Parlamentskorrespondenz Nr. 563 vom 28.06.2012

UVP-Novelle soll Umweltverträglichkeitsprüfungen beschleunigen

FPÖ, Grüne und BZÖ aus unterschiedlichen Gründen ablehnend

Wien (PK) – Nach der Debatte über die Umweltförderungen des Bundes im Jahr 2011 wandten sich die Mitglieder des Umweltausschusses einer umfangreichen und inhaltlich weitgespannten Tagesordnung zu. Im Zentrum stand eine Novelle zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz und zum Luftfahrtgesetz (1809 d.B.), die der Ausschuss nach einer lebhaften Debatte mit Experten und nach Berücksichtigung eines SV-Abänderungsantrages dem Plenum mit der Mehrheit der Koalitionsparteien zur Annahme empfahl. Die Novelle bringt eine UVP-Pflicht für die Förderung von Schiefergas, Sonderregelungen für Gewerbeparks und Städtebauvorhaben sowie die Möglichkeit einer freiwilligen UVP. Von der Verbesserung der Teilkonzentrationen für Bundesstraßen und Eisenbahn-Hochleistungsstrecken sowie praktikableren Regeln für Wasserkraft- und Windkraftanlagen und zur Änderung von Verkehrsvorhaben erwartet sich Umweltminister Nikolaus Berlakovich effizientere und raschere Verfahren. Bei Flughafen-Projekten werden Enteignungsregelungen an das Bundesstraßengesetz angepasst. Ein neues Beschwerderecht für Umwelt-NGOs gegen negative UVP-Feststellungsentscheide soll einem EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der Aarhus-Konvention durch Österreich entgegenwirken. Dazu lagen dem Ausschuss ein weitergehender Antrag der Grünen (1977/A(E)) vor. Dieser Antrag blieb wie der G-Antrag 1829/A (UVP-Pflicht für Schiefergasförderung) und der G-Antrag 1827/A für ein Fracking- und Schiefergasabbau-Verbot in der Minderheit. Ein weiteres Thema war die vollständige Umsetzung der Aarhus-Konvention, dem sich der BZÖ-Antrag  1947/A(E) und der G-Antrag 1979/A(E) widmeten. Beide blieben bei der Abstimmung in der Minderheit. Ein Ressortbericht mit aktuellen Daten über UVP-Verfahren wurde vom Ausschuss mit S-V-F-G-Mehrheit enderledigt (III-335 d.B.).

Novelle zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz

Bei der Behandlung des aktuellen Berichts über die Umsetzung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes zeigte sich Minister Berlakovich stolz darauf, dass es in den letzten Jahren gelungen sei, die Dauer der UVP-Verfahren im Durchschnitt um vier Monate zu verkürzen.

Abgeordnete Gabriele Moser (G) sprach von einem aussagekräftigen Bericht, klagte aber über die im Vergleich zu den Feststellungsverfahren geringe Zahl an UVP-Verfahren und machte darauf aufmerksam, dass die Nichtzulassung von UVP-Verfahren zu höheren CO2-Emissionen und zur Nichteinhaltung der Kyoto-Ziele beitrage. Kritik übte Moser daran, dass das "Skylink"-Projekt ohne UVP genehmigt wurde und nun nach der einer Mahnung von Seiten der EU im Nachhinein ein UVP-Blankocheck für dieses Projekt ausgestellt werden soll. Auf die Forderung Mosers, UVP-Verfahren bei mittleren und großen Projekten sicherzustellen, reagierte der Umweltminister mit dem Hinweis auf den vorliegenden Entwurf zur Novellierung des UVP-Gesetzes, dessen Sinn es sei, die Verfahren zu vereinfachen und zu verkürzen.

In einem Expertenhearing zur UVP-Gesetznovelle erläuterte zunächst Ursula Zechner die Notwendigkeit, Enteignungsbestimmungen für Projekte einzuführen, mit denen Auflagen erfüllt werden, die aus UVP-Verfahren resultieren.

Waltraud Petek informierte die Abgeordneten über die geplanten Verbesserungen im UVP-Gesetz für städtebauliche Projekte, die bessere Konzentration des Verfahrens bei Verkehrsvorhaben, den Entfall der Einzelfallprüfung und der Parteienstellung mitwirkender Behörden im Feststellungsverfahren und über neue Rechte für NGOs bei negativen Feststellungsverfahren sowie über den künftigen Tatbestand "Schiefergas-Fracking inklusive Probebohrungen". Bei kleinen Windkraftanlagen wird die UVP künftig entfallen können, erfuhren die Abgeordneten.

Fritz Binder-Krieglstein schilderte die schweren Umweltschäden, die der Schiefergasabbau mittels Fracking etwa in den USA verursache, und warnte davor, diese Abbaumethode UVP-fähig zu machen. Bei dem von der OMV in Aussicht gestellten "Öko-Fracking" bestünden zahlreiche technische und ökonomische Fragen. Als Experte riet Binder-Krieglstein zu einem Fracking-Verbot.

