Parlamentskorrespondenz Nr. 487 vom 17.05.2011

Pro und Contra neues Ökostromgesetz

Aktuelle Stunde im Nationalrat

Wien (PK) – "Wer Ökostrom blockiert, fördert Atomstromimporte!", warnten die Grünen in der heutigen Aktuellen Stunde des Nationalrats und kritisierten scharf die von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ausgearbeitete Novelle zum Ökostromgesetz. In Österreich gebe es bereits eine Energiewende, zumal 70% des heimischen Stroms aus erneuerbaren Energiequellen bezogen würden, verteidigte daraufhin der Wirtschaftsminister die heimische Energiepolitik und unterstrich die Notwendigkeit, alles zu tun, damit Österreich die Energieautarkie erreicht.

G-Klubobfrau Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK hielt eingangs ihrer Begründung für die Wahl des Themas fest, das Reaktorunglück von Fukushima habe deutlich gemacht, dass Atomkraft nicht beherrschbar ist,. Vor dem Hintergrund dieser Katastrophe fände deshalb in vielen Staaten ein Umdenken statt, das in der Forderung nach einer Energiewende manifest werde. In Österreich sei das nicht der Fall, zumal Wirtschaftsminister Mitterlehner weiterhin auf Atomenergie setze, stellte Glawischnig-Piesczek kritisch fest. Das neue Ökostromgesetz, das er in Begutachtung geschickt habe, wäre deshalb auch nichts anderes als ein "Atomstromgesetz", mit dem man die "Kleingeistigkeit weiterverwalte". Mitterlehner vergebe damit die Chance, diese gesetzliche Grundlage zum Kernstück einer Energiewende zu machen, kritisierte die G-Klubobfrau.

Betrachte man die Zahlen, Daten und Fakten im Energiebereich müsse man feststellen, dass sich wenig verändert habe: Was den Bereich Strom anbelange, verzeichne man aktuell sogar einen geringeren Anteil an erneuerbaren Energien als 1997. Außerdem importiere Österreich Atomstrom in der Größenordnung eines Atomkraftwerks, weshalb man im Rahmen der Diskussion um einen gesamteuropäischen Atomausstieg unglaubwürdig wirke, monierte Glawischnig-Piesczek. Die Kyoto-Ziele könne man vor diesem Hintergrund nicht erreichen, was Zertifikatsnachkäufe in Höhe von einer Milliarde € jährlich erforderlich mache. Diese Aufwendung wäre jedoch besser in erneuerbare Energien investiert. Der Umstieg auf Ökostrom, den man unter anderem von Seiten der Industriellenvereinigung blockiere, hätte außerdem einen positiven Effekt auf die Beschäftigungssituation, zumal damit tausende Arbeitsplätze geschaffen werden könnten, illustrierte Glawischnig-Piesczek.

Wie ein Besuch Grüner AktivistInnen im AKW Bohunice gezeigt habe, seien Atomkraftwerke außerdem keineswegs vor Angriffen geschützt. BesucherInnen des Geländes werde nur Einhalt geboten, wenn ihr Auto falsch geparkt sei, berichtete die G-Klubobfrau.

Es brauche außerdem keine Stresstests für Atomkraftwerke, sondern ernsthafte Verhandlungen auf europäischer Ebene, die eine Abschaltung der Reaktoren zum Ziel haben müssten. Dazu bedürfe es eines seriösen Lobbying, wie es die Grünen schon jetzt betrieben.

Wirtschaftsminister Reinhold MITTERLEHNER forderte die Grüne Fraktion dazu auf, zu sachlichen Argumenten und Fakten zurückzufinden, denn nur so sei eine ernsthafte Diskussion über das neue Ökostromgesetz möglich.

