Parlamentskorrespondenz Nr. 377 vom 07.05.2013

Wie realistisch sind Nulldefizit und Haushaltsüberschüsse?

Was Ökonomen zu den ambitionierten Budgetzielen der Regierung sagen

Wien (PK) - Nachdem es bereits 2011 gelang, das gesamtstaatliche Defizit von 4,49 % (2010) auf Maastricht-konforme 2,46 % zu reduzieren, peilt die Bundesregierung für 2016 eine ausgeglichene Bilanz der Republik (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen) und ab 2017 einen positiven Saldo im Haushalt des Gesamtstaates an. Für 2017 plant der Bund ein Nulldefizit, Länder und Gemeinden Überschüsse. Die gesamtstaatliche Schuldenquote, die 2013 73,6 % des BIPs ausmacht, soll bis 2017 auf 67 % reduziert und dann weiter zurückgeführt werden, bis mit einem Wert von unter 60 % des BIP auch das letzte noch offene Maastricht-Kriterium Österreichs erfüllt sein wird.

Seine Beratungen über den Bundesfinanzrahmen 2014 bis 2017 (2251 d.B.) eröffnete der Budgetausschuss heute mit einem Expertenhearing, bei dem Elisabeth Klatzer (Wirtschaftsuniversität Wien), Barbara Kolm (Präsidentin des Friedrich von Hayek-Instituts), Gerhard Lehner (Wirtschaftsforscher), Markus Marterbauer (Wirtschaftsforschungsinstitut) und Paolo Rondo-Brovetto (Alpe-Adria-Universität Klagenfurt) den Abgeordneten Rede und Antwort standen. Morgen Mittwoch soll der Gesetzentwurf mit verbindlichen Auszahlungsobergrenzen bis 2017 an das Plenum weitergeleitet werden.

Klatzer: Spielräume für Offensivmaßnahmen nützen

Elisabeth Klatzer meinte kritisch, die Gesamtstrategie des Bundesfinanzrahmens erschöpfe sich in erster Linie in der Konsolidierung, notwendige und mögliche Offensivmaßnahmen würden aber fehlen. Sie vermisst insbesondere Investitionen in soziale Dienstleistungen, Pflege, Kinderbetreuung und in einen ökologischen Umbau. Klatzer teilte auch die Kritik des Abgeordneten Bruno Rossmann (G) am aktuellen Austeritätskurs in der EU und betonte, ein Überdenken des restriktiven Fahrplans wäre geboten, Spielräume gebe es durchaus. Die Fokussierung auf die Reduktion der Defizite und der Schulden bezeichnete Klatzer als völlig verfehlt und sah darin die Hauptursache für die Krise. Besorgt äußerte sie sich im Zusammenhang mit drohenden Verlusten auf dem Bankensektor und bemängelte ebenso wie der Grün-Mandatar Werner Kogler, angesichts des hohen Risikopotentials sei keinerlei Vorsorge getroffen worden.

Um aus der aktuellen Stagnation herauszukommen, schlug Klatzer eine Reihe von Maßnahmen vor (z.B. die Einführung von vermögensbezogenen und Öko-Steuern, ein offensives Vorgehen gegen Steuerhinterzieher sowie die Durchforstung des Steuerrechts), was ihrer Berechnung nach etwa einem Volumen von 6 bis 8 Mrd. € entsprechen würde. Gleichzeitig trat die Expertin für den Ausbau der sozialen Dienstleistungen ein, wodurch eine hohe Beschäftigungswirkung erreicht werden könnte. Dem Abgeordneten Bruno Rossmann (G), der sich nach dem Gender-Budgeting erkundigte, pflichtete sie bei, dass diesbezüglich eine systematische Analyse fehle. Im Budget finde man kaum Hinweise darauf, wie sich die öffentlichen Finanzen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern auswirken.

Kolm für Fortsetzung der Budgetkonsolidierung

Barbara Kolm begrüßte grundsätzlich den hohen Stellenwert der Budgetkonsolidierung, mahnte jedoch Strukturreformen ein. Als positiv vermerkte sie, man habe trotz aller Begehrlichkeiten das Thema Sparen fortgesetzt. Das Grundproblem – nämlich die mangelnde Produktivität – könne nicht durch eine Erhöhung der Steuern oder der Abgaben gelöst werden, warnte Kolm. Wie man auch in der gesamten EU sehen könne, seien gerade jene Staaten, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, in die Krise geraten und haben damit Lasten verursacht, die nun von allen anderen Mitgliedsländern mitgetragen werden müssen, sagte Kolm.

Zweifel meldete Kolm allerdings an der Erreichbarkeit der geplanten Reduzierung der gesamtstaatlichen Schuldenquote an, wobei sie Unsicherheitsfaktoren vor allem hinsichtlich der Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer und aus den Steuerabkommen mit der Schweiz und mit Liechtenstein, sowie in Bezug auf die künftigen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem ESM sah, aber auch vor zusätzlichen Belastungen des Budgets durch die Banken warnte.

