Parlamentskorrespondenz Nr. 273 vom 05.04.2013

Bundesrat: Religionsfreiheit als weltweiter Anspruch an die Politik

Neue Kärntner BundesrätInnen angelobt

Wien (PK) – Religionsfreiheit sei weltpolitisch von enormer Wichtigkeit um gewaltsame Konflikte, die oftmals durch die Diskriminierung religiöser Gruppen ausgelöst würden, zu verhindern, betonte heute Außenminister Michael Spindelegger in der Aktuellen Stunde des Bundesrats zum Thema "Initiative für Religionsfreiheit und gegen Christenverfolgung". Einig waren die Mitglieder der Länderkammer, freie Religionsausübung sei ein Menschenrecht, die Politik habe deshalb für den weltweiten Schutz von religiösen Minderheiten einzutreten. Ob eine Diskussion über Christenverfolgung dazu der passende Ausgangspunkt sei, darüber waren die BundesrätInnen allerdings geteilter Meinung. Besonders die SPÖ pochte darauf, soziale Auslöser von Religionskonflikten im politischen Diskurs in den Vordergrund zu rücken.

Vor Beginn der Aktuellen Stunde wurden die Kärntner Bundesräte angelobt, nachdem sich der Landtag dieses Bundeslands in der Vorwoche konstituiert und seine VetreterInnen im Parlament bestimmt hatte. Als neue Bundesräte aus Kärnten gehören nunmehr Günther Novak (S), der ehemalige Landeshauptmann Gerhard Dörfler (F) und Christian Poglitsch (V) der Länderkammer an. Wiedergewählt wurde Bundesrätin Ana Blatnik (S). Offiziell Ausgeschieden sind somit die Bundesräte Peter Mitterer und Franz Pirolt (beide F) sowie  Karl Petritz (V).

Unterdrückung religiöser Minderheiten weltweit aktuell

"Religionsfreiheit ist in mehr als 60 Ländern der Erde stark eingeschränkt beziehungsweise kaum existent", skizzierte Harald Himmer (V/W) die debattierte Problematik. Weltweit würden derzeit hunderte Millionen Christen verfolgt, in Nordkorea habe man bereits durch den Besitz einer Bibel die Todesstrafe oder die Internierung in einem Arbeitslager zu befürchten. In vielen islamischen Ländern sei die Lage von ChristInnen ebenfalls besorgniserregend, so habe sich in Ägypten die Situation der Kopten nach dem arabischen Frühling verschlechtert und auch die Türkei müsse bei ihrer Haltung gegenüber der christlichen Kirche mehr Toleranz zeigen. Himmer begrüßte daher die Anstrengungen Außenminister Spingeleggers, bei jeder Gelegenheit Allianzen zum Schutz der ChristInnen weltweit zu bilden.

Für Bundesrätin Susanne Kurz (S/S) war das Thema Christenverfolgung eine komplexe Materie, die sich nicht auf den Faktor Religionsfreiheit reduzieren lasse. Wirtschaftliche und soziale Sicherheit nannte die SPÖ-Mandatarin als Grundlage für friedliches Zusammenleben in einer Gesellschaft, daher wertete sie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder des Menschenhandels sowie das Eintreten für Bildung und Wohlstand angesichts der Finanzkrise als weit bedeutendere Diskussionspunkte zur Verbesserung der Lage sämtlicher Menschen, nicht nur der ChristInnen. Antisemitische und islamophobe Strömungen habe die Politik in einer Demokratie jedenfalls genauso zur beachten, befand Kurz, und sie warnte vor einem "Kampf der Kulturen" durch einseitige Schuldzuweisungen, denn auch viele kritische Muslime würden in islamischen Ländern verfolgt.

Zu spät sei das Thema Christenverfolgung politisch thematisiert worden, meinte dagegen FPÖ-Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W), immerhin seien 250 Millionen ChristInnen weltweit Einschränkungen und gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt. Zwar würden auch AtheistInnen in vielen Ländern, etwa in einigen Bundesstaaten der USA, diskriminiert, doch Mitglieder der christlichen Glaubensgemeinschaft seien vor allem in kommunistischen und islamischen Staaten mit massiven Drangsalierungen bis hin zum Tod bedroht. Das kürzlich errichtete, von Saudi Arabien finanzierte Interreligiöse Dialogzentrum in Wien lehne sie daher dezidiert ab, erklärte Mühlwerth und meinte weiter, für Saudi Arabien habe das Zentrum keine völkerverbindende Funktion, es diene nur dazu, die Weltanschauung des radikalislamischen Staats nach Mitteleuropa zu tragen.

