Parlamentskorrespondenz Nr. 888 vom 05.10.2011

RH-Ausschuss debattiert über Zukunft der Universitätsfinanzierung

Töchterle wirbt für Studiengebühren und Zugangsregelungen

Wien (PK) – Ein weiteres Thema des heutigen Rechnungshofausschusses war die Bewertung der Einhebung von Studiengebühren ab dem Wintersemester 2001/2002 und insbesondere die Auswirkungen der Neuregelung, die seit dem Sommersemester 2009 gilt. Hatten zuerst 91 % der Studierenden Studienbeiträge zu zahlen, so waren es seit der Neuregelung nur mehr 15 %. Gezahlt wird nun nach Überschreitung der beitragsfreien Zeit, falls kein Tatbestand zur Erlassung der Gebühren nachgewiesen wird. Der Rechnungshof befasste sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und den finanziellen Auswirkungen der Änderung der Studienbeiträge, beurteilte die Abwicklung der Studienbeiträge an vier ausgewählten Universitäten (Uni Graz, WU Wien, MedUnis Innsbruck und Wien) und verglich den Personalaufwand.

An die vom Rechnungshof festgestellten Sachverhalte knüpften sich Detailfragen der Abgeordneten an Bundesminister Töchterle und RH-Präsident Josef Moser, die in eine rege Diskussion der allgemeinen Sinn- und Zweckhaftigkeit von Studiengebühren überging. Bundesminister Karheinz Töchterle brachte dabei sein, wie er sagte, sozial ausgewogenes Modell von Studiengebühren ins Spiel und machte sich auch für Zugangsregelungen an den Universitäten stark. RH-Präsident Josef Moser wies darauf hin, dass Studiengebühren an Universitäten einen Hochschulplan, eine umfassende Kosten/Leistungsrechnung, strategische Vorgaben des Ministeriums und die Festlegung von Zielparametern brauchten. Der gegenständliche Bericht des Rechnungshofs (III-205 d.B. ) wurde nach lebhafter Diskussion einstimmig vertagt.

Im Prüfbericht finden sich Aussagen über die Auswirkungen der Einführung der Studiengebühren auf Studienindikatoren wie Prüfungsaktivität, Erfolgsquote und Studiendauer. Der Rechnungshof kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Einführung der Studiengebühren einen positiven Effekt auf die Prüfungsaktivität der Studierenden hatte und die Studiendauer sich verkürzte. Auch die Rate der Studienabschlüsse erhöhte sich merklich. Nach der Neuregelung der Studienbeiträge 2009 schlossen 70 % der Studierenden innerhalb der beitragsfreien Zeit ab, weitere 15 % konnten Befreiungsgründe geltend machen, wobei der Hauptgrund Erwerbstätigkeit darstellte. 

Ein signifikanter Anstieg ergab sich bei der Studienförderung mit der Einführung der Beitragsregelung für Studiengebühren nach 2001 und erreichten 2008 eine Summe von 199,5 Mio. €, nach 2009 ging das Volumen der Studienförderung aber nur gering zurück. Der Vollzug der Studiengebührenregelung brachte allerdings einige Probleme mit sich. Vor allem war die Rechtsgrundlage der Befreiung von Studienbeiträgen unstimmig. Die Regelung der Einhebung von Studiengebühren wurde deshalb unterdessen vom VfGH aufgehoben und ist nur mehr bis Februar 2012 anzuwenden.

Abgeordnete thematisieren den Sinn von Studiengebühren

An die vom Rechnungshof festgestellten Sachverhalte knüpfte sich Detailfragen der Abgeordneten an Bundesminister Karlheinz Töchterle und RH-Präsident Josef Moser, die in eine Diskussion der allgemeinen Sinn- und Zweckhaftigkeit von Studiengebühren übergingen.

