Parlamentskorrespondenz Nr. 827 vom 24.10.2012

Sportförderung: Projektförderung statt Gießkannenprinzip

Darabos im Sportausschuss des Nationalrats

Wien (PK) - Der Sportausschuss widmete seine heutige Sitzung einer Aktuellen Aussprache zu Fragen des Sports in Österreich. Den aktuellen Anlass bot der nun in Begutachtung gegangene Ministerialentwurf zu einem neuen Bundes-Sportförderungsgesetz, wozu Bundesminister Norbert Darabos den Ausschussmitgliedern für Auskünfte zur Verfügung stand. Im Mittelpunkt des Interesses der Abgeordneten stand auch die Frage, wie man auf die nicht zufriedenstellenden Ergebnisse des österreichischen Spitzensportes bei den Olympischen Spielen 2012 reagieren könne.

Bundesminister Norbert Darabos hielt fest, dass es im Bereich Doping bereits gelungen sei, wichtige Gesetzesvorhaben umzusetzen. Nun sei es an der Zeit, eine Totalreform des Sportförderungswesens in Österreich vorzunehmen. Nach langen Vorbereitungen und nicht immer einfachen Verhandlungen mit dem organisierten Sport liege nun der Entwurf für ein Bundes-Sportförderungsgesetz vor, dass 2013 beschlossen werden und 2014 in Kraft treten soll. Statt des bisherigen "Gießkannenprinzips" werde nun die Projektförderung eine Professionalisierung der Sportorganisationen bringen, meinte der Minister. Die Förderungen sollen künftig nach dem Leistungsprinzip für genau definierte Aufgaben vergeben werden.

Förderungen nach dem Leistungsprinzip

Es werde ein zweistufiges Modell sein, das eine Grundförderung sowie als zweite Stufe eine Projektförderung vorsehe, erläuterte Minister Darabos. 50 % der Mittel werden an den Spitzen-, 45 % an den Breitensport und 5 % an sonstige Organisationen gehen. Diese Förderungen sollen zudem nach dem Prinzip des One-Stop-Shop beim neu zu gründenden Sportförderungsfonds abgerufen werden können. Er erwarte sich davon Vereinfachungen im Förderwesen, mehr Transparenz über den Einsatz der Mittel und bessere Planbarkeit für Verbände und Vereine. Der große Gewinner werde der Spitzensport sein, der 20 % mehr aus den Mitteln der Besonderen Bundessportförderung erhalten wird. Die Bundesfachverbände werden professionalisiert und erhalten klare Aufträge.

Der Sportminister nahm auch Stellung zur Kritik am österreichischen Olympiateam, die seiner Meinung nach oft am Kern der Sache vorbeigehe. Es stelle sich die Frage, wie man bessere Strukturen schaffen könne, um Talente zu fördern. So stehe ein Sportstättenplan für den Spitzensport knapp vor der Fertigstellung und werde bald online gehen. Ein weiteres Thema für sein Ressort seien auch integrationspolitische Maßnahmen im Sport. Österreich habe einen guten Ruf als Veranstaltungsort von Sportereignissen und der Bund habe sehr viel in die Vorbereitung der Ski-WM in Schladming 2013 investiert, das sei sicher gut eingesetztes Geld, war der Minister überzeugt. Minister Darabos begrüßte die Initiative der Sportsprecher aller Fraktionen für eine tägliche Turnstunde in der Schule und versprach, sich für deren Umsetzung einzusetzen.

Neue Förderarchitektur und kreative Lösungen sind gefragt

Die Abgeordnetenrunde eröffnete Abgeordneter Norbert Höbart (F), der das "Debakel" der Olympischen Spiele in London zum Anlass nahm, um grundsätzliche Kritik an den Sportverbänden zu üben, die er von "Funktionärsklüngeln" und Verbänden, die "Besitzstandswahrung" betreiben, geprägt sah. Zudem seien diese oft an Parteipolitik und nicht an den Interessen des Sports ausgerichtet. Fördermittel würden dadurch nicht an den richtigen Stellen ankommen. Österreich brauche daher eine völlig neue Förderarchitektur. Es sollte ein Fokus auf weniger Sportarten und auf eine Förderung des Schulsports gelegt werden. Auch wäre die Einbindung von Spitzensportlern und die Nutzung ihrer Erfahrung wichtig.

Abgeordneter Dieter Brosz (G) konnte dem Entwurf für das Sportfördergesetz einiges abgewinnen, meinte aber, es gebe auch Projekte außerhalb der Fachverbände. Um im Schulsport etwas zu bewegen, habe man nun sechs Jahre Zeit gehabt, kritisierte er. Es gehe weniger um den formellen Turnunterricht, sondern um den Ausbau eines Sportangebots an den Schulen, hierzu werde man die Vereine mehr heranziehen müssen. Nur mit ehrenamtlicher Tätigkeit werde das aber nicht abzudecken sein, meinte er. Was die Olympischen Spiele angehe, so wollte Brosz wissen, welche konkrete Überlegungen zur Förderung von Prime-Sportarten es gebe, um die Medaillenchancen zu erhöhen.  

Abgeordneter Hermann Krist (S) sah einen umfassend vorbereiteten Gesetzesentwurf und schlug vor, in einer eigenen Sportsprecherrunde über eine erste Einschätzung zu diskutieren. Die österreichischen SportlerInnen in London hätten sich im Übrigen nicht verdient, als "Olympiatouristen" tituliert zu werden, sie seien alle hochqualifiziert und würden hohe Leistungen erbringen.

