Parlamentskorrespondenz Nr. 176 vom 05.03.2013

Familienausschuss beschließt neues Kinder- und Jugendhilfegesetz

Mitterlehner: Ein Kompromiss, der wesentliche Verbesserungen bringt

Wien (PK) – Mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP passierte heute das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz den Familienausschuss, wobei in der Diskussion nicht nur von Abgeordneten der Oppositionsparteien sondern auch von jenen der SPÖ gewisse Bedenken geäußert wurden. Bundesminister Reinhold Mitterlehner betonte, nach schwierigen Verhandlungen mit den Ländern sei es gelungen, eine tragfähige Einigung über die Rahmengesetzgebung zu erzielen.

Mitterlehner: Langwierige Verhandlungen mit Ländern erfolgreich

In seinem einleitenden Statement zum "Bundesgesetz über Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche" (Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013, 2191 d.B.) verwies Bundesminister Reinhold Mitterlehner darauf, dass die nun mit den Ländern vereinbarte Fassung der Regierungsvorlage wesentliche Verbesserungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen bringe. Die professionelle Überprüfung von Fällen, in denen der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung besteht, werde gesichert, Standards für angemessene Hilfe würden geschaffen. Der Minister räumte ein, dass in manchen Punkten noch weiterreichende Regelungen denkbar wären, und nannte in diesem Zusammenhang das Vier-Augen-Prinzip. Wichtig sei aber, dass ein tragfähiger Kompromiss mit den Ländern gefunden werden konnte, dem er breite Zustimmung wünsche. Der entscheidende Punkt für diese Zustimmung war die Übernahme der durch das Gesetz verursachten Mehrkosten durch den Bund, erläuterte Mitterlehner. 2018 soll eine interne Evaluierung erfolgen.

Die bisherige Kompetenzverteilung, wonach dem Bund die Grundsatzgesetzgebung obliegt, die Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung aber Ländersache ist, bleibe bestehen, führte Mitterlehner weiter aus. Im Kinder- und Jugendschutzbereich würden aber einheitliche Standards festgelegt, betonte er und verwies dazu auf die Einführung einer in allen Bundesländern verbindlichen Regelung der Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung. Wesentlich sei auch die Neuformulierung der Mitteilungspflichten bei vermuteten Kindeswohlgefährdungen. Hier habe es insofern Kritik gegeben, als eine Aufweichung der Verschwiegenheitspflichten befürchtet wurde. Diese Argumente seien jedoch nicht stichhaltig und beruhten teilweise auf Fehlannahmen, stellte der Minister fest, denn es seien detaillierte Regelungen zu den Fragen der Verschwiegenheit, der Auskunftsrechte, der Dokumentation und des Datenschutzes geschaffen worden, um die Weitergabe an Behörden und Gerichte im notwendigen Ausmaß zu sichern.

SPÖ kündigt Zustimmung trotz noch bestehender Bedenken an

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (S) kündigte die Zustimmung ihrer Fraktion an, gleichzeitig wies sie aber auf offene Fragen hin, etwa was die Regelung der Verschwiegenheit betrifft. Wie sich diese auswirke, solle man zu einem früheren Zeitpunkt evaluieren, nicht erst 2018, forderte sie. Hierin stimmte ihre Fraktionskollegin Rosemarie Schönpass zu. Das Grundproblem liegt ihr zufolge darin, dass sich an der Kompetenzverteilung nichts ändere. Wichtig sei es auch, dass die bessere Verankerung der Prävention weiterhin ein Ziel bleibe, meinte S-Abgeordneter Josef Muchitsch, und sein Fraktionskollege Hermann Lipitsch sprach sich dafür aus, das Thema hinsichtlich einer stärkeren Verankerung des Vier-Augen-Prinzips weiter im Auge zu behalten.

Für ÖVP bestehen keine Bedenken in Bezug auf Verschwiegenheit

Abgeordnete Christine Marek (V) meinte, man könne dem Minister zu diesem Erfolg gratulieren. Es handle sich zweifellos um einen Kompromiss. Damit sei nicht ausgeschlossen, dass einzelne Bundesländer auch weiterreichende Regelungen beschließen, fügte sie hinzu. Eine generelle Vorschreibung des Vier-Augen-Prinzips sei in der Praxis nicht zielführend und eher kontraproduktiv, da es die Abläufe der Gefahrenabklärung auch verzögern könne, gab sie zu bedenken. Im Vordergrund müsse immer das Kindeswohl stehen, dieses habe auch den Ausschlag bei den Bestimmungen über die Verschwiegenheit zu geben.

