Parlamentskorrespondenz Nr. 314 vom 18.04.2013

Unterrichtsausschuss: Sprachdefizite mindern Chancen am Bildungsweg

Bildungsbericht und EU-Jahresvorschau Basis für Grundsatzdebatte

Wien (PK) – Der aktuelle Nationale Bildungsbericht und der EU-Arbeitsplan 2013 für den Bildungsbereich standen eingangs in der heutigen Sitzung im Unterrichtsausschuss des Nationalrats zur Debatte. Neben der Kostenentwicklung des österreichischen Bildungssystems thematisierten die Ausschussmitglieder unter anderem fehlende Grundkompetenzen bei Österreichs SchülerInnen und den Bedarf an sozialpädagogischem Unterstützungspersonal als Entlastung der Lehrkräfte. Einigkeit zeigten die Abgeordneten bei der Notwendigkeit verstärkter Sprachförderung im Sinne chancengleicher Ausgangsmöglichkeiten am Bildungsweg.

Schmied: Bildungspolitik muss Fundament für Chancengleichheit bieten

Ziel ihrer Politik sei, hob Schmied in der Diskussion zum Nationalen Bildungsbericht 2012 (III-382) hervor, das Bildungsfundament für Chancengleichheit in der Schullaufbahn für alle abzusichern, die Kompetenzorientierung mittels Bildungsstandards und die Pläne für eine PädagogInnenbildung Neu stellten dabei bedeutende Elemente dar.

Als "Meilenstein" moderner Bildungspolitik betrachtete Bildungssprecher der SPÖ, Edgar Mayer, den ausgearbeiteten Gesetzesentwurf zur PädagogInnenbildung Neu, den der Unterrichtsausschuss nach der Begutachtungsphase am 4. Juni verhandeln wolle. Mayers positive Sicht zum Änderungsplan der Ausbildung von PädagogInnen schränkte FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz mit der Bemerkung ein, es gebe noch viele Schwachstellen in dem Entwurf, mit denen man sich näher befassen sollte. Ungeachtet dessen hieß er die vom Ausschuss angestrebte Behandlung des vorliegenden Berichts bei der nächsten Nationalratssitzung gut.

Die im Bildungsbericht aufgezeigten steigenden Kosten des österreichischen Schulwesens ergäben sich nicht nur aus dem relativ hohen Altersdurchschnitt von LehrerInnen, wodurch Personalkosten einen großen finanziellen Aufwand ausmachen, erläuterte Bundesministerin Schmied auf die kritische Anmerkung der BZÖ-Bildungssprecherin Ursula Haubner, Kostenaufwand und Bildungserfolg an den Schulen hielten sich nicht die Waage. Auch die jährliche Netto-Unterrichtszeit in Österreich liege teilweise deutlich unter dem OECD-Durchschnitt und nicht zuletzt sei Österreichs international angesehenes System der Berufsbildenden höheren Schulen ein beträchtlicher Kostenfaktor, sagte die Unterrichtsministerin. Den ebenfalls kostentreibenden Umstand, dass Lehrkräfte viel Unterrichtszeit für sozialpädagogische Aufgaben verwenden müssen, gelte es zielgerichtet und standortbezogen mit Sozialfachkräften zu beheben, betonte Schmied, sie sehe hier die Schulen selbst gefordert. Die Unterrichtsministerin bezog klar Position, den Schulen langfristig mehr Autonomie zu geben, gerade was die arbeitsteilige Organisation ihrer administrativen sowie sozial unterstützenden Tätigkeiten und ihrer Kernaufgabe Unterricht betrifft. Tatsächlich befindet der Bildungsbericht, Österreich weise im EU/OECD-Vergleich das schlechteste Verhältnis zwischen LehrerInnen und pädagogischen Unterstützungskräften wie SchulpsychologInnen, SozialarbeiterInnen oder IntegrationslehrerInnen auf.

Grünen-Bildungssprecher Harald Walser appellierte in diesem Zusammenhang erneut, die im Bericht einmal mehr dokumentierten Empfehlungen von BildungsexpertInnen umzusetzen und prangerte eine fehlende Regierungslinie beider Koalitionsparteien in Fragen der Bildungspolitik an. So seien etwa bei der flächendeckenden Umsetzung verschränkter Formen der Ganztagsschule noch intensivere Anstrengungen nötig. Für Abgeordneten Mayer (S) stellen die kritischen Analysen im Bericht einen Auftrag an die Politik dar, den laufenden Veränderungsprozessen im Bildungsbereich nachzukommen und keinen Stillstand zuzulassen. Daher habe man auch die Verhandlung des Berichts im Nationalratsplenum erwirkt. Seine Parteikollegin Rosa Lohfeyer wertete die wissenschaftliche Aufbereitung von Daten und Fakten zu Bildungsthemen als wichtige Grundlage für den politischen Diskurs.