Er könne nicht nachvollziehen, warum Glawischnig-Piesczek in ihrer Rede eine Energiewende gefordert habe. Eine solche sei schließlich nur einmahnbar, wenn man AKWs betreibe und keine Ersatztechnologien zur Verfügung habe. Das sei in Österreich aber nicht der Fall, betonte Mitterlehner: Bereits jetzt würden 70% des heimischen Stroms aus erneuerbaren Energiequellen bezogen. Es brauche also keine Wende, sondern eine Verdichtung der Anstrengungen in Hinblick auf die Forcierung der Energieautarkie, die auch sein deklariertes Ziel sei, erklärte der Wirtschaftsminister.

Die Fördersumme für Ökostrom werde mit dem neuen Gesetz außerdem erhöht. Es gelte aber, besonnen und differenziert vorzugehen, wolle man keine Gefährdung des heimischen Arbeitsmarkts verantworten, stand für den Wirtschaftsminister außer Frage. An der bestehenden Deckelung der Förderungen wolle man in jedem Fall festhalten.

Bei der Photovoltaik handle es sich um jenes Technologiefeld, in dem die größten Fortschritte zu erwarten seien. Er, so Mitterlehner, halte es deshalb für wenig sinnvoll, die gesamten Mittel schon jetzt in diesen Sektor zu investieren. Dafür wäre der technologische Fortschritt noch zu wenig weit gediehen, stellte er fest.

S-Abgeordneter Wolfgang KATZIAN meinte, das Ökostromgesetz, das er persönlich für verbesserungsfähig halte, könne nur eine Maßnahme auf dem Weg zum Ziel Energieautarkie sein. Es seien darüber hinaus auf europäischer Ebene Initiativen zu ergreifen, ein Energieeffizienzgesetz zu beschließen, Maßnahmen zum sparsamen Umgang mit Energie zu forcieren und die Erneuerung der Stromnetze in Angriff zu nehmen.

Was das Ökostromgesetz selbst anbelange, müssten die zahlreichen Stellungnahmen, die im Rahmen der Begutachtungsfrist eingetroffen sind, eingearbeitet werden. Dabei gelte es dafür Sorge zu tragen, dass deutlich mehr Strom aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen, ein verlässliches und nachvollziehbares Fördersystem etabliert und ressourcenunabhängigen Energieformen der Vorzug gegeben wird, stellte Katzian fest. Da die Kosten für Ökostrom vom Stromverbraucher zu tragen sind, sei in diesem Bereich auch Fairness gefragt: Es gehe nicht an, dass die energieintensive Industrie, für die es zweifelsfrei Entlastungen brauche, günstiger aussteige als jemals zuvor.

V-Mandatar Martin BARTENSTEIN meinte, Importe von Atomstrom stünden Österreich angesichts seiner Bemühungen um einen gesamteuropäischen Atomausstieg nicht gut an. Die Novelle zum Ökostromgesetz leiste aber einen konkreten Beitrag dazu, dass man 2015 nicht mehr zu den Importländern zähle und sei deshalb ein begrüßenswerter Schritt. Da die StromverbraucherInnen für den Ökostrom aufkommen müssten, müsse man, wie sein Vorredner festgestellt habe, aber maßvoll und realitätsbezogen handeln und dürfe nicht überschießende Forderungen  stellen. Der Beitrag, den das Gesetz vorschlage, sei ein angemessener, die Vorschläge der Grünen aber "zu viel des Guten".

Bekenne man sich außerdem zum Ökostrom, müsse man sich auch zur Energiegewinnung aus Wasserkraft bekennen, die heute 85% der erneuerbaren Energien in Österreich ausmache. Die Photovoltaik, die die Grüne Fraktion dermaßen lobe, trage hingegen nur ein Tausendstel zu dieser Bilanz bei, erläuterte der Redner. Für ihn stand außer Frage, dass es einer Deckelung der Förderung bedürfe. In Hinblick auf die energieintensive Industrie müsse man vernünftige Entlastungen andenken, sonst exportiere man Arbeitsplätze und trage weiter zur Klimabelastung bei, schloss Bartenstein.

