Parlamentskorrespondenz Nr. 845 vom 27.09.2011

EU-Unterausschuss urgiert Einführung einer Finanztransaktionssteuer

Abgeordnete diskutieren Fragen der Ausgestaltung des EU-Budgets

Wien (PK) – Fragen betreffend die zukünftige Ausgestaltung des EU-Haushalts standen im Zentrum der heutigen Sitzung des EU-Unterausschusses des Nationalrats. Dabei diskutierten die MandatarInnen angeregt und durchaus kontrovers über die Vorstellungen der Europäischen Kommission in Hinblick auf eine Reform des Finanzierungssystems der EU. Grundlage für die Beratung bildeten die Teile I und II der Mitteilung der EK betreffend ein Haushalt für "Europe 2020", der Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2014-2020, der Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union sowie der Entwurf über die institutionelle Vereinbarung betreffend die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung.

In einem von SPÖ, ÖVP und Grünen unterstützten und mit ihren Stimmen auch angenommenen Antrag auf Stellungnahme wird die Bundesregierung unter anderem dazu aufgefordert, bei den Verhandlungen zum MFR 2014-2020 sowie den damit zusammenhängenden Rechtsakten dafür einzutreten, dass die laut Kommission geplante Finanztransaktionssteuer zur Entlastung der nationalen Haushalte und zur Vermeidung zukünftiger Krisen beiträgt. Eingeführt werden solle sie deshalb möglichst schon 2014. Des Weiteren sprechen sich SPÖ, ÖVP und Grüne in ihrem Antrag auch gegen die Einführung von Pauschalvergütungen zu Lasten Österreichs und für eine entsprechende Mittelausstattung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aus.

Die im Rahmen dieses Antrags formulierten Forderungen hielten jedoch alle drei Oppositionsparteien nicht für weitreichend genug. Ihrem Wunsch nach mehr Tiefe und konkreteren Formulierungen verliehen FPÖ, Grüne und BZÖ dabei mittels eigener Anträge auf Stellungnahme bzw. Ausschussfeststellung Ausdruck. Diese fanden jedoch nicht die erforderliche Mehrheit.

Vor Beginn der Sitzung des EU-Unterausschusses war der Hauptausschuss zu einer kurzen Sitzung zusammengetreten, um die Wahl neuer Mit- bzw. Ersatzmitglieder für den Ständigen Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union vorzunehmen. Einstimmig angenommen wurde in diesem Rahmen auch der Vorschlag, Abgeordnete Christine Marek zum Mitglied des Kuratoriums des Nationalfonds der Republik Österreich zu wählen. Sie übernimmt diese Funktion von Ursula Plassnik, die das Hohe Haus verlassen hat und nunmehr als österreichische Botschafterin in Paris tätig ist.

Diskussion über mehrjährigen Finanzrahmen 2014-2020 in vollem Gange

Da der geltende mehrjährige Finanzrahmen (MFR), der im Wege einer Interinstitutionellen Vereinbarung zwischen Europäischem Parlament, Rat und Europäischer Kommission beschlossen wurde, 2013 ausläuft, arbeiten die europäischen Institutionen bereits an der Vorbereitung eines neuen MFR mit Laufzeit von sieben Jahren.

Der diesbezügliche Vorschlag der Kommission sieht dabei insofern eine radikale Reform des Finanzierungssystems des EU-Budgets vor, als in Hinkunft ein beträchtlicher Teil dieses Budgets durch Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer und einer reformierten Mehrwertsteuerquelle bestritten werden soll. Zusätzlich strebt man an, das bisherige Rabatt- durch ein reines Pauschalvergütungssystem, das auch Österreich mitfinanzieren müsste, zu ersetzen. Die Förderregime bleiben dem Vorschlag der Kommission zufolge nahezu unverändert. Geht es nach der Kommission, so soll die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) jedoch ressourceneffizienter gestaltet werden. Außerdem schlägt sie vor, die Mittel für Forschung und Innovation, Bildung sowie zur Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen aufzustocken. Bedacht zu nehmen sei außerdem auf ein höheres Budget für den Bereich "Auswärtiges Handeln" und die Berücksichtigung umwelt- und klimapolitischer Prioritäten in allen Politikbereichen und Finanzierungsinstrumenten. Innerhalb des MRF schlägt die EK Mittel für Verpflichtungen in Höhe von 1.025 Mrd. € und Mittel für Zahlungen in Höhe von 972,2 Mrd. € vor. Das Europäische Parlament hält eine Erhöhung des EU-Haushalts um 5 % auf 1,11 % des BNE für erforderlich, um alle vereinbarten Ziele erreichen zu können.

