ausgrenzung" festgelegt, die mittels spezieller Initiativen realisiert werden sollen. So sollen zum genannten Zeitpunkt 75% der 20- bis 64-Jährigen in Arbeit stehen; 3% des BIP der EU sollen für F&E und Innovation aufgewendet werden; die Treibhausgasemissionen sollen um 20% (oder sogar um 30%, sofern die Voraussetzungen hierfür gegeben sind) gegenüber 1990 verringert, der Anteil an erneuerbarer Energien auf 20% erhöht und die Energieeffizienz um 20% gesteigert werden; die EU will auch die Schulabbrecherquote auf unter 10% senken und den Anteil der 30- bis 34-Jährigen mit abgeschlossener Hochschulbildung auf mindestens 40% erhöhen; schließlich ist es das erklärte Ziel der EU, die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen oder bedrohten Personen um mindestens 20 Millionen zu senken.

Dazu werden sieben Initiativen gestartet: "Innovationsunion" zur Verbesserung der Bedingungen und finanzielle Förderung für F&E-Investitionen im Privatsektor; "Jugend in Bewegung" zur Verbesserung der Bildungssysteme und Förderung der internationalen Attraktivität der höheren Bildung in Europa; "Digitale Agenda" zum Ausbau des Breitband-Internets und Förderung des gemeinsamen Marktes bei Internetzugängen; "Ressourceneffizientes Europa" zur Entkoppelung des Wirtschaftswachstums vom Verbrauch natürlicher Ressourcen durch Förderung erneuerbarer Energien, Modernisierung des Transportsektors und Förderung der Energieeffizienz; "Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung" zur Verbesserung des Wirtschaftsumfelds, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen und zum Ausbau eines weltweit wettbewerbsfähigen, nachhaltigen Industriesektors; "Agenda für neue Fähigkeiten und Jobs" zur Modernisierung des Arbeitsmarkts durch die Förderung von Arbeitsmobilität und lebenslangem Lernen, damit Arbeitsnachfrage und -angebot besser zueinander passen; "Europäische Plattform gegen Armut" zur Gewährleistung sozialer und territorialer Kohäsion, damit Wachstumsgewinne breit geteilt werden und Menschen in Armut die Möglichkeit haben, in Würde zu leben und aktiv an der Gesellschaft teilzunehmen. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats).


Format