Parlamentskorrespondenz Nr. 434 vom 03.05.2011

Außenpolitische Bestandsaufnahme

Außenpolitischer Ausschuss arbeitet umfangreiche Agenda ab

Wien (PK) – In seiner heutigen Sitzung befasste sich der Außenpolitische Ausschuss des Nationalrats mit einer Vielzahl an Themen. Berichte der Regierung standen ebenso auf der Tagesordnung wie internationale Abkommen und oppositionelle Anträge. Am Beginn der Sitzung beschäftigten sich die Abgeordneten im Rahmen einer aktuellen Aussprache unter anderem mit der Lage in Nordafrika und in der arabischen Welt.

Abgeordneter Josef Cap (S) erkundigte sich eingangs nach dem aktuellen Stand der Beitrittsverhandlungen der Türkei zur EU und wollte dabei den österreichischen Standpunkt präzisiert wissen. Auch fragte er, wie es mit der Handhabung des Schengen-Abkommens in Europa weitergehen werde. Abgeordnete Judith Schwentner (G) kam auf die humanitäre Lage in Libyen und Tunesien zu sprechen und wollte wissen, welche Hilfeleistungen seitens der EU und seitens Österreichs hier zu erwarten seien. Sie fragte den Minister nach einer Bewertung der Ermordung Bin Ladens und meinte in diesem Zusammenhang, es wäre wohl besser gewesen, diesen vor dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bringen. Auch seien die Folgen dieses Schrittes nicht absehbar. Ebenfalls sprach die Rednerin noch die Situation in Syrien und in Bahrain an.

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) erinnerte daran, dass es nicht nur im Parlament, sondern auch in der Bevölkerung eine Mehrheit gegen den Beitritt der Türkei zur EU gebe und zeigte sich verwundert über die diesbezügliche Stellungnahme des neuen Staatssekretärs. Es wäre fraglos besser, mit den Türken über eine besondere Partnerschaft, nicht aber über einen EU-Beitritt zu verhandeln. Die geplante Schließung der österreichischen Botschaft im Oman bezeichnete Scheibner als kontraproduktiv, zudem wünschte er sich einen verstärkten Beitrag Österreichs zum Friedenprozess im Nahen Osten. Abgeordneter Johannes Hübner (F) lenkte den Fokus der Debatte auf die Einwanderungsströme angesichts der Ereignisse in Nordafrika. Jene Menschen, die hier nach Europa kämen, erfüllten nicht die Kriterien von politischen Flüchtlingen, sie seien vielmehr illegale Einwanderer, sodass man Italien und Griechenland helfen sollte, diese Migranten abzuweisen.

Abgeordnete Christine Muttonen (S) plädierte für mehr Hilfe für den Mittelmeerraum, sprach sich für eine Stärkung der Position der Frauen in Nordafrika aus und kritisierte die finanziellen Sanktionen, die Israel widerrechtlich gegen Palästina verhängt habe. Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) regte an, für den nordafrikanisch-arabischen Raum einen eigenen EMMA-Plan (European Mediterranean Modernization Agenda) zu entwickeln. Es gebe im Übrigen 6 Mrd. Euro unausgeschöpfter Mittel für das Mittelmeer, die man entsprechend verwenden könne. Zudem solle Europa ganz gezielt in demokratische Parteien und Think Tanks investieren, um eine negative politische Entwicklung im genannten Raum hintanzuhalten. Die EU-Außengrenze müsse besser kontrolliert werden, und dabei müssten auch Drittstaaten mehr in die Ziehung genommen werden. Hinsichtlich der Türkei sei eine besondere Partnerschaft das anzustrebende Ziel.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) redete über den Zusammenhang von ökonomischer Entwicklung und Migration, weshalb eine wirtschaftliche Stärkung des nordafrikanischen Raums anzustreben sei. Generell müsse man die dortigen Zivilgesellschaften stärken, weshalb entsprechende Initiativen wünschenswert wären. Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) sah sich durch die Aussagen seines Vorredners bestätigt. Die Migration sei rein ökonomisch motiviert, weshalb es sich dabei um einen illegalen Vorgang handle. Der Redner unterstrich die ablehnende Haltung seiner Fraktion einen EU-Beitritt die Türkei betreffend und wollte wissen, ob das österreichische UN-Bataillon am Golan angesichts der Ereignisse in Syrien in Gefahr sei. Detailfragen stellten dann noch die Abgeordneten Petra Bayr (S) und Ursula Plassnik (V).

Außenminister Michael Spindelegger erklärte, Österreich bleibe bei seiner Position, für die Türkei eine maßgeschneiderte Partnerschaft anzustreben. In Europa sei dieser Punkt jedoch umstritten. Bei Schengen bestehe Handlungsbedarf, es brauche bessere Kontrollen der Außengrenzen. Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raumes dürften aber nur befristet und aus gegebenem Anlass durchgeführt werden.

Österreich habe der Bevölkerung in Nordafrika durch 500.000 Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds geholfen, dazu kämen 250.000 Euro in Sachgütern durch das BMI. In Nordafrika herrsche derzeit eine überaus komplexe Situation, so seien zuletzt allein 25.000 Tunesier nach Italien gekommen, doch gebe es eine klare Rechtslage, nach der vorzugehen sei. In Bezug auf die Tötung Bin Ladens erklärte der Minister, er habe Verständnis für jene, die Erleichterung empfänden, doch sei ein Jubel über den Tod eines Menschen, "der einfach gekillt wurde", unangebracht. Dies sei ebenso wenig ein gutes Signal, wie das Verbrennen amerikanischer Fahnen im arabischen Raum.

