Parlamentskorrespondenz Nr. 20 vom 15.01.2013

Biokraftstoff - Zukunft oder Risiko?

EU-Unterausschuss über Vor- und Nachteile von Agrokraftstoff

Wien (PK) - Der Einsatz von Biokraftstoffen wird seit längerem äußerst ambivalent gesehen. Das zeigte heute auch die Diskussion im EU-Unterausschuss des Nationalrats. Während etwa die Grünen, das BZÖ aber auch die SPÖ kritische Worte dazu fanden, machte Umweltminister Nikolaus Berlakovich geltend, dass in Österreich strenge Nachhaltigkeitskriterien für die Erzeugung von Agrokraftstoff gelten und derzeit mehr Brotgetreide angebaut werde, als man benötige. Selbstverständlich könne es nicht sein, dass man Getreide für die Produktion von Biokraftstoffen über tausende Kilometer transportiert, unterstrich Berlakovich, bei Überschuss in der Region sei die Produktion aber durchaus zielführend. Ein von den Grünen eingebrachter Antrag auf Stellungnahme wurde von den anderen Parteien mehrheitlich abgelehnt.

Grundlage für die Diskussion war der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission, den weiteren Ausbau von Biokraftstoffen der ersten Generation (hergestellt aus Nutzpflanzen wie Zucker, Stärke und pflanzlichen Ölen) einzuschränken sowie den Übergang zu Biokraftstoffen der zweiten und dritten Generation (keine Nahrungsmittel, sondern z.B. Biokraftstoffe basierend auf bestimmten Abfällen und Reststoffen) einzuleiten. Man erwartet sich dadurch erhebliche Treibhausgas-Einsparungen.

Zur Diskussion stand darüber hinaus eine Änderung der Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), mit dem Ziel, die nationalen Prüfungsverfahren zu vereinheitlichen.

Beide Materien waren auch bereits Thema im Bundesrat (siehe PK-Meldung Nr. 999/2012).

EU will Produktion von Biokraftstoffen von Nutzpflanzen einschränken

Biokraftstoffe stellen einerseits eine wichtige Alternative zu fossilen Brennstoffen dar, andererseits ist durch den Anbau von Energiepflanzen eine Verdrängung von Nahrungs- und Futtermittel auf bisher nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen zu beobachten – genannt "ILUC" (Indirekte Landnutzungsänderung). Vielfach wird auch der Anstieg der Lebensmittelpreise mit all seinen negativen Folgen vor allem für ärmere Bevölkerungsschichten beklagt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem "ILUC-Effekt", worunter ein globaler Markt- bzw. Preiseffekt, ausgelöst durch die steigende Biokraftstoffnachfrage, zu verstehen ist.

Um negative Auswirkungen durch eine verstärkte Verwendung derartiger Kraftstoffe zu verhindern, hat nun die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag (COM [2012] 595 final) vorgelegt, der auf die Begrenzung von Biokraftstoffen aus Nahrungsmittelpflanzen abzielt. Konkret soll eine Obergrenze von 5 % für derartige Biokraftstoffe am Endenergieverbrauch im Verkehrsbereich eingezogen werden. Außerdem soll ein Anreizsystem für Biokraftstoffe geschaffen werden, die geringe indirekte Landnutzungsänderungen verursachen. Weitere Punkte betreffen die Berichterstattung von ILUC-Emissionen durch Mitgliedstaaten und Kraftstoffanbieter sowie die Erhöhung der verpflichtenden Mindesteinsparung an Treibhausgasemissionen für Neuanlagen, die nach dem 01.07.2014 in Betrieb gehen.

Besonders kritische Worte zur Verwendung von Agrokraftstoffen fanden insbesondere die Grünen, die sie auch in einem Antrag auf Stellungnahme formulierten. Abgeordnete Christiane Brunner räumte ein, dass der Kommissionsvorschlag in die richtige Richtung weise und der Einsatz von Biokraftstoffen bei Überschüssen im regionalen Wirtschaftskreislauf durchaus sinnvoll sein könne. Im großen Umfang sei dies jedoch zu hinterfragen. Die negativen Effekte durch ILUC würden die von der der EU geplanten Treibhausgaseinsparungen im Verkehrsbereich sogar konterkarieren, argumentierte sie, die industrielle Produktion von Agrotreibstoffen der ersten Generation fördere zudem Monokulturen mit hohem Pestizideinsatz.

Die Grünen fordern daher, die mengenmäßigen Ziele für den Anteil an Agrotreibstoffen im Transportsektor abzuschaffen, außerdem müsse man in die Richtlinie die vollständige Treibhausgasbilanz einbeziehen. Sie drängen weiters auf die Verbesserung der Nachhaltigkeitskriterien für Agrotreibstoffe und sprechen sich dezidiert gegen die diesbezügliche Subventionierung sowie gegen Steuervorteile in diesem Zusammenhang aus. Der Antrag fand jedoch nicht die Unterstützung der anderen Fraktionen.