Die erste Wortmeldung kam von Abgeordnetem Rosenkranz (F), der meinte, Studiengebühren könnten nur ein letztes Mittel der Universitätsfinanzierung darstellen. Zudem fallen bei ihrer Einhebung auch beträchtliche Verwaltungskosten an, der Bericht zeige zudem, dass diese an den einzelnen Universitäten sehr unterschiedlich und teilweise sehr hoch ausfallen. Abgeordneter Hermann Gahr (V) hob hervor, dass Studiengebühren eindeutig Steuerungseffekte haben und sich positiv auf Studienindikatoren auswirken. Es müsse eine offene Diskussion über Studiengebühren geben. Ein Studium an österreichischen Unis könne nicht ausschließlich durch die öffentliche Hand finanziert werden, stand für ihn fest. Die Abschaffung der Studiengebühren sei ein Fehler gewesen, nach dem Urteil des VfGH müsse zudem sehr bald eine Neuregelung gefunden werden. Er stellte an den Bundesminister die Frage, welchen Mix aus privaten und öffentlichen Beiträgen er sich für die finanzielle Ausstattung der Universitäten vorstelle.

Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) thematisierte die im Bericht angeführten Erfolgsindikatoren und meinte, dass keine direkte Relation zwischen der Einhebung von Studiengebühren und einem erfolgreichen Hochschulsystem bestehe. Es gebe sehr wohl erfolgreiche Länder, die ohne sie auskommen. Sie problematisierte weiters Zugangsbeschränkungen, die offenbar dazu führen, dass auch junge Menschen mit sehr guten Schulabschlüssen keinen Studienplatz erhalten. Hier zeichne sich bereits ein drohender brain drain aus Österreich ab. Sie erkundigte sich auch, wie die bereitgestellten 40 Mio. € an Offensivmitteln an den Universitäten eingesetzt würden.

Abgeordnete Christine Lapp (S) entnahm dem Bericht, dass die Einführung von Studiengebühren zuerst einen Rückgang der Studierendenzahlen bewirkt habe und fragte, wie die offenbar sehr unterschiedlichen Personalkosten an den Universitäten angeglichen werden könnten. Abgeordnete Martina Schenk (B) meinte, der Bericht lasse erkennen, dass die Abschaffung der Studiengebühren ein Fehler war.

Bundesminister Töchterle wirbt für sein Studiengebührenmodell

Bundesminister Karlheinz Töchterle verwies in seiner Beantwortung der Fragen der Abgeordneten darauf, dass nach dem Urteil des VfGh die bisherige Studiengebührenregelung obsolet sei. Man müsse daher in die Zukunft blicken und neue Modelle überlegen. Er selbst sei ein entschiedener Befürworter von Studienbeiträgen. Für sie spräche eine Reihe von Argumenten. Selbst niedrig angesetzt und sozial gestaffelt würden sie den Universitäten beträchtliche Zusatzmittel verschaffen. Mit dem richtigen Mix von öffentlichen Mitteln und Studiengebühren könnte das vereinbarte Ziel von 2 % des BIP für Wissenschaft und Forschung bis 2020 leicht erreicht werden. Weiters würden Studiengebühren mehr Verbindlichkeit im Studium schaffen, denn die Universitäten wären in die Pflicht genommen, entsprechende Qualität bereit zu stellen, und man würde zudem auch einen gewissen Steuerungseffekt erzielen. Drittens würde das Modell, das er sich vorstelle, sozial ausgewogen sein und mehr Gerechtigkeit schaffen.

Es sei ihm persönlich sehr wichtig, dass Studiengebühren nicht sozial selektiv wirkten. Ihm schwebe daher ein Modell vor, in dem die Einhebung der Studienbeiträge in der Autonomie der Universitäten liegen würde. Diese könnten Gebühren bis zu einem Maximum von 500 € einheben, aber auch darunter bleiben. Außerdem würde eine Reihe sozialer Erlasstatbestände geschaffen. Die Universitäten könnten mit Studierenden auch eine Stundung der Studiengebühren und Tilgungsvereinbarungen festlegen, ein Teil der Gebühren sollte außerdem in einen Sozialfond eingebracht werden.

Bundesminister Töchterle meinte außerdem, dass Zugangsregelungen unumgänglich seien. Er spreche bewusst nicht von Beschränkungen, doch müsse es die Möglichkeit geben, dem starken Zustrom in nur wenige Fächer entgegenzuwirken. Die angesprochenen 40 Mio. € an Offensivmitteln werden derzeit zur Bewältigung des besonders starken Zustroms der Studierenden aus Deutschlands eingestellt. Die mehrfach thematisierten unterschiedlich hohen Personalkosten bei der Studiengebührenverwaltung seien aus unterschiedlichen Bedingungen, die an den verglichenen Universitäten herrschten, erklärbar. Sollte die Unis selber Studiengebühren einheben können, wäre für sie ein weiterer Anreiz geschaffen, diese Kosten im eigenen Interesse gering zu halten, meinte Töchterle.