Die kritische Position der ÖVP in Hinblick auf die Photovoltaik konnte F-Mandatar Norbert HOFER nicht nachvollziehen: Ihm zufolge sei diese Technologie durchaus zukunftsträchtig. Österreich könne sich außerdem glücklich schätzen, denn es verfüge über alles, was man brauche, um energieautark zu werden. Um dieses Ziel bis 2015 zu erreichen, gelte es aber heute schon, die entsprechenden Weichen zu stellen, zeigte sich der Abgeordnete überzeugt. Derzeit finanziere man aber lieber "Scheichs und Oligarchen", die vom Ressourcenreichtum ihrer Staaten profitierten und damit andere beherrschten. Der "Energiehunger" der USA führe außerdem unweigerlich zum Krieg um Öl, schließlich hätte auch US-Präsident Barack Obama keine "Energiewende" herbeigeführt.

Was Österreich anbelange, dürfe es nicht mit dem Finger auf andere zeigen, wenn es selbst Atomstrom importiere. Das sei zutiefst unredlich, sagte Hofer. Der Weg, den man zu gehen habe, wäre jener der Energieautarkie, die sicherstelle, dass Österreich nicht beherrscht werde, sondern sich selbst beherrsche.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) ließ Wirtschaftsminister Mitterlehner wissen, es brauche immer dann eine Wende, wenn etwas in die falsche Richtung laufe. Das sei in der Energiepolitik der Fall, wie die heute von Seiten der Grünen vorgebrachten Daten, Zahlen und Fakten belegten. Ihre Fraktion fordere schließlich nicht mehr als eine leistbare Energieversorgung, die auf eigenen Ressourcen fußt und Arbeitsplätze schafft, resümierte Brunner. Die vorliegende Novelle zum Ökostromgesetz weise aber in eine andere Richtung. Statt die "Ökobranche" zu unterstützen, halte man am zentralen und fossilen Energiesystem fest und wische die Argumente für den Ausbau der weltweit anerkannten Photovoltaik vom Tisch. Was die Kosten anbelange, zeigte sich Brunner überzeugt, dass die KonsumentInnen bereit wären, diese für eine atomfreie Stromversorgung zu bezahlen. Das derzeit praktizierte System gehe schließlich ebenfalls mit finanziellen Belastungen einher, zumal die Nicht-Erreichung der Kyoto-Ziele Strafzahlungen nach sich ziehe. Das Ökostromgesetz strotze vor "Ungerechtigkeiten", schloss die Abgeordnete, es brauche aber ein "grünes Gütesiegel", um ernstgenommen zu werden.

Abgeordneter Robert LUGAR (B) warf Wirtschaftsminister Mitterlehner vor, im Bereich der Energiepolitik am Status quo festhalten zu wollen. Österreich verpulvere jedes Jahr 14 Mrd. € für Energieimporte aus dem Ausland, bemängelte er. Statt dem etwas entgegenzusetzen, sitze Mitterlehner "am Schoß der Energie-Lobby" und baue weiter auf fossile Energieträger. Selbst der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll habe das von Mitterlehner vorgelegte Ökostrom-Gesetz kritisiert. Mit diesem Gesetz werde Österreich das Kyoto-Ziel "nicht einmal ansatzweise erreichen", zeigte sich Lugar überzeugt. Auch die angestrebte Energieautarkie werde damit nicht umzusetzen sein.

Abgeordnete Petra BAYR (S) führte aus, die Länder, die auf Atomenergie setzten, hätten sich "verrannt". Atomenergie sei eine Energieform, die in Wahrheit nicht beherrschbar sei. Überdies komme es zu einer enormen Wettbewerbsverzerrung: im Grunde würden im Bereich der Atomkraft Gewinne privatisiert und Schäden vergemeinschaftet. Müssten Akw-Betreiber ihre Risiken versichern würde sich Atomstrom massiv verteuern. Bayr forderte in diesem Sinn einen europa- und weltweiten Atomausstieg.

