Parlamentskorrespondenz Nr. 379 vom 10.05.2012

Prammer: Vom Populismus zur Demagogie ist es nur ein kleiner Schritt

Internationale Fachtagung im Palais Epstein zum Thema Populismus

Wien (PK) – "Populismus. Herausforderung oder Gefahr für die Demokratie?" – Unter diesem Titel findet heute und morgen eine internationale Fachtagung im Palais Epstein statt. Auf Einladung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und dem Sir Peter Ustinov Institut diskutieren internationale WissenschafterInnen unter anderem über Begriffsdefinition, Sprache und Strategien des Populismus und die Erosion traditioneller Parteien. Einzelne Referate widmen sich verschiedenen populistischen Parteien in Europa wie der ungarischen Jobbik und der Schweizer Volkspartei. Unter dem Titel "Verfassungsbogen gegen Rechtspopulismus" findet heute Abend eine Paneldiskussion zum Beispiel Österreich mit dem ehemaligen Nationalratspräsidenten Andreas Khol, Ex-Außenminister Erwin Lanc, der langjährigen Chefin des Liberalen Forums Heide Schmidt und Volksanwältin Terezija Stoisits statt.

Zum Auftakt der Fachtagung erinnerte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer daran, dass ein Politiker einmal sagte, er sei stolz darauf, dass man ihn einen Populisten nenne. Populismus sei aber nicht Volksverbundenheit, sondern eine Politik, die zwar Emotionen befriedige, aber nicht zu rechtfertigen sei, betonte sie. Jeder Politiker, jede Politikerin erachte es für notwendig, Sachverhalte zu vereinfachen, man dürfe "die rote Linie" aber nicht überschreiten, schließlich sei es vom Populismus nur noch ein kleiner Schritt zur Demagogie.

Prammer ist überzeugt, dass es Ziel einer verantwortungsvollen Politik sein muss, Emotionen zu dämpfen und alles daran zu setzen, Feindbilder nicht zu bedienen. Für sie geht es auch um die Fragen: "Hat die Mehrheit alle Rechte dieser Welt?", "Kann eine Mehrheit uneingeschränkt über eine Minderheit bestimmen?" Demokratie könne auch autoritär sein, wenn sie von Sachlichkeit abweiche, warnte Prammer, man müsse immer auch Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung im Fokus haben.

Die Politik alleine könne aber nicht darüber bestimmen, was in einer Demokratie erlaubt sei und was der Anstand gebiete, machte Prammer geltend. Es brauche auch mündige und verantwortungsbewusste BürgerInnen. Nur sie könnten garantieren, dass das rationale Element der Demokratie die Oberhand behalte.

Friedrich Gehart, Vorstand des Sir Peter Ustinov Instituts, wies darauf hin, das Institut sehe es als seine Aufgabe, gesellschaftliche und politische Entwicklungen zu analysieren. So habe man sich in den letzten Jahren besonders mit Rassismus und Fundamentalismus befasst. Nun greife man das Phänomen Populismus auf. Populismus schüre Ängste, nütze soziale Probleme aus und warte mit scheinbar simplen Lösungen auf, gab Gehart zu bedenken. Populismus verschärfe bestehende Konflikte, die Suche nach einer sachlich besten Lösung bleibe dabei häufig auf der Strecke.

Zu den Referenten des heutigen Tages gehören der wissenschaftliche Leiter der Fachtagung Anton Pelinka ("Populismus – zur Konjunktur des Begriffs"), Reinhard Heinisch ("Populismus in Amerika und Europa – ein Vergleich"), Klaus von Beyme ("Der Rechtspopulismus, die Dominanz der Mediengesellschaft und die Erosion der Parteien"), Eckhard Jesse ("Der Linkspopulismus am Beispiel der deutschen 'Linken'"), Markus Wilp ("Säkulärer (Aufgeklärter?) Populismus – das Beispiel der niederländischen Freiheitspartei?") und Hans-Georg Betz ("Populismus an der Macht – das Beispiel der Schweizer Volkspartei").

Morgen referieren Michal Krzyzanowksi ("Rechtspopulismus und Politischer Katholizismus – das Beispiel der polnischen PiS"), József Bayer ("Rechtspopulismus ist gleich Rechtsextremismus? Das Beispiel der ungarischen Jobbik"), Martin Reisigl ("Die Sprache des Populismus") und die einzige Frau in der Runde der WissenschafterInnen, Britta Schellenberg ("Strategien des Populismus").

Die Fachtagung will, wie es in der Einladung heißt, nicht nur aufzeigen, wo und wie sich Populismus manifestiert, und die BürgerInnen verstärkt für das Thema Populismus sensibilisieren, sondern auch Antworten auf die Frage finden, inwieweit sich der zunehmende Einfluss populistischer Parteien auf die Fähigkeit demokratischer Einrichtungen auswirkt, konstruktive, gerechte und zukunftsweisende Lösungen für aktuelle und künftige Probleme zustande zu bringen. "Wie sollen sich Menschen und Organisationen, die sachliche Lösungen erreichen wollen, in einem von Populismus geprägten politischen Umfeld verhalten?", so eine der konkreten Fragestellungen. (Schluss)

HINWEIS: Fotos von der Fachtagung finden Sie – etwas zeitverzögert – auf der Website des Parlaments (www.parlament.gv.at) im Fotoalbum.