Oppositionsparteien drängen weiter auf Verbesserungen

Verhaltene Reaktion kam von den Oppositionsparteien, welche zwar würdigten, dass in einer schwierigen Angelegenheit ein Kompromiss mit den Ländern gefunden worden sei, aber noch eine Reihe von offenen Fragen sahen. So meinte Abgeordnete Carmen Gartelgruber (F), die Formulierung, dass das Vier-Augen-Prinzip bei der Gefahrenabklärung nur "erforderlichenfalls" gelte, sei zu schwach. Hier müsse eine Soll-Bestimmung ins Gesetz geschrieben werden. Dieser Meinung schloss sich Abgeordnete Ursula Haubner (B) an. Auch Abgeordnete Windbüchler-Souschill (G) kritisierte die Formulierung des Vier-Augen-Prinzips, wobei sie generell eine zu starke Verwässerung der Bestimmungen seit dem ersten Begutachtungsentwurf konstatierte und bezweifelte, dass die Bundesregierung mit den Ländern nachdrücklich genug verhandelt habe. Die Aufweichung der Verschwiegenheitspflichten für TherapeutInnen sei nicht von der Hand zu weisen und stoße auf Kritik. Auch sei die Frage von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nirgendwo erwähnt. Abgeordneter Robert Lugar (T) fragte, ob nicht eine Übertragung der Kompetenzen im Kinder- und Jugendschutz an den Bund sinnvoll wäre.

Mitterlehner: Evaluierung des Gesetzes auch früher denkbar

Bundesminister Reinhold Mitterlehner reagierte auf die Fragen und Bemerkungen der Abgeordneten mit dem Hinweis, eine generelle Einführung des Vier-Augen-Prinzips in allen Bereichen der Jugendwohlfahrt hätte das dreifache der jetzt zusätzlich entstehenden Kosten bedeutet, bei gleichzeitig fragwürdiger Wirkung. Auch die Übertragung von Kompetenzen an den Bund sehe er als nicht praktikable Lösung. Dies würde eher eine Ausweitung des Verwaltungsaufwands bewirken, ohne dass man bessere Ergebnisse beim Schutz der Kinder und Jugendlichen erziele. Von einer Aufweichung der Verschwiegenheit für TherapeutInnen könne keine Rede sein, hielt er fest, es gebe aber nun im Gesetz explizit formulierte Auskunftspflichten in Fällen, wo einem begründeten Verdacht von Kindesmissbrauch nachgegangen werde. Eine frühere Evaluierung als 2018 sei für ihn denkbar, aber die Evaluierung sei andererseits erst sinnvoll, wenn man über eine gewisse Zeitspanne Erfahrungen mit dem Gesetz gesammelt habe, gab Mitterlehner zu bedenken.

Anträge der Opposition teils vertagt, teils abgelehnt

Mit dieser Regierungsvorlage stand eine Reihe von Entschließungsanträgen der Opposition mit in Verhandlung, die teils vertagt, teils abgelehnt wurden. Als durch das Gesetz bereits abgedeckt betrachteten die Koalitionsparteien den Antrag des BZÖ nach einem Bundesgrundsatzgesetz zur Kinder-und Jugendwohlfahrt (1406/A(E)) sowie einen ähnlich formulierten Antrag der Grünen (846/A(E)). Diese wurden daher mehrheitlich abgelehnt, ebenso wie die Forderungen der Grünen betreffend "Hilfen für junge Erwachsene" (1560/A(E)) und die Einarbeitung der Erkenntnisse der ExpertInnenkommission zum "Fall Cain" (1489/A(E)).

Mit S-V-Mehrheit vertagt wurden hingegen die Anträge der Grünen Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill zur Schaffung der Funktion von Jugendwohlfahrtsbeauftragten (1167/A(E)) und zur expliziten gesetzlichen Verankerung von Prävention im neuen Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz (1523/A(E)) sowie zur einer stärkeren Verankerung des "Vier-Augen-Prinzips" (1522/A(E)) im Gesetz. (Fortsetzung Familienausschuss) sox