Ausschussobmann Peter Westenthaler (B) meinte, der Gesetzesentwurf werde noch ausführlich zu diskutieren sein. Vieles entspreche noch nicht den Erwartungen seiner Fraktion. Er könne keinen Ansatzpunkt für das Aufbrechen verkrusteter Vereinsstrukturen erkennen. Viel eher seien durch zusätzliche Verwaltungsstrukturen, wie den neuen Sportförderungsfonds, auch zusätzliche Kosten zu befürchten. Eine adäquate Reaktion auf das Debakel von London könne er dem Entwurf nicht entnehmen, das Thema werde wieder an die bestehenden Strukturen delegiert, meinte Westenthaler. Er schlug die Einsetzung eines Unterausschusses vor, um das Sportförderungsgesetz im Hohen Haus noch weiterzuentwickeln und zu einer Fünf-Parteien-Einigung zu kommen.

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (V) sprach sich dagegen aus, das Ergebnis der Olympischen Spiele als Vorwand für politische Interventionen in Sportverbänden zu verwenden. Was die tägliche Turnstunde betreffe, so gebe es die knappen Budgets zu berücksichtigen, aber mit kreativen Lösungen sollte eine Umsetzung gelingen können. Der Abgeordnete kritisierte dann das "Chaos" bei Sportstätten für den Spitzensport in Wien und wollte wisse, ob der Minister hier Gespräche führe, um zu einer Lösung zu kommen.

Darabos: Projekt Rio 2016 für den Spitzensport

Bundesminister Darabos meinte, es werde sicher nicht einfach sein, in Österreich eine Spezialisierung auf gewisse Prime-Sportarten zu erreichen. Der Sommersport habe gegenüber dem Wintersport sehr viel Aufholbedarf, es müsste hier auch der Breitensport aufgebaut und gefördert werden. Mit dem Ergebnis von London sei er nicht zufrieden, das beziehe sich aber nicht auf den persönlichen Einsatz der einzelnen SportlerInnen, der sicher hoch war. Die Einbeziehung von ehemaligen SpitzensportlerInnen in die bestehenden Strukturen sei in der Praxis oft schwierig. Er könne auch als Minister nicht in autonome Entscheidungen von Sportverbänden eingreifen, selbst dann nicht, wenn er sie persönlich nicht nachvollziehen könne und sie Auswirkungen auf die Karriere von bedeutenden Spitzensportlern haben.

Er werde sicher begrüßen, wenn der Gesetzesentwurf, der bereits sehr weit gediehen sei, im Parlament noch optimiert werde, und sei zu Diskussionen gerne bereit. Was das Aufbrechen bisheriger Strukturen der Sportförderung betreffe, so sehe er in der Projektförderung einen ersten Ansatz dafür. Natürlich müssten die Fördermittel optimal eingesetzt werden und es gelte, die optimalen Strukturen dafür zu schaffen. Der Bund setze, in Kooperation mit den Ländern, auch Infrastrukturmaßnahmen, welche die Voraussetzung für künftige Erfolge sind. Für die Sommerspiele 2016 gebe es das Projekt Rio 2016, um SpitzensportlerInnen zu definieren und zu fördern.

Koordination von Schul- und Verbandssport nötig

Die zweite Runde der Ausschussdiskussion thematisierte die Frage des Engagements von Politikern in Sportverbänden und wie man zu einer besseren Koordination von Schul- und Verbandsport kommen könne.  Abgeordneter Peter Haubner (V) und Abgeordneter Bernhard Vock (F) meinten, im Schulsport könne man nur durch eine Optimierung der Zusammenarbeit von Schulen und Sportvereinen vorankommen. Abgeordneter Peter Wittmann (S) sagte, ein großes Problem sei die fehlende Logistik der Schulen, um ihre Sportstätten außerhalb des Schulbetriebs zur Verfügung zu stellen. Andererseits müssten Vereinssportstätten, die ja auch mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, für den Schulsport zugänglich gemacht werden. S-Abgeordneter Hannes Fazekas erkundigte sich bei Minister Darabos nach der Zukunft des Heeressportes.

Abgeordneter Hannes Weninger (S) und sein Fraktionskollege Johann Hell wandten sich gegen eine pauschale Abwertung politisch aktiver Sportfunktionäre. Viele PolitikerInnen seien ehrenamtlich für den Sport tätig, das sollte gewürdigt werden. Auch Abgeordneter Peter Wittmann (S) meinte, die Vorstellung von parteipolitisch gebundenen Sportverbänden sei überholt. Darauf replizierte Abgeordneter Christian Höbart (F), er habe nicht politische Tätigkeit von Sportfunktionären allgemein kritisiert, sondern gefordert, Parteipolitik aus den Sportverbänden herauszuhalten. Er thematisierte dann nochmals die Frage von Prime-Sportarten und welche für Österreich in Frage kämen. Ausschussobmann Peter Westenthaler (B) meinte, es gehe sicher nicht um Pauschalverurteilungen politisch gebundener Funktionäre. In der Vergangenheit sei die Vergabe von Fördermitteln aber zweifellos auch mit viel Macht und Prestige verbunden gewesen. Manches habe sich sicherlich verbessert, aber nicht alle Probleme seien gelöst.

Bundesminister Norbert Darabos hielt fest, dass man sich dem Thema der Prime-Sportarten in Hinblick auf Olympia 2016 widme. Die Kooperation mit den Ländern, wenn es um die Transparenz der Fördermittel gehe, sei bedauerlicherweise oft schwierig. Zum Thema Schule und Sport wolle er betonen, dass es hier auch Erfolge gebe, etwa über die Aktion "Kinder gesund bewegen", bei der die Dachverbände eine wichtige Rolle spielten. Darabos legte ein klares Bekenntnis zum Heeressport ab, auch bei einer Umgestaltung zu einem Berufsheer seien im Ausbildungsdienst Stellen für den Spitzensport vorgesehen. (Schluss)


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