Johann Raunikar wandte sich dagegen, BürgerInnen im UVP-Verfahren als "Verhinderungspotential" zu betrachten und wies darauf hin, dass es die BürgerInnen seien, die die Auswirkungen der Projekte zu ertragen haben, um die es im UVP-Verfahren gehe. Es seien die BürgerInnen, die durch Einwendungen und Beiträge zum Verfahren vielfach zur Qualität der Entscheidungen beitragen. Raunikar empfahl daher, auch betroffenen BürgerInnen jene Rechte zu geben, die die vorliegende UVP-Gesetznovelle NGOs einräume.

Thomas Alge stimmte der Zielsetzung zu, die Effizienz von UVP-Verfahren zu steigern und das Beschwerderecht der NGOs zu erweitern, wie dies EU-rechtlich geboten war. Alges Kritik galt aber zugleich unklaren Formulierungen zur Wahrnehmung des neuen Überprüfungsrechts. Außerdem fehle das Recht der NGOs auf einen Feststellungsantrag, und zwar nicht erst nach Ablehnung eines Verfahrens. Es wäre einfacher gewesen, NGOs Parteienstellung einzuräumen. Mehr Rechtsschutz für NGOs schade nicht dem Investitionsklima, das zeige das Beispiel Deutschlands, gab der Experte zu bedenken.

Die Abgeordneter Hermann Schultes (V) und Hannes Weninger (S) legten in der Debatte einen Abänderungsantrag zum Regierungsentwurf vor, der darauf abzielt, bei Starkstromfreileitungen die dauerhafte Entlastung von Nachbarn von Lärmimmissionen insofern zu berücksichtigen, als beim Neubau eines Übertragungsnetzes der Saldo von Demontage und Neubau zu einer Entlastung führen müsse. Eine Ausschussfeststellung hielt fest, dass die Gewerbebehörde auch bei Vorliegen eines Überprüfungsantrages materiengesetzliche Genehmigungsanträge ohne Aufschub behandeln soll.

Abgeordneter Hannes Weninger (S) wies in seiner Wortmeldungen Unterstellungen gegenüber Behörden und die Behauptung, BürgerInnen würden in Österreich unter Projekten leiden, zurück und sprach sich entschieden dafür aus, das UVP-Verfahren zu verbessern, NGOs stärker einzubeziehen und – wie beim Thema Schiefergas – positiv weiter zu entwickeln. Außerdem bekannte sich Weninger zum Flughafen Schwechat der einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt in der Ostregion darstellt.

Abgeordnete Christiane Brunner (G) registrierte Verbesserungen und Verschlechterungen in dem vorliegenden Novellenentwurf, der mit einer kurzen Begutachtung ohne Bürgerbeteiligung erstellt wurde. Eine Differenzierung zwischen NGOs, BürgerInnen und NachbarInnen wäre wichtig, weil diese Gruppen unterschiedliche Sichtweisen einbringen können. Bürgerinitiativen sollte man finanziell ausstatten, um ihnen die Teilnahme an UVP-Verfahren zu erleichtern. Beim Thema Schiefergas unterstrich Brunner das Eintreten ihrer Partei für ein Fracking-Verbot.

Auch Abgeordnete Gabriele Moser (G) registrierte Verbesserungen, übte aber heftige Kritik an Verschlechterungen beim Gesundheitsschutz für AnrainerInnen von Verkehrsanlagen und kritisierte die geplante Ausweitung von Enteignungstatbeständen.

Abgeordneter Werner Neubauer (F) hielt fest, dass die Bürgerbeteiligung zur Verbesserung von Behördenverfahren beitrage, bekundete aber zugleich sein Vertrauen in die Behörden und erinnerte daran, dass für Fehler der Behörden Berufungsmöglichkeiten und ein entsprechender Instanzenzug vorgesehen sei.

Abgeordnete Martina Schenk (B) hielt es für positiv, dass Schiefergasbohrungen künftig der UVP unterliegen, sprach aber von einer "Husch-Pfusch-Gesetzgebung" aus Anlass der Probleme beim Flughafen Wien. Außerdem problematisierte die Rednerin die Möglichkeit, das Stauziel bei Wasserkraftwerken ohne UVP zu erhöhen.

Abgeordneter Hermann Schultes (V) erinnerte daran, dass die vorliegende UVP-Gesetz-Novelle aus dem Dialog mit vielen Betroffenen entstanden sei und dem Ziel diene, die Effizienz der Verfahren zu verbessern, um Investoren die Möglichkeit zu geben, in einer vernünftigen Zeit zu einer Entscheidung über ihr Projekt zu gelangen - dem diene insbesondere auch die Möglichkeit einer freiwilligen UVP. Zugleich werde die Bürgerbeteiligung verbessert und beim Thema Schiefergas die Menschen und ihr Lebensraum geschützt.

