Parlamentskorrespondenz Nr. 416 vom 29.04.2011

Nationalrat genehmigt Zuschuss zum Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds

Oppositionsanträge zur Sozialpolitik abgelehnt

Wien (PK) – Der Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds zahlt Löhne und Gehälter an MitarbeiterInnen insolventer Firmen und trägt zur Lehrlingsförderung bei. Zur Lösung finanzieller Probleme des Fonds beschloss der Nationalrat heute auf Antrag der Regierungsparteien (1502/A) einen Bundeszuschuss. Zur Finanzierung dieser Zuwendung wird die Befreiung der über 58-jährigen ArbeitnehmerInnen vom Arbeitslosenversicherungsbeitrag bis 2015 ausgesetzt und für über 57-Jährige auf 2018 verschoben. Die davon erwarteten Mehreinnahmen betragen bis 2015 800 Mio. €, wodurch eine Erhöhung der 2008 gesenkten Arbeitgeberbeiträge zur Fondsfinanzierung vermieden werden kann. Der Antrag passierte den Nationalrat mehrheitlich. Mit  Mehrheit abgelehnt wurde der FPÖ-Antrag 359/A betreffend Anrechnung des Partnereinkommens auf die Notstandshilfe. Ebenfalls vom Sozialausschuss lagen ein Antrag der Grünen auf monatliche Rentenzahlungen für Contergan-Geschädigte (1208/A[E]) und ein FPÖ-Entschließungsantrag auf Einführung eines Lehrberufs "Pflege" (1368/A[E]) vor; beide Initiaven wurden vom Plenum abgelehnt. 

Abgeordneter Herbert KICKL (F) kritisierte, die befristete Rücknahme der Senkung der Arbeitslosenbeiträge laufe auf eine Verteuerung der Kosten für ältere Arbeitnehmer hinaus, und bezeichnete dies unter Hinweis auf die Schwierigkeiten dieser Gruppe am Arbeitsmarkt als falschen Weg. Besser wäre es seiner Meinung nach, jenen Unternehmen, die den Insolvenzentgeltfonds gezielt missbrauchen, wirksam entgegen zu treten und gesetzliche Lücken zu schließen.

Abgeordnete Renate CSÖRGITS (S) erwiderte, es werde zu keiner Erhöhung der Lohnkosten und zu keiner Einschränkung von Leistungen kommen, vielmehr würde der Fonds durch die Maßnahme 800 Mill. € an dringend benötigten Mitteln erhalten.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) gab zu bedenken, schon die Reduktion der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für ältere Beschäftigte sei ein Fehler gewesen und habe keinerlei positive Auswirkungen auf die Beschäftigung. Die nunmehrige Befristung der Rücknahme lehnte der Redner als doppelten "Murks" ab. Auch Öllinger sprach sich dafür aus, Missbrauch des Fonds durch skrupellose Unternehmer zu bekämpfen.

Abgeordneter August WÖGINGER (V) unterstützte das Gesetz als Kompromiss zwischen den Sozialpartnern, der die Ansprüche der Arbeitnehmer im Falle der Insolvenz sichert. Zum Antrag der FPÖ betreffend Entfall der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe bemerkte er kritisch, die Freiheitlichen würden permanent Anträge einbringen, die Geld kosten, und dann aber gegen Staatsschulden und Defizit protestieren.

Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) bezeichnete die Vorlage als "Pfusch", denn sie bringe keinerlei Lösung.

Bundesminister Rudolf HUNDSTORFER warf der FPÖ vor, nur Angstparolen zu verbreiten und die Republik ständig schlecht zu machen. Er stellte dezidiert in Abrede, dass die AUVA Finanzierungsprobleme hat und erläuterte, dass der Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds im Zuge der Krise mehr Ausgaben und weniger Einnahmen hatte. Über den Fonds laufe auch die betriebliche Lehrlingsförderung und diese sei aufrechtzuerhalten, sagte der Minister. Er fügte hinzu, dass für die Zukunft geringere Auszahlungsquoten prognostiziert seien. Der Sozialminister räumte ein, dass man hinsichtlich der organisierten Schwarzarbeit Probleme habe, das sei jedoch keine Frage der Ausländer.

Abgeordneter Franz RIEPL (S) stellte fest, dass es bei diesem Gesetz um die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik gehe, insbesondere im Interesse von Lehrlingen und älteren ArbeitnehmerInnen. Er bedauerte, dass die Befreiung von der Arbeitslosenversicherung bei älteren ArbeitnehmerInnen nicht dazu geführt hat, diese länger im Beruf zu erhalten. Notwendig seien daher altersgerechte Arbeitsplätze, eine bessere betriebliche Gesundheitsförderung und eine neue Arbeitgeberkultur.