Dem Abgeordneten Roman Haider (F) gegenüber gab Kolm zu bedenken, die Finanztransaktionssteuer sei nicht geeignet, einer neuerlichen Bankenkrise vorzubeugen, und habe auch kaum Lenkungseffekte. Die Strukturreformen der Regierung, auf die Abgeordneter Elmar Podgorschek (F) hinwies, beurteilte Kolm als halbherzig, sprach dabei insbesondere das Pensionssystem an und forderte eine Anhebung des Pensionsantrittsalters. Für notwendig hielt sie überdies eine Entlastung der Familien und eine Reduktion der kalten Progression, meinte jedoch, dies würde eine radikale Veränderung des Steuersystems voraussetzen. Einsparungspotentiale ortete sie zudem im Bildungs- und Gesundheitssektor, wo man ihrer Einschätzung nach im Vergleich zu anderen Ländern zwar sehr viel ausgebe, ohne dass dadurch aber dieselben Ergebnisse erzielt werden. Neue Einnahmenquellen könnten auch durch mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt und durch neue haushaltsnahe Dienstleistungen erschlossen werden.

Lehner: Budgetziele grundsätzlich erreichbar

Gerhard Lehner qualifizierte einen ausgeglichenen Haushalt bis 2016 als ambitioniertes Ziel und meinte, eine Erreichung des geplanten Nulldefizits sei möglich unter der Voraussetzung, dass es zu keinen zusätzlichen Ausgaben und auch zu keinen Einnahmenausfällen kommt. Was die langfristige Budgetprognose betrifft, warnte Lehner allerdings, die Bevölkerungsentwicklung werde in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutliche Einschränkungen des Budgetspielraums bewirken, auch dürften die Begrenzungen des Budgetdefizits durch die EU-Vorgaben nicht unterschätzt werden. Lehner rechnete in diesem Zusammenhang damit, dass die nicht von der Demografie abhängigen Ausgaben, so etwa Investitionen in Forschung und Entwicklung und in die Infrastruktur, unter Druck geraten werden.

Im Hinblick auf mögliche Einsparungspotentiale bzw. Lukrierung zusätzlicher Mittel fürs Budget merkte Lehner an, dass der Produktionsfaktor Arbeit in Österreich viel zu hoch besteuert sei. Ansetzen müsste man seiner Meinung nach vielmehr bei den lohnsummenabhängigen Ausgaben; deren Anteil am BIP könnte ohne große Probleme halbiert werden. Ein weiteres Potential sah Lehner in dem Transfer-Dickicht zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, wo es, wie er etwa dem Abgeordneten Kurt Gaßner (S) gegenüber betonte, einigen Reformbedarf gebe.

Eine Belastung des Budgets durch das Bankenrisiko – Grün-Abgeordneter Werner Kogler sprach von einem "Damoklesschwert" – würde nach Einschätzung Lehners zu einem Anstieg der Schuldenquote führen, ohne dass davon aber der strukturelle Saldo betroffen wäre.

Marterbauer fordert beschäftigungspolitische Maßnahmen

Markus Marterbauer übte Kritik an einer, wie er sagte, falschen Sparpolitik in der Eurozone, die seiner Meinung nach Arbeitsplätze und Wohlstand koste und den notwendigen Abbau der Staatsschuld behindere. Eine Konsolidierung der Staatsfinanzen könne nur dann gelingen, wenn Einkommen und Beschäftigung wachsen, zeigte er sich überzeugt und appellierte an die Politik, sich nicht noch immer tiefer in die Krise "hineinzusparen". Als besonders problematisch sah er es an, wenn mitten im Konjunktureinbruch restriktive Maßnahmen gesetzt werden, wie dies einigen EU-Ländern auferlegt wurde. Hier hätte man besser abwarten sollen und kurzfristig mehr Finanzhilfe leisten müssen.

Einer Meinung mit den Abgeordneten Christoph Matznetter (S), Günter Stummvoll (V) und Konrad Steindl (V) war Marterbauer in der Einschätzung, dass Österreich besser als die anderen europäischen Staaten die Krise gemeistert habe, wobei er dies vor allem auch auf eine ausgewogene Konsolidierung zurückführte. Die Finanzierbarkeit des Staatshaushaltes und des Sozialsystems hielt Marterbauer für gewährleistet, betrachtete dafür aber die Anhebung der Beschäftigungsquote als entscheidend. Mit Nachdruck forderte er deshalb beschäftigungspolitische Maßnahmen wie etwa einen Ausbau der sozialen Dienstleistungen, der Kinderbetreuung und der Pflege sowie Investitionen in die Gesundheitsvorsorge, den sozialen Wohnbau, in Bildung und Weiterbildung. Wenn man z.B. eine Milliarde Euro in den Bereich Pflege und soziale Dienstleistungen investiert, würde man etwa 20.000 bis 25.000 Jobs schaffen, zeigte Marterbauer auf. Damit es auch den Gemeinden ermöglicht wird, ihre Infrastruktur auszubauen, sollte seiner Meinung nach dringend die Grundsteuer reformiert werden.