In Bezug auf die österreichische Energiepolitik hob Bayr die Notwendigkeit hervor, mehr auf Energiesparen zu setzen und die Energieeffizienz zu steigern, um den jährlich steigenden Energieverbrauch "in den Griff zu kriegen". Außerdem braucht es ihr zufolge ein Ökostromgesetz, das erneuerbare Energieträger stärker fördere. Als "Schieflage" wertete es Bayr, dass kleine Haushalte überproportional viel für Ökostrom zahlen müssten.

Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) machte geltend, dass es sich beim von Wirtschaftsminister Mitterlehner vorgelegten Entwurf für ein Ökostromgesetz um eine noch nicht fertige Regierungsvorlage handle. Er erwartet sich intensive Verhandlungen darüber.

Generell hielt Schultes fest, Österreich könne von anderen Ländern nicht glaubwürdig einen Atomausstieg verlangen, wenn es selbst Atomstrom importiere. Seiner Ansicht nach ist es daher in den nächsten Jahren dringend geboten, auf intelligente Art Energie zu sparen, die Energieffizienz zu erhöhen und neue Quellen für die Erzeugung von österreichischem Strom zu erschließen. Schultes will dabei ebenso auf Biomasse und Fotovoltaik wie auf Wasserkraft und Windkraft setzen. Um Schwankungen bei der Energieerzeugung auszugleichen, benötigt man ihm zufolge außerdem einen Ausbau der Stromversorgungsleitungen.

Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) wertete das von Wirtschaftsminister Mitterlehner vorgelegte Ökostromgesetz als wenig zukunftsweisend. Es entspreche weder den Wünschen der Bevölkerung noch den Energiezielen der Regierung, sagte er. Überdies verabsäume es Mitterlehner, Impulse für die österreichische Wirtschaft zu setzen und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Mitterlehner werde sich anstrengen müssen, wolle er für das Gesetz die erforderliche Zustimmung einer Oppositionspartei.

Generell hielt Themessl fest, der Energiemarkt in Österreich funktioniere nicht. Die ÖsterreicherInnen zahlten im Vergleich zu Nachbarländern überhöhte Energiepreise. "Grundlegend falsch" ist es seiner Meinung nach zudem, die zusätzlichen Kosten für Ökostrom ausschließlich den privaten Haushalten aufzuerlegen.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) erklärte, die Regierung sei dabei, mit dem vorgelegten Ökostromgesetz "eine Riesenchance zu verschlafen". Anstatt ein "historisches Fenster" zu nutzen und die heimische Ökostrom-Branche zu forcieren, bringe Wirtschaftsminister Mitterlehner "kleinkrämerische Kostenargumente" vor, die noch dazu nicht stimmten, meinte er. Schließlich sei absehbar, dass fossile Energieträger aufgrund ihrer Knappheit tendenziell teurer würden. Koglers Ziel ist es dem gegenüber, Österreich bis zum Jahr 2015 von Atomstromimporten unabhängig zu machen und bis zum Jahr 2020 die heimische Energieerzeugung zu 100 Prozent auf erneuerbare Energieträger umzustellen.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) äußerte die Befürchtung, dass weder Österreich noch Europa das nach dem Akw-Unfall in Fukushima offene Fenster nutzen werden und ein Atomausstieg illusionär bleibe. Wenn Österreich international glaubwürdig sein wolle, müsse es stärker auf erneuerbare Energie setzen und Energieeffizienz forcieren, mahnte er. Schließlich könnten einer Studie zufolge 50 Prozent der Endenergie eingespart werden.

Mit dem vorgelegten Ökostromgesetz gehe Österreich hingegen "den Weg zurück in die Steinzeit", beklagte Widmann. Er selbst sprach sich dafür aus, den Förderdeckel für erneuerbare Energieträger abzuschaffen und Gewinne von Energiekonzernen in erneuerbare Energie zu investieren. (Fortsetzung Nationalrat/Ende Aktuelle Stunde)