Parlamentskorrespondenz Nr. 758 vom 22.10.2013

EU-Staatsanwaltschaft soll gegen Betrug mit EU-Geldern vorgehen

EU-Unterausschuss unterstützt Kampf gegen Korruption auf EU-Ebene, verlangt aber Präzisierung

Wien (PK) – Der zweite Schwerpunkt des heutigen EU-Unterausschusses des Nationalrats betraf den Plan der Kommission, zur Wahrung der finanziellen Interessen der EU eine Europäische Staatsanwaltschaft (EStA) einzurichten.

Die Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grünen begrüßten diesen Vorstoß als einen sinnvollen Beitrag zur Bekämpfung von Korruption mit EU-Fördergeldern. In diesem Sinne beschlossen sie auch mehrheitlich einen Antrag auf Stellungnahme, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, bei den diesbezüglichen Verhandlungen für eine ausreichende und effiziente personelle Ausstattung der EStA einzutreten. Sie drängen darüber hinaus auch auf einheitliche europäische Verfahrungsbestimmungen, gemeinsame Mindeststandards sowie eine funktionierende gerichtliche Kontrolle. Die AntragstellerInnen vertreten darüber hinaus die Auffassung, dass die Hauptlast für die Ermittlungstätigkeiten nicht bei den nationalen Behörden liegen sollte. Des Weiteren halten sie fest, dass die Kompetenzen von OLAF, dem europäischen Amt für Betrugsbekämpfung, sowie von Eurojust und Europol auf EStA bestmöglich anzupassen seien. Damit unterstützen sie auch die Position von Justizministerin Beatrix Karl.

Im Gegensatz dazu hält die FPÖ den Ansatz, eine Europäische Staatsanwaltschaft zu schaffen, für falsch. Das sei ein überflüssiges bürokratisches Vehikel, wie Abgeordneter Johannes Hübner dies formulierte, EStA würde seiner Meinung nach zu einer Komplizierung und weiteren Undurchsichtigkeit der Verfahren führen. Er glaubte nicht, dass eine Staatsanwaltschaft auf EU-Ebene zu mehr Schuldsprüchen führen werde. Sein Antrag auf Stellungnahme wurde jedoch von den anderen Fraktionen mehrheitlich abgelehnt.

Europäische Staatsanwaltschaft ja, Detailfragen aber noch offen

Die neu einzurichtende Europäische Staatsanwaltschaft (EStA) soll effektiver gegen Betrug und Korruption mit Geldern aus dem EU-Budget vorgehen. Die Mitgliedstaaten, die bislang für die Strafverfolgung auch in diesem Bereich zuständig sind, würden bei derartigen Vergehen nicht mit ausreichendem Nachdruck tätig werden, lautet die Kritik aus der EU. Die bestehende EU-Behörde zur justiziellen Zusammenarbeit Eurojust wiederum sowie Europol und das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) seien wegen ihrer eingeschränkten Zuständigkeit nicht in der Lage, den Schutz des EU-Budgets ausreichend zu gewährleisten.

Die EStA soll diese Lücke ausfüllen und Straftaten gegen den Unionshaushalt strenger und zielgerichteter als nationale Stellen nachgehen. Gemäß Kommissionsplan soll die Zuständigkeit der EStA auf Delikte gegen die finanziellen Interessen der EU beschränkt sein, etwa auf die Veruntreuung von EU-Fördermitteln. Sie soll für die Untersuchung, Verfolgung und Anklageerhebung anstelle der nationalen Staatsanwaltschaften zuständig sein. Bei einstimmigem Beschluss durch den Europäischen Rat könnte die EStA zudem auch gegen schwere grenzüberschreitende Kriminalität mobil machen. Für den Fall, dass nicht alle EU-Mitgliedstaaten mitmachen, ist die Einsetzung der EStA auch in Form der verstärkten Zusammenarbeit von einer Gruppe von mindestens neun EU-Ländern möglich.

Organisatorisch wird vorgeschlagen, eine kleine zentrale Einheit auf europäischer Ebene, angebunden an Eurojust, zu schaffen, der ein Europäischer Staatsanwalt bzw. eine Europäische Staatsanwältin mit vier StellvertreterInnen vorstehen soll. In jedem teilnehmenden Mitgliedsland wird es laut Entwurf delegierte Europäische StaatsanwältInnen geben. Die Verfahren werden von der EStA eingeleitet, sie leitet auch die Ermittlungen, durchgeführt werden sollen diese aber weitgehend von den nationalen Staatsanwaltschaften.

An diesem Punkt hakt die Kritik Österreichs ein. Das Justizressort hält den vorgesehenen Personalstand für die EStA als zu gering und führt an, dass die Hauptlast der tatsächlichen Ermittlungstätigkeit weiterhin bei den nationalen Behörden bleiben soll. Grundsätzlich wird die Initiative jedoch unterstützt.

Man müsse Schritt für Schritt sicherstellen, dass die Mittelverwendung korrekt erfolgt, monierte auch Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V), denn schließlich handle es sich beim EU-Budget um Beiträge aller Länder. Der Ansatz, eine europäische Staatsanwaltschaft zu schaffen, sei daher richtig, man müsse nur darauf achten, dass die EU unter dem Titel der berechtigten Verfolgung von Missbrauch Belastung und Kosten nicht auf die Mitgliedstaaten abwälzt, sagte er.

Im Gegensatz zur FPÖ unterstützten die Ausschussmitglieder von SPÖ, ÖVP und Grünen die Initiative der Kommission, auch wenn es noch viele offene Fragen zu klären gibt. Die Position der Freiheitlichen traf auch deshalb auf wenig Verständnis, weil durchschnittlich 500 bis 700 Mio. € an EU-Förderungen missbräuchlich versickern und nur 42% aller Strafverfolgungsverfahren erfolgreich sind, wie die Abgeordneten Christine Muttonen, Johann Maier (beide S) und Albert Steinhauser (G) betonten. In einigen Mitgliedstaaten seien die Justizbehörden nicht willens oder in der Lage, gegen Betrug und Korruption entschieden vorzugehen, sagte Steinhauser, daher bedürfe es europäischer Strukturen und einer Entkoppelung von der nationalen Justiz. Es liege im Interesse Österreichs als Nettozahler, Betrug und Korruption mit Nachdruck zu verfolgen, die Verantwortlichen zu bestrafen und die Erträge einzuziehen, so der allgemeine Tenor.

Man war sich auch einig, dass es zu keiner Nivellierung bestehender Standards kommen dürfe. Muttonen (S) forderte daher im Sinne der Rechtsstaatlichkeit, die Kompetenzen der EStA klar zu definieren, einheitliche Verfahrensstandards und Mindeststandards für Beschuldigte zu schaffen und eine funktionierende Kontrolle sicherzustellen. Sie sah sich darin eines Sinnes mit Albert Steinhauser (G), der ebenfalls eindringlich dafür plädierte, strenge Vorgaben für Grundrechtseingriffe zu schaffen um diese nicht auszuhebeln.  (Schluss EU-Unterausschuss) jan