Parlamentskorrespondenz Nr. 817 vom 15.09.2011

Internationaler Tag der Demokratie: Wolf Biermann im Parlament

Start des zweiten Teils der Veranstaltungsreihe "Vielfalt Demokratie"

Wien (PK) – Der 15. September wurde 2007 von den Vereinten Nationalen zum Internationalen Tag der Demokratie erklärt und 2008 erstmals begangen. Auch im österreichischen Parlament wird dieser Tag seither zum Anlass für besondere Veranstaltungen genommen. Nach kleinem Beginn steht heuer bereits zum zweiten Mal eine ganze Veranstaltungsreihe am Programm. Unter dem Titel "Vielfalt Demokratie" ist bis Ende Oktober eine Reihe von Vorträgen, Podiumsdiskussionen und anderen Veranstaltungen im Hohen Haus geplant. Zum Auftakt setzte sich heute der deutsche Liedermacher Wolf Biermann in einem musikalisch aufgelockerten Vortrag mit "Glanz und Elend der Demokratie" auseinander.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer betonte in ihrer Begrüßungsansprache, für sie sei es eine Selbstverständlichkeit, dass auch das Parlament den Internationalen Tag der Demokratie begehe, und zeigte sich über das Kommen von Wolf Biermann erfreut. Man müsse die Demokratie hochhalten, meinte sie in Anlehnung an einen kürzlich gehaltenen Vortrag von Ex-VfGH-Präsident Ludwig Adamovich, dürfe aber nicht verkennen, dass es auch anderer Werte wie Rechtsstaatlichkeit bedürfe. Einmal mehr gab Prammer überdies zu bedenken, dass Demokratie ohne Demokratinnen und Demokraten nicht existieren könne: hier sieht sie nicht nur die Politik, sondern die gesamte Bevölkerung gefordert.

Wolf Biermann wies in seinem Vortrag und einem anschließenden Gespräch mit der Journalistin Eva Weissenberger ("Kleine Zeitung") unter anderem darauf hin, dass er sich erst sehr spät mit der Demokratie angefreundet habe. Als Kind in ein "Kommunistennest" geboren, habe er zunächst gelernt, dass Demokratie ein "Schmarrn" sei, und sie später mit seinen Freunden als "Propagandalüge der Bourgeoisie zur Verschleierung der Ausbeutung" verachtet. Mittlerweile maße er sich nicht mehr an, eine bessere Regierungsform finden zu können.

Die Demokratie habe trotz manchen Elends einen unverkennbaren Vorteil, betonte Biermann: sie befördere den Frieden. Noch niemals in der Neuzeit hätten zwei Demokratien Krieg gegeneinander geführt. Als "Glanz" des demokratischen Staates bezeichnete er die geheimen und freien Wahlen, die es einem Volk ermöglichten, einen "Führer" loszuwerden, "ohne ihn totschlagen zu müssen".

Man dürfe die Demokratie aber auch nicht allzu romantisch und zu verklärt sehen, mahnte Biermann. Die Demokratie sei eine "unglaublich unbequeme Gesellschaftsform". Alle Leute hätten eine Stimme, auch "das stumpfsinnige Pack" könne wählen. Dies führe nicht zuletzt dazu, dass Politiker zu viele "ängstliche Überlegungen" anstellten, wiedergewählt zu werden, anstatt Probleme bestmöglich zu lösen. "Die Politiker tappen in Schuldenfallen", um ihre Wähler zu befriedigen, zeigte sich Biermann überzeugt. In diesem Sinn macht er für die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise auch nicht Spekulanten, sondern die Politik verantwortlich.

Gefragt nach seiner politischen Einstellung, betonte Biermann, dass er die Begriffe links und rechts für verbraucht halte. Es gebe "unglaublich rechte Linke und unglaublich linke Rechte". Für ihn sei Politik vor allem die Suche nach einer weniger schlechten Lösung. "Wer die Welt retten will, soll nicht in die Politik gehen, sondern ins Bett", formulierte er. Uneingeschränkt bekannte sich Biermann zum "Freiheitskrieg der Menschheit".

Die Veranstaltungsreihe "Vielfalt Demokratie" wird am 27. September anlässlich des Internationalen Weltgehörlosentags mit dem Stück "Signings" der Teatro-Barocco-Produktion fortgesetzt. Am 14. Oktober steht ein Vortrag des französischen Diplomaten und Schriftstellers Stephane Hessel am Programm, der mit seinem Buch "Empört Euch!" international für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Dazu kommen zahlreiche weitere Vorträge und Podiumsdiskussionen. Den Abschluss bildet der mittlerweile schon traditionelle "Tag der offenen Tür" am Nationalfeiertag. (Schluss)

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments (www.parlament.gv.at) im Fotoalbum.