Zur Festlegung des MFR ist nach Ratifizierung des Vertrags von Lissabon die einstimmige Erlassung einer diesbezüglichen Verordnung durch den Rat und ihre Annahme durch das Europäische Parlament erforderlich. Die technische Analyse der Vorschläge der Kommission hat auf Seiten des Rates jedoch erst begonnen. Über die Höhe des MFR und der Inklusion von Mitteln, die außerhalb des MFR veranschlagt sind, wurde bislang noch keine Einigung erzielt.

Österreich fordere in Hinblick auf das Gesamtvolumen eine Stabilisierung auf dem aktuellen Ausgabenniveau, informierte Staatssekretär Wolfgang Waldner. Den derzeit angeführten Rahmen halte man für zu hoch angesetzt: Das Verhandlungsergebnis müsse sich in Höhe und Struktur also noch deutlich vom gegenständlichen Vorschlag der Kommission unterscheiden. Man strebe schließlich eine bessere Verteilung statt eine Erhöhung der Mittel an. Österreich fordere außerdem die allumfassende und transparente Darstellung des MFR und übe deshalb Kritik an der Praxis der Herausrechnung von Instrumenten und Fonds. Neue Instrumente, wie "Project Bonds" sollten entsprechend überprüft und erst dann eingeführt werden, wenn man die bestehenden Werkzeuge einer Evaluierung und etwaigen Verbesserung zugeführt habe. Die angestrebte Überarbeitung des Rabatt-Systems sei in derzeitiger Form nicht annehmbar: Einer Korrektur des bestehenden Regimes werde man deshalb nur zustimmen, wenn sie nicht auf Kosten Österreichs gehe.

Positiv äußere man sich aber zur weiteren Verfolgung der Ziele der Europa-2020-Strategie und der Forderung nach Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die auf einem österreichischen Vorschlag basiere, informierte Waldner. Mit der angestrebten MFR-Laufzeit von sieben Jahren sei man außerdem einverstanden.

Kontroverse Diskussion im Ausschuss

Für S-Abgeordnete Christine Muttonen stand außer Frage, dass man derzeit zwei große Fragen zu beantworten habe: Zum einen sei zu definieren, welchen Herausforderungen man sich bis zum Jahr 2020 vordringlich stellen wolle, zum zweiten müsse man festlegen, wie viel Geld der EU zur Erfüllung dieser Aufgaben jährlich zur Verfügung stehe. Zur Erreichung des zentralen Ziels der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut durch Stärkung von Bildungsinitiativen brauche es schließlich auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung, meinte die Abgeordnete. Vom Konsolidierungskurs, den die Staaten Europas angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise einschlagen mussten, könne sich aber auch die europäische Ebene nicht ausnehmen, stand für Muttonen fest. Auch hier gelte es schließlich das vorhandene Einsparungspotential zu nutzen. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Teilfinanzierung des EU-Budgets hielt die Abgeordnete außerdem für den richtigen Weg und eine "lohnende Alternative" – eine Auffassung, der sich auch ihr Fraktionskollege Kai Jan Krainer gerne anschloss. S-Mandatar Michael Schickhofer erkundigte sich im Rahmen der Diskussion außerdem nach den angedachten Initiativen zur Belebung des Wirtschaftswachstums in Griechenland.

Auch die V-Mandatare Günter Stummvoll, Martin Bartenstein und Karl Donabauer zeigten sich überzeugt davon, dass der Weg der Konsolidierung, den die Nationalstaaten eingeschlagen haben, nicht vor der europäischen Ebene Halt machen dürfe. Dementsprechend gelte es auch Privilegien zu hinterfragen und gegebenenfalls abzuschaffen. Abgeordneten Ewald Stadler (B), der scharfe Kritik an der Brüsseler Bürokratie geübt hatte, ließ Bartenstein jedoch wissen, dass der Verwaltungsapparat der Europäischen Union nach wie vor kleiner sei als jener der Gemeinde Wien. Man befinde sich am Anfang eines schwierigen Wegs, räumten Stummvoll, Bartenstein und Donabauer ein, doch habe man mit dem heute eingebrachten Antrag auf Stellungnahme einen ersten Versuch unternommen, den diesbezüglichen Standpunkt Österreichs klar herauszuarbeiten. Angesichts der globalen Herausforderungen auf den Gebieten Wettbewerb, Energie, Klimaschutz und Außenpolitik brauche es in jedem Fall ein klares Bekenntnis zu einem Mehr an Europa, zeigte sich Stummvoll überzeugt. Dass das BZÖ den gegenständlichen Antrag nicht mittragen wolle, sei nicht, wie von Abgeordnetem Stadler (B) behauptet, auf seine Form zurückzuführen, stand für V-Mandatar Reinhold Lopatka fest: Man hätte schließlich jeden pro-europäischen Vorschlag abgelehnt, zeigte er sich überzeugt.