Die Befürchtung eines Lehrkräftemangels ab dem Schuljahr 2017/18, wie sie von den Abgeordneten Ursula Haubner (B) und Anna Franz (V) geäußert wurde, da dann der Höhepunkt von Pensionierungen bei LehrerInnen zu erwarten sei, ließ Schmied so nicht gelten. Die Zahl der Studierenden an den Pädagogischen Hochschulen habe sich seit 2007 auf derzeit 15.000 Personen mehr als verdoppelt und auch für QuereinsteigerInnen werde der Lehrberuf immer attraktiver gemacht, erklärte sie. An ÖVP-Bildungssprecherin Christine Marek gerichtet, die auf bestehende LehrerInnenmängel an AHS-Unterstufen im Vergleich zu Hauptschulen hinwies, sagte die Unterrichtsministerin, der erhöhte Bedarf ergebe sich vorrangig aus den städtischen Standorten von AHS, im kleinstrukturierteren ländlichen Bereich, wo vor allem Haupt- bzw. Neue Mittelschulen angesiedelt seien, könne man daher eine bessere Versorgung mit Lehrpersonal feststellen.

Wann soll Sprachförderung beginnen?

Problematisiert wurde in der Ausschussdebatte, dass laut Bericht in Österreich jede/r sechste SchülerIn am Ende der vierten Schulstufe hinsichtlich Deutschkompetenz als RisikoschülerIn einzustufen ist, da grundlegende Lesefähigkeiten fehlen. Unter den 15- bis 16-jährigen SchülerInnen können 28% Grundaussage und Zusammenhänge eines Textes nicht erfassen und zählen damit ebenso zur Risikogruppe. Die entscheidende Funktion des Elternhauses bei der Entwicklung von Lesegewohnheiten der Kinder hob FPÖ-Mandatarin Heidemarie Unterreiner diesbezüglich hervor und Abgeordnete Haubner (B) forderte daher eine stärkere Einbeziehung der Erziehungsberechtigten bei Maßnahmen zur Leseförderung. ÖVP-Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager fügte an, gerade in der Elementarpädagogik müssten erste Schritte zur Sprachförderung gesetzt werden. Unterrichtsministerin Schmied bemerkte dazu, sie erhoffe auch mit dem nun in Begutachtung befindlichen Entwurf einer neuen PädagogInnenbildung, die Schulung von KindergartenpädagogInnen im Bereich Sprach- und Leseförderung zu forcieren. Ein umfangreiches Konzept zur gezielten Sprachförderung werde in ihrem Ressort außerdem derzeit gerade ausgearbeitet, mit laufenden Programmen wie "Kunst macht Schule" versuche ihr Ministerium bereits, die Lesemotivation zu steigern.

Bezugnehmend auf die angestrebte Chancengerechtigkeit wies  Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg (V) auf die im Bildungsbericht dokumentierte ungleiche Verteilung von SchülerInnen mit und ohne Migrationshintergrund nach Schultypen hin. Er prangerte an, Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache seien an Sonderschulen überrepräsentiert, obwohl sie allzu oft anstatt sonderpädagogischer Förderung eher Sprachförderung benötigten. Schmied bekräftigte daraufhin ihr Bestreben, Schulen standortbezogene Förderinitiativen zu ermöglichen, dadurch würden einzelne SchülerInnen mit speziellem Sprachförderbedarf nicht stigmatisiert. Huainiggs Frage nach dem Verlauf des bestehenden Jugend Coachings beantwortete die Ministerin mit der Information, diese Initiative werde dank erfolgreicher Implementierung nun auf alle Bundesländer ausgedehnt.

Der Nationale Bildungsbericht wurde vom Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen und zur weiteren Diskussion in das Plenum des Nationalrats geschickt.

Österreich als EU-Vorzeigeland bei Schulabbruchsrate

Bei der Diskussion über den Bericht des Unterrichtsministeriums zur EU-Jahresvorschau 2013 (III-399), den der Ausschuss ebenso einstimmig annahm und auch enderledigte, unterstrich Unterrichtsministerin Schmied, Österreich sei mit seinem berufsorientierten Schulsystem unionsweit ein Vorbild für viele EU-Mitgliedsländer. Der Bericht zeige auf, dass die EU auf Bildung als Wachstumsmotor setze, zeigte sich Abgeordnete Ursula Haubner (B) erfreut, sie hinterfragte allerdings, welchen konkreten Nutzen das anvisierte EU-Bildungsprogramm "Erasmus für alle" in Hinblick auf Österreichs Bildungseinrichtungen haben werde. Unterrichtsministerin Schmied erwiderte, Schwerpunkte werde man dabei zum einen auf die Lernmobilität von Einzelpersonen, zum anderen auf mehr institutionelle Partnerschaften setzen, gerade in Verbindung mit der PädagogInnenbildung Neu werde dies von Vorteil sein.

Abgeordneter Harald Walser (G) begrüßte zwar, dass Österreich laut Bericht mit einer SchulabbrecherInnenquote von 8,3% das EU-Ziel, die Schulabbruchsrate EU-weit unter 10% zu senken, bereits erfüllt. Er bezweifelte jedoch die Sinnhaftigkeit einer im Bericht vorgesehenen neuen nationalen Strategie gegen Schulabbruch, woraufhin Schmied klarstellte, es gehe hierbei lediglich um ein Stabilisieren der bereits erfolgten Reformarbeit im Bildungswesen. Der Anregung von Abgeordneter Katharina Cortolezis-Schlager (V), unternehmerisches Wissen im Schulunterricht stärker zu verankern, gab die Bundesministerin ihre Zustimmung, doch erinnerte sie an die bereits exzellente Vermittlung wirtschaftlicher Basiskompetenzen in Österreichs kaufmännischen Schulen. (Fortsetzung Unterrichtsausschuss) rei