Das Regierungsmitglied erläuterte sodann den Beitrag Österreichs zum Nahost-Friedensprozess und erklärte, dass die Botschaft im Oman mangels ökonomischer Perspektiven geschlossen werde. Die Mittelmeerpolitik der EU müsse neu aufgesetzt werden, ein bilateraler Ansatz sei dabei ein realistischer. Spindelegger sprach sich für eine Stärkung der Rolle der Frau im gegenständlichen Raum aus und verwies dabei auf entsprechendes Engagement der neuen UN-Sekretärin Bachelet. Schließlich meinte er, Israel müsse überzeugt werden, die Grenzen des Gaza-Streifens zu öffnen, sonst werde dort weiterhin das Chaos regieren. Demokratische Strukturen müssten gezielt aufgebaut werden, dies könnte eine Aufgabe für die politischen Akademien sein.

In Libyen müsse es schnell zu einem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen kommen, unterstrich der Minister, ehe er eine abschließende Einschätzung der Lage im Nahen Osten vornahm, in deren Rahmen er erklärte, für das UN-Bataillon gebe es derzeit keine Gefährdung.

Im Rahmen einer allgemeinen Fragenrunde zum EU-Arbeitsprogramm 2011 (III-212 d.B.) thematisierte die Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) Österreichs Position zu EURATOM, die Abgeordneten Judith Schwentner (G) und Petra Bayr (S) befassten sich mit der EZA, die Abgeordnete Gisela Wurm (S) mit der Zukunft Makedoniens, der Abgeordnete Herbert Scheibner mit der GASP und die Abgeordnete Christine Muttonen (S) mit friedenspolitischen Themen.

Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) meinte, der Abschluss der Verhandlungen mit Kroatien wäre ein wichtiges Signal für die anderen Staaten am Westbalkan. Der Redner unterstrich die Bedeutung der Donauraumstrategie, sowohl aus ökonomischer wie aus wissenschaftlicher Sicht. Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) votierte für eine Politik der Nachhaltigkeit im Donauraum und fragte, ob es bei der Annäherung Serbiens an die EU Fortschritte gebe. Abgeordneter Johannes Hübner (F) erklärte, seine Fraktion werde den Bericht nicht zur Kenntnis nehmen, weil er inhaltlich nicht auf die Zustimmung der Freiheitlichen stoße. Die Abgeordnete Karin Hakl (V) thematisierte schließlich noch den Sudan.

Bundesminister Michael Spindelegger kündigte an, man verfolge hinsichtlich EURATOM nun die Strategie, dort auch andere Projekte zu forcieren. Die GASP stehe auf der Agenda der polnischen Ratspräsidentschaft, die Verhandlungen um Makedonien seien derzeit blockiert. Er hoffe, dass die Verhandlungen mit Kroatien bis Ende Juni abgeschlossen werden können, dies wäre ein Signal für den restlichen Balkan.

Wichtig sei weiters, bei der Umsetzung der Donauraumstrategie sehr schnell zu konkreten Projekten zu kommen. Die Wissensstrategie sei dabei sehr bedeutsam. Der Minister konstatierte Fortschritte im Dialog mit Serbien und schloss mit Ausführungen zur europäischen Energiepolitik und zur EZA.

Der Bericht wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Jeweils einstimmig passierten sodann einige internationale Abkommen den Ausschuss. Das bestehende, 1999 zwischen der EU und Südafrika abgeschlossene Abkommen über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit (Trade, Development and Cooperation Agreement – TDCA) wurde nun nach einer Überprüfung erweitert und aktualisiert (942 d.B.).

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Republik Korea haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen und sollen daher mittels eines eigenen Abkommens auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt werden. Das Abkommen behandelt demgemäß die Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, regionale und internationale Organisationen, wirtschaftliche Entwicklung, Bildung, Kultur, Recht, Sicherheit, Tourismus und öffentliche Verwaltung. Damit soll ein umfassender Rahmen für die Beziehungen zwischen der EU und Korea geschaffen werden. (1062 d.B.)

Bislang gibt es mit dem ehemaligen jugoslawischen Teilstaat Makedonien kein Abkommen, das die kulturellen Beziehungen regeln würde. Ziel des nunmehr vorliegenden Abkommens ist es, die kulturelle Zusammenarbeit zu fördern und eine vertragliche Basis hierfür zu schaffen. Es regelt nicht nur die Kooperation zwischen wissenschaftlichen Institutionen, sondern auch jene auf dem Gebiet des Bildungs- und des Kulturwesens. (1086 d.B.)

Sodann beschloss der Ausschuss einstimmig, die folgenden beiden Materien dem Unterausschuss für entwicklungspolitische Themen zuzuweisen. Es handelte sich dabei um die "Fortschreibung 2010" des "Dreijahresprogramms der österreichischen Entwicklungspolitik" (III-225 d.B. ) und um einen F-Antrag betreffend eine Reduktion des Personalstandes der "Austrian Development Agency" (ADA) (1213/A [E])

Vertagt wurde schließlich ein F-Antrag auf Beendigung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. (47/A [E]) (Schluss)