Abgeordnete Petra Bayr (S) konnte in den vorliegenden Plänen der Kommission ebenfalls keine großen Schritte erkennen. Die Deckelung von 5 % für Biokraftstoffe der ersten Generation stelle keine Einschränkung dar, zumal diese Grenze EU-weit noch nicht erreicht sei, merkte sie an. Grundsätzlich hielt die Abgeordnete es für dringend geboten, alternative Lösungen zu den heutigen Motoren zu finden. Bayr unterstrich die Relevanz der ILUC-Faktoren und die Notwendigkeit, entwicklungspolitische und menschenrechtliche Standards einzuhalten.

Skeptisch zu den Agrotreibstoffen äußerte sich auch Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ). Vor allem hielt er den Import von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen zur Produktion von Treibstoff für den falschen Weg, wie er mehrmals unterstrich. In Europa selbst gibt es seiner Meinung nach zu wenig Fläche, um ausreichend Nahrungs- und Futtermittel anzubauen. Heftige Kritik übte er am Werk in Pischelsdorf in Niederösterreich, wo Bioethanol erzeugt wird.

Dies rief eine heftige Gegenreaktion von Abgeordnetem Hermann Schultes (V) hervor. Im angesprochenen Werk entstehe als Nebenprodukt gentechnikfreies Eiweiß, das dringend nachgefragt werde, entgegnete er ihm. Außerdem sei die Energiebilanz des Unternehmens hervorragend. Grundsätzlich zeigte sich Schultes mit dem gegenständlichen Kommissionsvorschlag unzufrieden, und er warf in diesem Zusammenhang der Kommission eine Zick-Zack-Politik vor, die industriepolitische Vorgaben unterlaufe.

Diese Auffassung teilte auch Abgeordneter Johannes Hübner (F). Für ihn bleibt die wesentliche Frage, ob man für die Produktion von Agrotreibstoffen in der EU einen strukturellen Flächenüberschuss hat oder nicht.

In seiner Reaktion auf die Diskussion wies Bundesminister Nikolaus Berlakovich eingehend auf die in Österreich geltenden Nachhaltigkeitskriterien für den Anbau von Biokraftstoffen hin. Er werde sich dafür einsetzen, dass man bei der Bewertung dieser Kraftstoffe nach strengen Kriterien vorgehe, bekräftigte er, das müsse aber auch für fossile Treibstoffe gelten. Es könne nicht sein, dass man für die Produktion von Biokraftstoffen etwa den Urwald in Malaysia rode, stellte er klar. Was die von Abgeordneter Petra Bayr (S) angesprochenen Mehrfachanrechnungen betrifft, so seien diese derzeit in Diskussion, Österreich dränge aber darauf, dass es dabei zu keinen Marktverzerrungen kommt.  

Der Minister vermerkte außerdem, dass man in Österreich über mehr als ausreichend Getreide verfüge und es innerhalb der EU noch riesige Flächen gebe, die nicht genutzt werden. Dem widersprach Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) heftig. Nach seiner Information sei die Eigenversorgung in Österreich nicht mehr gewährleistet.

Transparenz und BürgerInnenrechte bei UVP-Verfahren nicht einschränken

Was den von der EU-Kommission vorgelegten Richtlinienentwurf zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) (COM [2012] 628 final) betrifft, so versicherte Bundesminister Nikolaus Berlakovich, man werde auf die Wahrung der Bürgerrechte achten. Eine Vereinfachung und die Harmonisierung der Verfahren hielt er für notwendig. Abgeordneter Christiane Brunner (G) sagte er auch zu, sich dafür einzusetzen, dass die vorgesehene Ausweitung der Bewertungskriterien auf biologische Vielfalt, Klimawandel, Flächenverbrauch, Katastrophenrisiken und den Verbrauch natürlicher Ressourcen auch als Genehmigungskriterien verankert werden. Brunner trat darüber hinaus dafür ein, klar festzulegen, dass NGOs in die Feststellungsverfahren einbezogen werden. Die Ex-post-Überwachung von Projekten sollte ihrer Meinung nach nicht nur für jene mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt gelten. Das Wirtschaftsministerium hielt sie als UVP-Behörde für ungeeignet, diese Kompetenz sollte ihr zufolge bei den Ländern bleiben.

Die Kommission strebt eine größere Harmonisierung sowie eine inhaltliche Änderung der geltenden Gesetzesvorschrift an, mit dem Ziel, die Verfahrenseffizienz zu steigern sowie die Qualität der UVP zu verbessern. So ist etwa eine Qualitätssicherung der vom Projektwerber vorzulegenden Unterlagen vorgesehen. Zudem wird der Projektwerber verpflichtet, der Behörde zusätzliche spezifische Informationen für die Einzelfallprüfung, mit der entschieden wird, ob ein Vorhaben der UVP unterliegt, zur Verfügung zu stellen.

Die UVP soll darüber hinaus an aktuelle umweltpolitische Themen angepasst werden. Deshalb will man den Projektwerber verpflichten, auch Informationen betreffend biologische Vielfalt, Klimawandel, Flächenverbrauch, Katastrophenrisiken und den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu liefern. (Fortsetzung EU-Unterausschuss) jan