Bundesministerin Doris Bures erklärte die Harmonisierung der Enteignungsvorschriften bei Luftfahrtprojekten mit den Regelungen für Straßen- und Schienenvorhaben und erinnerte daran, wie sorgfältig und behutsam mit dem Enteignungsrecht in Österreich umgegangen werde. Die Novelle bringe keine Verschlechterungen beim Schutz von Anrainern bei Verkehrsprojekten, hielt die Ministerin fest. Abgeordnetem Werner Neubauer teilte Doris Bures mit, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung für das Bahnprojekt Linz-Leonding Ende des Jahres eingereicht werde.

Bundesminister Nikolas Berlakovich betonte das Ziel der Novelle, UVP-Verfahren zu beschleunigen und bezeichnete es dabei als notwendig, dass die Länder ihre Behörden ausreichend mit Personal ausstatten. Die Einbeziehung von Schiefergas-Probebohrungen in die UVP-Pflicht sei wichtig, sagte der Umweltminister und sprach von einem klangbaren Weg zur Beschleunigung von Behördenverfahren bei gleichzeitiger Stärkung der Bürgerrechte. Die Sorge der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill (G), bis zum Inkrafttreten der Novelle hätte die OMV noch Gelegenheit, sich einen Schiefergasabbau ohne UVP genehmigen zu lassen, zerstreute der Minister mit dem Hinweis darauf, dass die OMV das herkömmliche Fracking-Verfahren nicht anwenden wolle und diesbezüglich keinen Antrag stelle.

Abgeordneter Franz Hörl (V) sprach von einem guten Kompromiss, der weiter zu entwickeln sei, brach eine Lanze für die Beschleunigung der UVP-Verfahren und erläuterte dabei die Kritik der Wirtschaft am Ausbau der Parteienrecht im Feststellungsverfahren.

Abgeordneter Harald Jannach (F) warnte davor, den Wirtschaftsstandort Österreich durch übertriebene Bürgerbeteiligung im Genehmigungsverfahren zu schädigen.

FPÖ-Anträge zum Thema Atomkraft 

Schließlich behandelte der Ausschuss noch eine Reihe von Oppositionsanträgen. Kritik an unzulänglichen UVP-Verfahren bei der Erweiterung der grenznahen AKW Temelin und Mochovce und die Aufforderung an die Bundesregierung, sich massiv für die Sicherheit der Menschen in Österreich einzusetzen, enthält Antrag 1146/A[E] des FPÖ-Abgeordneten Werner Neubauer. Die Koalitionsparteien vertagten diesen Antrag im Hinblick auf die Verhandlungen um einen Fünf-Parteien-Antrag zum Thema Atomstrom. Ebenso vertagt wurde das Verlangen des FPÖ-Abgeordneten Werner Neubauer auf Versorgung aller Bundesgebäude mit Ökostrom (1518/A(E)).

Umweltminister Nikolas Berlakovich erklärte Abgeordnetem Werner Neubauer, dass Österreich Beschwerde wegen der Nichteinhaltung von EU-Vorschriften bei UVP-Verfahren führe und dabei erwarte, dass die Bedenken Österreichs wegen offener Sicherheitsfragen berücksichtigt werden. - Die Vertagung erfolgte auf Antrag von Abgeordnetem Johann Rädler (V).

FPÖ für Elektrotankstelle beim Parlament

Auf Investitionen in die Infrastruktur für Fahrzeuge mit Elektroantrieb drängte FPÖ-Abgeordneter Werner Neubauer. Konkret schlug Neubauer vor, beim zentral gelegen Parlamentsgebäude, das über eine Photovoltaikanlage auf dem Dach verfügt, eine Elektro-Ladestation einzurichten (1254/A[E]). – Vertagung mit S-V-Mehrheit auf Antrag des Abgeordneten Nikolaus Prinz (V).

BZÖ für Novellierung der Verpackungsverordnung

Das BZÖ wiederum hielt eine Novelle zur Verpackungsverordnung für notwendig, um für freien Wettbewerbs bei haushaltsnahen Sammelsystemen zu sorgen und die Monopolstellung der ARA (Altstoff Recycling Austria) zu überwinden (1737/A[E]), wie Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ) argumentierte. – Vertagung auf Antrag des Abgeordneten Peter Stauber (S), der auf die Vorbereitung einer Novelle zur Verpackungsverordnung hinwies.

Grüne für Förderung von Mehrwegflaschen

Mit ihrem Antrag 1645/A brach G-Abgeordnete Christiane Brunner eine Lanze für die Förderung des Mehrweganteils bei Getränkeverpackungen und wies dabei auf das Prinzip der Abfallvermeidung hin, der im europäischen und österreichischen Abfallrecht oberste Priorität noch vor dem Recycling und der stofflichen Verwertung zukommt. Ein Abweichen von diesem Prinzip sei im Fall der Getränkeverpackungen nicht zulässig, da die Vorteile von Mehrwegsystemen außer Frage stünden, argumentierte die Antragstellerin. – Vertagung auf Antrag des Abgeordneten Franz Hörl (V). (Schluss)