Parlamentskorrespondenz Nr. 355 vom 02.05.2012

Ein starkes Plädoyer für eine neue Rolle des Bundesrates

Studie zum Zweikammersystem in Italien und Österreich präsentiert

Wien (PK) – Bundesratspräsident Gregor Hammerl lud heute Nachmittag zu einer Buchpräsentation in den Sitzungsaal des Bundesrates ein. Vorgestellt wurde die umfangreiche Studie "Der Senat der Italienischen Republik und der Bundesrat der Republik Österreich – Ein rechts- und politikwissenschaftlicher Vergleich" des jungen Juristen Martin C. Wittmann. Die Ausführungen des Autors in seiner bemerkenswerten und mehrfach ausgezeichneten Dissertation seien ein nützlicher Beitrag zur Debatte über die Reform des parlamentarischen Systems, meinte Hammerl. Angesichts aktueller Forderungen nach einer Verkleinerung von Nationalrat und Bundesrat sei die Frage nach der zukünftigen Rolle des Bundesrates von höchster Aktualität.

Univ.-Prof. Wolfgang Mantl (Karl-Franzens-Universität Graz) widmete seine Ausführungen dem Zustand des Parlamentarismus, der in der öffentlichen Wahrnehmung durch einen Legitimationsverfall gekennzeichnet sei. Dahinter stehe eine Krise der traditionellen Großparteien und des professionellen Politikerberufs. Es sei daher unumgänglich, ein neues Gleichgewicht von repräsentativer und direkter Demokratie zu finden. Dies müsse unter Einbeziehung neuer technischer Möglichkeiten zur Herstellung von Öffentlichkeit und Transparenz erfolgen und die Zivilgesellschaft einbeziehen. Hierbei könne auch der Bundesrat seine neue Rolle finden, meinte Mantl.

Univ.-Doz. Peter Bußjäger (Direktor des Instituts für Föderalismus, Innsbruck) wies auf die schon Jahrzehnte andauernde Debatte über eine Reform des Bundesrats hin, die sich aber ebenso lange schon im Kreis drehe. Bußjäger plädierte für einen "Pilotversuch" zur Erweiterung der Kompetenzen des Bundesrates. Eine solche Erweiterung müsse im Kontext einer grundlegenden Neuverteilung der Kompetenzen von Bund und Ländern stehen. Diese Neuordnung sei die Schlüsselfrage einer Staatsreform, zu der der Österreich-Konvent Vorschläge erarbeitet habe.

Der Autor der Studie Martin C. Wittmann erläuterte, dass die zweiten Kammern Italiens und Österreichs hinsichtlich ihrer Stellung, ihrer Aufgaben und Befugnisse äußerst unterschiedlich seien. In Italien bestehe bis heute ein perfekter Bikameralismus, während die Kompetenzen des Bundesrates traditionell schwach ausgeprägt seien. Sinn und Zweck der zweiten Kammer des Parlaments würden dabei in beiden Ländern seit langem diskutiert, Reformen nur langsam umgesetzt.

Eine neue Richtung erhalte die Reformdiskussion durch die aktuelle Wirtschafts- und Schuldenkrise. Den Entscheidungsträgern werde abverlangt, effizienzsteigernde Maßnahmen auch in den staatlichen Institutionen zu setzen. Wittmann plädierte hier für eine Aufwertung des Bundesrates durch eine neue Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, und erläuterte die Maßnahmen, die gesetzt werden müssten, um ihm ein größeres Mitwirkungsrecht bei Bundesgesetzen, die Länderinteressen berühren, einzuräumen. Das würde vor allem wesentliche Änderungen der Ressourcenausstattung, der Organisation und der Arbeitsweise des Bundesrates bedeuten.

Die Studie "Der Senat der Italienischen Republik und der Bundesrat der Republik Österreich – Ein rechts- und politikwissenschaftlicher Vergleich" von Martin C. Wittmann ist im Braumüller Verlag erschienen und zum Preis von 58 € im Buchhandel erhältlich. (Schluss)

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments (www.parlament.gv.at) im Fotoalbum.