RH Präsident Josef Moser antwortete auf eine diesbezügliche Frage von Abgeordneter Lichtenecker, dass sich nach Einführung der Studiengebühren die Zahl der Erstabschlüsse auch in absoluten Zahlen gesteigert habe. Die Frage sei aber auch, wohin die zusätzlichen Mittel in den Universitäten geflossen seien. Die Betreuungs- und Habilitationsquote sei jedenfalls gesunken. Moser hielt fest, dass ein Hochschulplan fehle, der es erlauben würde, eine Übersicht über die Kosten der Leistungserbringung zu erhalten. Es fehlten strategische Vorgaben von Seiten des Ministeriums und die Festlegung von Zielparametern, wie etwa von Betreuungsrelationen. Studiengebühren müssten auf jeden Fall in Bezug zu den von den Uni erbrachten Leistungen gesetzt werden, betonte Moser.

In einer weiteren Diskussionsrunde stellte Abgeordneter Kurt Gaßner (S) an Bundesminister Töchterle die Frage, wieso Universitäten unterschiedliche Gebühren festlegen sollten, und wie das von ihm vorgeschlagene Modell soziale Bedürftigkeit definiere. Er sah auch EU-rechtliche Fragen bei Zugangsbeschränkungen für ausländische StudentInnen auftauchen, außerdem sei der zusätzliche Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen. Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) warf die Frage auf, wie man nach diesem Modell die Beiträge für berufstätige Studierende bemessen werde.

Bundesminister Karlheinz Töchterle verwies darauf, dass die Festlegung der Höhe der Studiengebühren Teil der Autonomie der Universitäten sei. Kriterien sozialer Bedürftigkeit seien bereits jetzt im Stipendiensystem definiert. Was höhere Gebühren für ausländische Studierend betreffe, so präzisierte der Minister, es gehe hier vor allem um Studierende aus entwickelten Drittstaaten. Es sei nicht einzusehen, warum Österreich Studierenden aus diesen Ländern eine gute Ausbildung gratis bereitstellen sollte. Fachhochschulen dürften hier bereits höhere Studiengebühren einheben. Was berufstätige Studierende angehe, so gebe es zum Beispiel die Möglichkeit, Gebühren an die erworbenen ECTS-Punkte zu knüpfen, beziehungsweise würde es in der Autonomie der Universitäten liegen hier entsprechende Sonderpakte für Berufstätige anzubieten. 

Unterausschuss-Bericht zu ÖBB-Spekulationsverlusten am Weg ins Plenum

Vor dem Hintergrund dramatisch zunehmender Schulden der ÖBB - 2011 steigen deren Verbindlichkeiten um 2,2 Mrd. € auf 20,6 Mrd. € - befasste sich der Rechnungshofausschuss heute mit dem Bericht seines Ständigen Unterausschusses über Spekulationsgeschäfte bei den ÖBB, kostspielige externe Beraterverträge, großzügige und zweifelhafte Bonuszahlungen sowie "Golden Handshakes" für Manager, nicht berücksichtigte Empfehlungen des Rechnungshofes sowie mit RH-Kritik an Versäumnissen beim ÖBB-Beschaffungswesen. Zu dem im Unterausschuss mit S-V-Mehrheit beschlossene Bericht kündigte Abgeordnete Gabriela Moser (G) einen Minderheitenbericht und BZÖ-Abgeordneter Gerald Grosz eine abweichende Stellungnahme an. Alle diese Unterlagen werden dem Nationalratsplenum zur Debatte übermittelt, beschloss der Rechnungshofausschuss einhellig.

