Parlamentskorrespondenz Nr. 478 vom 12.05.2011

EU legt Fokus auf Schutz und Förderung von Kindern und Jugendlichen

EU-Unterausschuss diskutiert umfangreiche Initiativen

Wien PK – Die Förderung und der Schutz von Kindern und Jugendlichen in Europa stand im Zentrum des zweiten Teils des heutigen EU-Unterausschusses. Zum einem lag die Mitteilung der Kommission "Jugend in Bewegung" vor, eine Initiative, um die Potentiale junger Menschen zu fördern und zu forcieren. Schwerpunkte dabei sind die Modernisierung der allgemeinen und beruflichen Bildung, eine attraktivere Hochschulbildung, die Förderung der Mobilität zu Lernzwecken und im Berufsleben und ein neuer europäischer Rahmen für die Beschäftigung junger Menschen. Die Union setzt sich dabei die Senkung der Jugendarbeitslosigkeit, die Erhöhung der Beschäftigungsquote der 20 bis 64-jährigen, die Erhöhung des Anteils der Hochqualifizierten, die Steigerung der digitalen Kompetenz und die Senkung der Schulabbrecherquote zum Ziel. Bundesminister Reinhold Mitterlehner betonte in seiner Funktion als Jugendminister, dass man in Österreich vor allem der Beschäftigung von Jugendlichen sowie  Beschäftigungsaustauschprogrammen und außerschulischen Programmen besonderes Augenmerk schenken werde. Man wolle die Jugendmobilität forcieren.

Zum anderen lag ein Entschließungsentwurf über die Förderung neuer und wirksamer Formen der Beteiligung Jugendlicher am demokratischen Leben in Europa vor. Mitterlehner hielt dazu fest, dass sein Ressort in allen Fragen, die die Jugend betreffen, die Jugendvertretungen mit einbeziehe. Die dritte Vorlage betraf die so genannte "EU-Agenda für die Recht des Kindes ". Die Rechte des Kindes sollen zu einem festen Bestandteil der EU-Grundrechtepolitik gemacht werden. Insbesondere geht es um eine kindgerechte Justiz, um den besonderen Schutz von Kindern, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, um Opfer sexueller Ausbeutung und Menschenhandel, um Asyl suchende Kinder und um unbegleitete oder von ihren Eltern getrennte Kinder. Einen zentralen Punkt stellt auch die Bildung von Kindern und Jugendlichen und die besonderen Gefahren, die für diese von neuen Technologien ausgehen, dar. Schlagworte in diesem Zusammenhang sind Cyber-Bullying und Cyber-Grooming, aber auch die Gefährdungen durch Mobiltelefone, soziale Netzwerke, Video- und Onlinespiele. Ein besonderes Augenmerk möchte man auch der Kinderarbeit, dem Sextourismus und Kindern in bewaffneten Konflikten schenken. Bundesminister Mitterlehner unterstrich insbesondere die innerstaatlichen Bemühungen im Kampf gegen Menschenhandel und wies auf die entsprechende Task-Force im Außenministerium hin. Man kooperiere in all diesen Fragen auch eng mit dem Unterrichts- und Wissenschaftsressort, aber auch mit dem Justizministerium.

Die Initiativen der Kommission wurden von den Abgeordneten unisono begrüßt, wobei Kritik an bisherigen Umsetzungsmaßnahmen, aber auch an einzelnen Plänen geübt wurde. So unterstrich etwa Abgeordnete Angela Lueger (S) die Forcierung der Mobilität, die vor allem auch im Lehrlingsbereich notwendig sei, und meinte, dass bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa noch viel zu tun sei. Sie hielt eine Verbesserung der finanziellen Basis für den gesamten Bildungsbereich für notwendig und äußerte Sorgen hinsichtlich der hohen Zahl von SchulabbrecherInnen. Lueger wies auch auf die unbefriedigende Situation bei den Praktika hin, wo Jugendliche in erster Linie als Arbeitskraft verwendet würden ohne dabei die Möglichkeit zu haben, etwas zu lernen. Abgeordneter Ewald Stadler (B) warf in diesem Zusammenhang kritisch ein, dass die EU bei den Jugendlichen Sozialrechte aushöhlen wolle, anders sei die Forderung nach gestaffelten Arbeitnehmerschutzrechten und Lohnnebenkosten nicht zu verstehen.