Den Optimismus der Regierungsfraktionen wollte F-Abgeordneter Johannes Hübner keineswegs teilen. Ihm zufolge bohre man mit dem gegenständlichen Antrag auch keine "harten Bretter", sondern produziere lediglich "Papierschnipsel". Um in die Verhandlung über den MFR 2014-2020 entsprechend vorbereitet eintreten zu können, bedürfe es jedoch klarer Forderungen und Grundsätze, wie sie die FPÖ in ihren Anträgen auf Stellungnahme formuliere. Darin spreche man sich eindeutig gegen eine Erhöhung des EU-Budgets und der österreichischen Beitragszahlungen sowie für gravierende Einschnitte bei der europäischen Bürokratie aus. Außerdem fordere man die Bundesregierung dazu auf, die Einführung direkter EU-Steuern zu verhindern: Die Etablierung einer Transaktionssteuer unterstütze man nur, wenn man sie zwar europäisch regle, aber auf nationaler Ebene einhebe. Die von SPÖ und ÖVP geforderte Bedachtnahme auf die Konsolidierungsbestrebungen der Mitgliedsstaaten werde von Seiten der Europäischen Union wohl vom Tisch gefegt, zeigte sich Hübner überzeugt: Schließlich entziehe sie sich selbst allen Sparzwängen, die sie den Nationalstaaten auferlege.

Abgeordneter Ewald Stadler (B) bezeichnete den Antrag, den SPÖ, ÖVP und schlussendlich auch Grüne unterstützten als "weich wie ein Wattebäuschchen". Man werde die Zustimmung verweigern und bringe deshalb einen eigenen Antrag auf Stellungnahme ein. Den Vorschlag der Europäischen Kommission, Instrumente aus dem MFR auszulagern, lehnte der B-Mandatar grundsätzlich ab: Schließlich manifestiere sich hier die Tendenz der EU, sich selbst aus Sparzwängen, die sie ihren Mitgliedsstaaten auferlege, auszunehmen. Mit dem gegenständlichen Vorschlag ermögliche man es ihr sogar, weitere Schulden einzugehen. Was die sogenannten Pauschalvergütungen für einige Länder anbelange, sei außerdem nicht einsehbar, warum Österreich dafür aufkommen solle. Die langjährigen Zugeständnisse an Großbritannien wären schließlich schon "Skandal" genug gewesen, konstatierte Stadler. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene hielt der B-Mandatar für einen richtigen Schritt. Angesichts der Tatsache, dass man sie erst für 2018 geplant habe, müsse es aber möglich sein, die gesamte EU und nicht nur die Euro-Zone einzubeziehen, schloss er.

Ein eindeutiges Bekenntnis der Bundesregierung zur europäischen Mission vermisste G-Mandatar Wolfgang Pirklhuber. So gelte es etwa, sich für die Umsetzung der Finanztransaktionssteuer stark zu machen und EK-Präsident Barroso in dieser Frage entsprechend zu unterstützen. Den Antrag der Regierungsfraktionen trage man mit, weil er in der Sache richtig sei, doch gehe er, was Tiefe und Prägnanz anbelange, noch nicht weit genug, weshalb auch seine Fraktion einen eigenen Antrag auf Stellungnahme einbringe. Darin spreche man sich unter anderem für die Unterstützung der Position des Europäischen Parlaments, den EU-Haushalt 2014-2020 um 5 % gegenüber 2013 zu erhöhen, aus. Nur so sei schließlich die Erreichung der gesetzten europäischen Ziele möglich, zeigte sich Pirklhuber überzeugt, der in diesem Zusammenhang auch die Einführung sogenannter "Öko-Steuern" forderte. In Übereinstimmung mit seinem Fraktionskollegen Werner Kogler mahnte der G-Mandatar außerdem eine mehrmalige und weitreichendere Diskussion der Materie ein. Schließlich stehe die Ratifizierung des ESM-Vertrags, der "besser werden müsse als der EFSF", noch bevor. (Schluss)