In einer kurzen Debatte erinnerte Abgeordnete Gabriela Moser (G) zunächst an den Bericht des Rechnungshofes , der den Ausgangspunkt für die Arbeit des Unterausschusses bildete und sah dessen Feststellungen "mehr als erhärtet" an. Die nunmehrige Faktenlage unterstreiche die Forderung des Rechnungshofes an das Verkehrsressort und an die ÖBB, aktienrechtliche Konsequenzen gegenüber den verantwortlichen ÖBB-Managern zu ziehen. Auch SPÖ- und ÖVP-Abgeordnete seien im Unterausschuss fassungslos gewesen angesichts der geringen Risikoverantwortung der ÖBB-Führung, die dazu geführt hat, dass in diesem Unternehmen Verluste von 300 Mio. € infolge von Spekulationsgeschäften abgeschrieben werden mussten, merkte die Rednerin an. Überaus kritisch Ergebnisse habe die Arbeit des Unterausschusses auch beim Thema Erwerb der MAV-Cargo zutage gefördert, hielt Abgeordnete Moser fest und kündigte einen Minderheitenbericht ihrer Fraktion an.

Abgeordneter Gerald Grosz (B) sprach von einem ÖBB-Skandal, der eigentlich einen klassischen Anlass zur Einsetzung eines Untersuchungsausschuss biete. Dort müssten die Auskunftspersonen nämlich unter Wahrheitspflicht aussagen, was im Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses bedauerlicherweise nicht der Fall sei. "Diese Republik braucht einen permanenten Anti-Korruptions-Untersuchungsausschuss", stellte Grosz fest, kritisierte den Mehrheitsbericht von SPÖ und ÖVP als ungenügend und forderte strafrechtlicher Konsequenzen aus den Erkenntnissen bei den ÖBB-Spekulationsgeschäften und beim Erwerb der MAV Cargo. Grundsätzlich müssten die ÖBB entpolitisiert werden, um künftig auszuschließen, dass dort Parteisoldaten versorgt werden, die nirgendwo sonst in der Wirtschaft einen Job bekommen würden. Für das BZÖ legte Grosz eine Abweichende Stellungnahme zum Bericht des Unterausschusses vor.

Abgeordneter Erwin Horneck (V) beklagte die dramatische Verschuldungsentwicklung bei den ÖBB, die vor gewaltigen finanziellen Herausforderungen stehen. Die ÖBB müssten ihr Hauptaugenmerk auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg und den Kunden-Service legen, um das Unternehmen für die Zukunft abzusichern. "Die Zeit der Schönfärberei bei den ÖBB ist jedenfalls vorbei", sagte Horneck. Hinsichtlich der Finanztransaktionsgeschäfte sprach der Abgeordnete von "Zauberlehrlingen", die sich nach dem Versuch, durch Cross-Border-Leasing Steuervorteile im Ausland für die ÖBB zu lukrieren, aus Mangel an Kompetenz dem Trugschluss hingegeben haben, mit CDO-Geschäften risikolos Gewinne erzielen zu können. "Dies ist in höchsten Masse bedenklich", sagte Horneck. Den Ankauf der ungarischen MAV-Cargo hielt Horneck strategisch für verständlich, die Vorgangsweise und die Form der Beauftragung von Beratern habe sich aber ebenfalls als bedenklich herausgestellt. Irritiert zeigte sich der Abgeordnete durch die Absicht der ÖBB, hunderte Unternehmen wieder zu verkaufen.

Abgeordnete Christine Lapp (S) berichtete von der überaus fleißigen Arbeit des Ständigen Unterausschusses, die von Fachleuten des Hauses bestens unterstützt worden sei. Schwammige Vorgaben aufgrund einer mißglückten Organisation- und Strukturreform haben in Verbindung mit leichtfertig handelnden Verantwortungsträgern großen wirtschaftlichen Schaden für das Unternehmen gebracht, stellte die Rednerin fest. Neuerdings seien die ÖBB aber sehr gut aufgestellt. Das Unternehmen werde verantwortungsvoll gemanagt, es gelte ein strenger Code of Conduct und außerdem sei bei den ÖBB eine Anti-Korruptionsstelle eingerichtet worden.

Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) warf den Koalitionsparteien "Vernebelungstaktik" bei den ÖBB vor, einem Unternehmen, das pro Jahr mit 6 Mrd. € an Steuergeldern subventioniert werde. Bei der Arbeit des Unterausschusses an der Aufklärung der verlustreichen Spekulationsgeschäfte habe sich herausgestellt, dass es notwendig sei, für Auskunftspersonen nicht nur in einem Untersuchungsausschuss, sondern auch im Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses die Wahrheitpflicht einzuführen. Außerdem sollte der Ausschuss die Möglichkeit haben, Auskunftspersonen nicht nur ein-, sondern auch vorzuladen. (Schluss)