Auch Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) spannte in ihrer Wortmeldung einen breiten Bogen von Themen. Sie sprach die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen an und meinte, die vom Sozialminister verankerte Ausbildungspflicht werde ohne zusätzliche Ressourcen wenig bringen. Sie forderte, prekäre Beschäftigungsverhältnisse einzudämmen und für junge Menschen fixe Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Bei der Hochschulmobilität ortete die Abgeordnete noch viele Hindernisse und erkundigte sich nach dem Lehrlingsprogramm Leonardo Da Vinci.

Dazu meinte Bundesminister Reinhold Mitterlehner die Jugendarbeitslosigkeit betrage in Österreich 9,8%, was weit unter dem EU-Durchschnitt von 21% liege. Er sah aber keine Gefahr für eine Verschärfung des Problems, weil ein jährlicher Rückgang der 15-jährigen zu verzeichnen sei. Im Jahr 2015 werde es um circa 10.000 Jugendliche in diesem Alter weniger geben, der Kampf um jeden Lehrling werde stärker werden. Er prognostizierte daher eine prinzipiell stabile Situation am Lehrstellenmarkt. Eine bessere Ausbildung würde darüber hinaus das Problem der prekären Arbeitsverhältnisse vermindern, sagte Mitterlehner. Man beabsichtige, die Lehrlingsausbildung zu modularisieren und durch Maßnahmen die Attraktivität von Lehrberufen zu stärken. Das Programm Leonardo Da Vinci bezeichnete er als wichtig. Aus Österreich nehmen derzeit 240 Lehrlinge daran teil.

Was die Rechte der Kinder, die in Österreich im Verfassungsrang stehen, betrifft, so müsse man diese nun auch mit Leben erfüllen, forderte Abgeordnete Angela Lueger (S). Viel zu tun ist bei der Realisierung einer kindgerechten Justiz, meinte sie und urgierte eine hohe qualitative Ausbildung von LehrerInnen und Fachpersonal, das mit Kindern zu tun hat. Abgeordnete Windbüchler-Souschill (G) verlangte ein Monitoring hinsichtlich der Kinderrechtskonvention. Ihr fehlte auch ein Grundrechte-Check. Die Abgeordnete trat ferner dafür ein, das Wahlalter im gesamten EU-Raum auf 16 Jahre zu senken.

Über den Grundrechte-Check werde man im kommenden Familienausschuss verhandeln, antwortete der Jugendminister, der aber eine grundsätzlich positiv Tendenz in diesem Bereich feststellte. Was das politische Interesse Jugendlicher betrifft, so habe sich gezeigt, dass dieses mit einer verstärkten Möglichkeit der Mitgestaltung steige, informierte Mitterlehner.

Abgeordnete Ursula Plassnik (V) regte an, die Rechte und Anliegen von Jugendlichen auch im Rahmen der EU-Außenpolitik stärker einzubringen. Der nächste Europäische Rat werde sich mit dem Thema Migration auseinandersetzen, man könne aber etwa bei der Ausverhandlung von Abkommen mit Drittländern danach trachten, dass Mittel der EU im Interesse der Kinder besser und zielgerichteter eingesetzt werden, und diese etwa der Ausbildung zu Gute kommen. Ihr Klubkollege Johann Höfinger (V) schloss sich der positiven Bewertung der EU-Initiativen an.

Abgeordnete Windbüchler-Souschill (G) und Abgeordneter Ewald Stadler (B) kritisierten scharf, dass ein Großteil der Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, die geforderte Hotline 116000 für vermisste Kinder und deren Angehörige noch immer nicht eingerichtet hat. Stadler sprach von einem "blamablen Zustand" und brachte einen diesbezüglichen Antrag auf Ausschussfeststellung ein, der jedoch von den Koalitionsparteien mehrheitlich abgelehnt wurde. Dazu bemerkte Mitterlehner, die Vermisstensuche falle in die Kompetenz des Innenressorts. Man werde die Frage aber weiterhin prüfen, wobei eben kompetenzmäßige aber auch budgetäre Einschränkungen zu beachten seien.

Abgeordneter Gerhard Deimek (F) befürwortete zwar eine verbesserte Mobilität unter Jugendlichen, denn das sei ja eigentlich die Intention des Bologna-Prozesses gewesen. Vielfach sei jedoch daraus eine "Scheinakademisierung" geworden. Was die Rechte der Kinder betrifft, so halte er eine grundsätzliche Diskussion auf EU-Ebene für richtig, die Verfassungsbestimmungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten müssten jedoch berücksichtigt werden, forderte er.

(Schluss EU-Unterausschuss)