Abgeordnete Birgit SCHATZ (G) kritisierte, dass der Beitrag der Arbeitgeber 2008 von 0,7 auf 0,5% gekürzt worden ist. Man hatte damals vor, die Beträge wieder anzuheben, doch der Sozialpartnerkompromiss habe dies auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen wieder ausgehebelt. Das Argument, man könne die Lohnnebenkosten nicht weiter erhöhen, ist laut Schatz nicht stichhaltig, denn durch eine ökologische Steuerreform könne man den Faktor Arbeit entlasten.

Abgeordneter Karl DONABAUER (V) gab zu bedenken, dass die im Jahr 2008 beabsichtigte Senkung der Lohnnebenkosten nicht zu halten sei. Deshalb nehme man nun eine Korrektur vor, um für ältere ArbeitnehmerInnen Maßnahmen zur Beschäftigung setzen zu können. Auch die Lehrlingsförderung sei ein wichtiger Teilaspekt, sagte Donabauer, der der Opposition vorwarf, leichtfertig Anträge einzubringen, die enorme Mittel binden würden.

Abgeordnete Martina SCHENK (B) befasste sich mit dem Antrag, wonach das Partnereinkommen bei Bezug der Notstandshilfe nicht mehr angerechnet werden sollte. Der derzeitige Zustand sei ungerecht und belaste vor allem Frauen, argumentierte sie.

Abgeordnete Sabine OBERHAUSER (S) entgegnete, die von Schenk geforderte Maßnahme würde 82 Mio. Euro kosten und die Mittel undifferenziert ausschütten. Durch die Einführung der Mindestsicherung würden jedoch Frauen zielgerichtet entlastet.

Das Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden, wurde mehrheitlich angenommen. Der negative Ausschussbericht über den Antrag der FPÖ betreffend Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe fand ebenfalls mehrheitliche Zustimmung.

Thema Contergangeschädigte

Abgeordnete Helene JARMER (G) wies auf erfolgreiche Modelle in Europa hin, wonach es für Contergan-Geschädigte eine monatliche Rentenzahlung gibt. Sie kritisierte, dass zwar ein Beschluss zu einer einmaligen Auszahlung von Mitteln in der Höhe von 2,8 Mio. Euro vorliege, bisher aber nichts geschehen sei. Jarmer vermisste weiters Erhebungen, wie viele Personen tatsächlich betroffen sind.

Abgeordneter Erwin SPINDELBERGER (S) argumentierte, in das deutsche Contergan-Stiftungsgesetz würden auch all jene hineinfallen, die nicht in Deutschland wohnen. Es werde nämlich ein Zusammenhang mit dem damaligen Hersteller des Präparats hergestellt. Was die Auszahlung der 2,8 Mio. Euro betrifft, so hätten bereits 20 Personen je 50.000 Euro erhalten. Bei weiteren 32 laufe ein Überprüfungsverfahren, ob ein Zusammenhang mit der Behinderung mit der Einnahme von Contergan besteht.

Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) sprach sich für die Ausbezahlung einer monatlichen Rente aus.

Abgeordneter Franz-Joseph HUAINIGG (V) wies darauf hin, dass die Hauptverantwortung bei der Herstellerfirma liegt. Insgesamt sei bereits 1 Mio. Euro in Österreich ausbezahlt worden, ein Expertenteam prüfe die restlichen Anträge.

Bundesminister HUNDSTORFER bestätigte die Ausbezahlung von 1 Mio. Euro und sagte zu, dass man bemüht sein werde, die restlichen 1,8 Mio. Euro so rasch wie möglich auszubezahlen.

Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Antrag der Grünen hinsichtlich einer monatlichen Rentenzahlung für Contergan-geschädigte Personen mehrheitlich abgelehnt.

FPÖ verlangt Einführung einer Pflegelehre

 

Abgeordneter Norbert HOFER (F) erinnerte daran, dass in anderen Ländern Modellversuche für eine Pflegelehre laufen, die wissenschaftlich begleitet würden. Die Studien hätten ergeben, dass die Jugendlichen der anspruchsvollen Ausbildung durchaus gewachsen sind, ein großer Teil bei diesem Beruf bleibt und viele eine weiterführende Ausbildung absolvieren. Er schlug daher vor, auch in Österreich einen Modellversuch mit begleitender Studie zu initiieren. Hofer ersuchte abschließend den Minister, gegen jene Agenturen etwas zu unternehmen, die billiges und ungeschultes Pflegepersonal vermitteln. Es hätte sich in diesem Bereich eine kleine "Mafia" entwickelt, Pflegebedürftige und Pflegepersonal würden dabei ausgebeutet.