Als größtes Risiko für die Erreichbarkeit der Budgetziele sah Marterbauer den Bankensektor. Er erwartete sich auch für die nächsten Jahre hohe Kosten für die Banken, bemerkte aber, die Bankenrettung sei richtig gewesen. Sämtliche österreichischen Banken hätten davon profitiert, es sei deshalb legitim, dass die Geldinstitute über die Bankenabgabe einen Teil der Kosten wieder ins Budget zurückzahlen. Insgesamt erwartete sich Marterbauer ebenso wie der SPÖ-Mandatar Christoph Matznetter von der Bankenabgabe langfristig eine entscheidende Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung, zumal diese Maßnahme, wie er zu bedenken gab, zur Regulierung des Finanzsystems beitrage und Spekulation belaste. Ein klares Bekenntnis legte Marterbauer überdies zu der vom Abgeordneten Hubert Kuzdas (S) angesprochenen stärkeren Besteuerung von Vermögen und Einkommen ab und argumentierte, Steuern, die höhere Einkommensgruppen betreffen, würden keine wachstumsdämpfenden Effekte auslösen.

Rondo-Brovetto: Instrumente des Haushaltsrechts stärker einbauen

Paolo Rondo-Brovetto vermisste im Bundesfinanzrahmen vor allem exakte Entscheidungsgrundlagen und riet zu einem verstärkten Einbau der im neuen Haushaltsrecht enthaltenen Instrumente. So sollte seiner Meinung nach eine Vermögensrechnung des Bundes gelegt werden, um mehr Aufschluss über die zu erwartenden Risiken zu erhalten. Als unverzichtbar erachtete er vor allem eine Darstellung des Risikopotentials der Banken.

Generell sah er im neuen Haushaltsrecht eine große Chance, vor allem dann, wenn es auch von den Bundesländern übernommen wird. Dann sei nämlich ein echter Vergleich möglich und man könne auch genau erkennen, welche Bereiche gut funktionieren und welche weniger.

Schieder: Bankenrisiko noch nicht exakt einschätzbar

Staatssekretär Andreas Schieder sah sich vor allem mit dem Vorwurf der Grün-Abgeordneten Werner Kogler und Bruno Rossmann konfrontiert, das Risikopotential der Banken finde im Bundesfinanzrahmen keinerlei Niederschlag. Schieder wies auf den noch unbestimmten Ausgang der entsprechenden Verhandlungen der Europäischen Kommission hin und betonte, das Risiko durch die Banken sei aus diesem Grund derzeit zahlenmäßig nicht exakt einschätzbar. Im Budget sei aber durch eine Rücklage in der Höhe von 4 Mrd. € vorgesorgt.

Kritik erntete die Regierung auch von Seiten des BZÖ-Abgeordneten Rainer Widmann, der große Reformen vermisste und von einem "Wahlkampfbudget" sprach. Schieder illustrierte daraufhin anhand zahlreicher Beispiele die Reformfortschritte in den verschiedensten Bereichen (u.a. Pensions- und Steuerrecht) und verwies auf die vielen Offensivmaßnahmen, wie etwa in der Forschung (z.B. Erhöhung der Forschungsprämie), dem Bildungssektor (z.B. Ausbau der Ganztagsschulformen) oder der Jungunternehmerförderung.

Fekter will steuerschonenden Restrukturierungsplan für die Hypo

Finanzministerin Maria Fekter informierte die Abgeordneten schließlich über die Abwicklung der notverstaatlichten Banken und die diesbezüglichen Verhandlungen mit der Europäischen Kommission. Bei der Kommunalkredit gebe es bereits einen positiven Beihilfenbescheid, teilte sie mit. Bezüglich der Hypo Alpe Adria stehe man derzeit noch in Verhandlung über einen Beihilfenbescheid, der jedenfalls eine Fülle von Auflagen enthalten werde, von denen wiederum die Gestaltung des Restrukturierungsplans abhängt. Fekter plädierte in diesem Zusammenhang mit Nachdruck für eine möglichst steuerschonende Lösung. Die Europäische Kommission dränge jedenfalls auf einen Verkauf, das Marktumfeld für Bankenverkäufe sei derzeit aber nicht besonders günstig, gab die Ministerin zu bedenken, die vor diesem Hintergrund zähe und schwierige Verhandlungen mit der Kommission erwartet. (Schluss) hof/sue

Ökonomische Analysen und Darstellungen des Budgetdienstes siehe "Parlament aktiv/Budgetangelegenheiten" auf www.parlament.gv.at