Der oberösterreichische Grün-Bundesrat Efgani Dönmez stieß sich ebenfalls am King Abdullah Zentrum in Wien, das unter politischer Federführung der ÖVP errichtete worden sei. Immerhin finanziere der Geldgeber des Zentrums, Saudi Arabien, auch terroristische Aktionen, beschrieb der Mandatar seine Bedenken. Außerdem seien Saudi Arabiens Einstellungen gegenüber Frauen und Minderheiten vehement abzulehnen. Kein Mensch habe das Recht, sich auf Grund religiöser Ansichten über andere zu erheben und Religion dürfe nicht als politisches Instrument, beispielsweise im Kampf um Ressourcen, benutzt werden. Dönmez sprach sich deswegen klar für die strikte Trennung von Religion und Staat aus, wie sie auch in der Türkei voranzutreiben sei. Die Politik solle alles daran setzen, das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen, ohne alles gleich zu machen, denn andere als "Fremde" zu betrachten, wie es die FPÖ gegenüber Asylsuchenden tue, bilde den Quell für Konflikte.

Die BundesrätInnen Günther Köberl (V/St) und Cornelia Michalke (F/V) machten erneut anhand mehrerer Beispiele auf die weltweite Verfolgung von ChristInnen aufmerksam. Köberl würdigte in diesem Zusammenhang den Einsatz von Außenminister Spindelegger zur Durchsetzung der Religionsfreiheit als weltweites Menschenrecht. Das Thema müsse bei allen Gelegenheiten angesprochen werden, man dürfe nicht wegsehen, sondern müsse handeln. Michalke bedauerte, dass derzeit wirtschaftliche Krisenthemen die Problematik der Christenverfolgung überdeckten. Minderheiten seien immer schützenswert und da ChristInnen weltweit eine Minderheit seien, gelte dies auch für sie. Dabei sei nicht zu übersehen, dass selbst in Österreich Menschen, die etwa vom Islam zum Christentum konvertierten, auf die Solidarität des Staates angewiesen seien.

Dialog mit und Akzeptanz gegenüber anderen Kulturen sowie einen respektvollen Umgang miteinander in einer Gesellschaft sah Bundesrat Maurice Androsch (S/N) als Lösungsansatz zum Hintanhalten religiöser Verfolgung allgemein. Damit Europa nicht zum Nährboden für terroristische Bewegungen werde, habe die Politik verstärkt für einen funktionierenden Arbeitsmarkt und gegen Armut aktiv zu werden. In seiner persönlichen Verabschiedung vom Bundesrat versicherte Androsch, er werde auch als Landespolitiker Niederösterreichs die Toleranz und Vielfältigkeit im Bundesrat immer in guter Erinnerung behalten.

Spindelegger: Missachtung von Menschenrechten schadet der Demokratie

Außenminister Michael Spindelegger unterstrich, die internationale Wertegemeinschaft habe permanent dagegen aufzutreten, wenn Menschen auf Grund ihrer Religion verfolgt werden, wobei ExpertInnen zufolge die Christen den größten Teil der unterdrückten Gruppen darstellten. Jeder Mensch solle sich öffentlich zu einer Religion bekennen dürfen, ohne Verfolgung befürchten zu müssen. Blutige Konflikte, wie sie aus der Vertreibung von Minderheiten und aus Intoleranz gegenüber Andersgläubigen entstünden, beträfen letztlich die ganze Welt, wie man am Brennpunkt Afrika sehe, während Sozialpolitik die Aufgabe der Nationalstaaten sei, erinnerte Spindelegger in Richtung Bundesrätin Kurz.

Als Mitglied des Menschenrechtsrats der UNO habe Österreich Religionsfreiheit als Schwerpunktthema gewählt, und alle Reisen in islamische und kommunistische Länder nutze er für oft nicht einfache Gespräche zu Fragen der Religions- und Gewissensfreiheit, erläuterte Spindelegger die außenpolitischen Aktivitäten Österreichs zum Schutz der Religionen. Ende Juni werde zudem eine internationale Konferenz darüber in Wien abgehalten, damit eröffne sich eine weitere Gelegenheit, kritisch zu der Thematik Stellung zu nehmen.

Der neue Auswärtige Dienst in der EU habe auf österreichische Initiative hin in seinen Leitlinien eine klare Informationspolitik und Frühwarnmechanismen zur Diskriminierung religiöser Gruppen festgehalten, denn wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden, schade dies auch der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, hielt der Außenminister fest.

Auf die kritischen Anmerkungen zum King Abdullah-Dialogzentrum bemerkte der Bundesminister, wer gegen Dialog sei, baue der Gewalt vor und dass das Zentrum tatsächlich für interreligiösen Dialog eintrete, habe sich schon bei der Eröffnungsfeier gezeigt, an der neben UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon auch Vertreter der Weltreligionen anwesend waren. (Fortsetzung Bundesrat) rei


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