Abgeordnete Christine LAPP (S) vertrat die Auffassung, dass man nach der Schulpflicht viel zu jung sei, um mit all diesen Herausforderungen eines Pflegeberufs zurecht zu kommen. Sie wolle aber weiter darüber diskutieren. Sinnvoller erachtete sie es, Ausbildungsoffensiven zu starten und Wiedereinsteigerinnen eine Chance zu eröffnen.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) machte geltend, dass viele Pflegekräfte fehlen und die Nachfrage an Fachkräften steige. Sie wolle jungen Menschen auch in diesem Bereich eine Chance auf Ausbildung nach der Schulpflicht geben und verstehe daher die Blockade nicht, sagte Haubner. Die Mandatarin teilte die Kritik von Abgeordnetem Hofer an den Agenturen.

Abgeordneter Oswald KLIKOVITS (V) meinte, man könne Jugendliche nicht in allen Bereichen einsetzen. Auch seine KollegInnen im Pflegebereich hätten ihm versichert, dass 15-bis 16jährige den Anforderungen nicht gewachsen seien. Deshalb halte er es für richtig, mit einer derartigen Ausbildung ab 17 Jahren zu beginnen. Klikovits machte sich jedoch dafür stark, den Pflegeberuf attraktiver zu machen, indem man die Tätigkeit besser entlohnt.

Abgeordneter Stefan MARKOWITZ (B) forderte eine sachliche Argumentation ein. Man brauche einen Lehrberuf Pflege. Der Faktor Jugend stelle hier kein Problem dar, wenn man die Ausbildung entsprechend aufbaue. Erforderlich sei ein klares Berufsbild, das auch der Jugend Chancen biete. Das BZÖ werde mit dieser Forderung nicht lockerlassen, kündigte Markowitz an.

Bundesminister Rudolf HUNDSTORFER konstatierte, es gebe Handlungsbedarf, daran bestehe kein Zweifel. Eine Evaluierung des oft zitierten Schweizer Modells der Pflegeausbildung zeige aber, dass nur 10 % der Ausgebildeten danach tatsächlich in diesem Beruf verbleiben wollen. Ein früher Einstieg in den Pflegeberuf sei erfahrungsgemäß ungünstig. Es mache eben einen großen Unterschied aus, ob man im Familienumfeld auf begrenzte Zeit Angehörige pflege oder mit fünfzehn in einen Beruf einzusteigen solle, in dem man dann weiter verbleiben werde. Am 17. Lebensjahr als Erfordernis für den Berufseinstieg im Pflegebereich solle man daher nicht rütteln. Was Missstände im Pflegebereich betreffe, so verwies Hundstorfer darauf, dass es in Österreich eine klare Gewerbeordnung gebe. Bei Missständen müsse die Bezirksverwaltung tätig werden, sie müsse aber über Missstände informiert werden, um handeln zu können.   

Abgeordnete Birgit SCHATZ (G) sah den BZÖ-Vorschlag als nicht praktikabel an. Auch mit 16 sei man den Anforderungen des Pflegeberufs psychisch und physisch noch nicht gewachsen. Allerdings gebe es auch jetzt schon Jugendliche oder Kinder, die unmittelbare Angehörige pflegen müssen. Dieser Gruppe müsse man mehr Aufmerksamkeit schenken, für sie gebe es derzeit keine Form der Unterstützung. Das Modell, welche das BZÖ favorisiere, berge die Gefahr, dass Lehrlinge als billige Hilfskräfte herangezogen würden. Die Vorstellungen der Grünen zielten hingegen auf eine höhere Qualifizierung für Pflegeberufe ab, denn nur dadurch sei auch eine höhere Zufriedenheit im Beruf möglich. Dem Mangel an Pflegekräften durch die Ausbildung von niedrig qualifiziertem Personal auszubilden, sei nicht der richtige Weg.

Abgeordneter Johann HELL (S) meinte, wolle man dem Mangel an Pflegekräften abhelfen, müsse man bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen dieser Personengruppe ansetzen. Österreich besitze bereits ein gutes Ausbildungssystem für Pflegeberufe. Mit gutem Grund habe man die Eintrittskriterien in diese Berufe sehr genau festgelegt. Für junge Menschen sei die Konfrontation mit Leid und Krankheit sehr belastend, was dagegen spreche, Fünfzehnjährige zu einem Lehrberuf Pflege zuzulassen.

Abgeordnete Helene JARMER (G) sah verschiedene Punkte, in denen der Antrag nochmals überdacht werden sollte. So gebe es viele Fragen im Umgang mit Menschen mit mehrfachen Behinderungen, hier entstünden oft Missverständnisse in der Kommunikation, wodurch die Qualität der Pflege beeinträchtigt werde. Die Abgeordnete sprach sich auch für eine Valorisierung des Pflegegeldes aus. Zum Thema der durch Contergan geschädigten Menschen ersuchte Jarmer den Sozialminister um Aufklärung darüber, warum ein Teil der Betroffenen noch immer auf Entschädigung warten müsse. - Der Antrag des BZÖ wurde mehrheitlich abgelehnt. (Fortsetzung Nationalrat)