Parlamentskorrespondenz Nr. 120 vom 19.02.2014

Entscheidung über die zentrale Bankenabwicklung noch vor EU-Wahlen?

Positive Kommentare zur Bankenunion im EU-Unterausschuss des Nationalrats

Wien (PK) – Die Vollendung der Bankenunion schreitet voran. Nachdem im Herbst des Vorjahres die gemeinsame Bankenaufsicht (Single Supervisory Mechanism, SSM) endgültig auf Schiene gebracht wurde und im November 2014 ihre Tätigkeit aufnehmen soll, soll nun auch rasch - laut Plan ab Jänner 2015 - ein einheitlicher Mechanismus zur Bankenabwicklung ins Leben gerufen werden. Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger zeigte sich im heutigen EU-Unterausschuss des Nationalrats zuversichtlich, dass die Verhandlungen darüber noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament abgeschlossen werden können.

Die Bankenaufsicht ist bei der EZB angesiedelt und wird zur Zeit aufgebaut. Sie soll 128 Großbanken der Eurozone überwachen. Der in der EU intensiv diskutierte Entwurf für einen einheitlichen Mechanismus zur Sanierung bzw. Schließung von maroden Banken (Single Resolution Mechanism SRM) stellt die zweite Säule der angestrebten Bankenunion dar. Ihm sollen alle - also nicht nur die signifikanten - Banken derjenigen Mitgliedstaaten unterliegen, die der gemeinsamen Bankenaufsicht entweder direkt oder im Rahmen einer engen Kooperation angehören.

Zur Finanzierung der Abwicklung ist ein eigener Fonds vorgesehen, in den die Banken einzahlen – eine Versicherung, wie Spindelegger sagte. Aufgrund rechtlicher Schwierigkeiten einzelner Mitgliedstaaten soll dieser Fonds in einem eigenen völkerrechtlichen Vertrag geregelt werden.

Intention des Gesetzesvorhabens ist es, die von der zentralen Bankenaufsicht observierten, in Schwierigkeit geratenen Banken effizient und geordnet abzuwickeln bzw. zu restrukturieren, ohne dabei auf Steuermittel zurückgreifen zu müssen. Die Verluste sollen so weit wie möglich von den Eigentümern und Gläubigern getragen werden ("bail-in"). Negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität sollen möglichst gering gehalten werden. "Too big to fail" soll es demzufolge nicht mehr geben. Angesichts der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Verflechtungen der Banken sowie aufgrund der Lehren, die man aus der Finanz- und Wirtschaftskrise gezogen hat, scheint es darüber hinaus geboten, Abwicklungsbeschlüsse rasch und wirksam zu treffen und einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen, wird seitens der EU betont.

Der Vorschlag für die EU-Verordnung zum einheitlichen Abwicklungsmechanismus stand heute ebenso auf der Tagesordnung des Ausschusses des Nationalrats wie die dritte Komponente des Gesamtpakets, der Richtlinienentwurf zu den Einlagensicherungssystemen. Auch der Bundesrat hat sich in seinem EU-Ausschuss am 11. September 2013 bereits mit dem Abwicklungsmechanismus befasst.

Einheitlicher Abwicklungsmechanismus ist sehr komplex

Die Entscheidungsstrukturen des einheitlichen Abwicklungsmechanismus sehen sowohl ein mit umfassenden Zuständigkeiten ausgestattetes Abwicklungsgremium (Single Resolution Board - SRB) als auch einen europäischen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund - SRF) vor. Dem Abwicklungsboard sollen neben fünf ernannten Mitgliedern auch je ein/e VertreterIn jeder nationalen Abwicklungsbehörde angehören.

Die Abgeordneten aller Fraktionen äußerten sich grundsätzlich positiv zu einem einheitlichen Abwicklungsmechanismus, wenn auch mit unterschiedlichen Nuancierungen. So befürchteten etwa die Abgeordneten Kai Jan Krainer (S), Werner Kogler (G), Bruno Rossmann (G) und Angelika Rosa Mlinar (N), die Entscheidungsstrukturen könnten zu kompliziert sein, um die notwendigen Entscheidungen in einem entsprechend raschen Zeitraum zu fällen.

Laut Vorschlag muss zunächst die EZB in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde feststellen, dass sich eine Bank in massiven Schwierigkeiten befindet und abgewickelt werden sollte. Der Abwicklungsboard prüft, ob eine systemische Bedrohung vorliegt und keine privatwirtschaftliche Lösung möglich ist. Auf dieser Grundlage leitet er dann ein Abwicklungsverfahren ein und beschließt ein entsprechendes Konzept. Die Entscheidungen fallen in Exekutivsitzungen, an denen neben den ernannten Mitgliedern nur die VertreterInnen der von der Abwicklung unmittelbar betroffenen Mitgliedstaaten teilnehmen. Die Beschlüsse sollen 24 Stunden nach deren Annahme wirksam werden, sofern der Rat innerhalb dieser Frist und auf Basis eines Vorschlags der Kommission keine Einwände hat.

Mlinar und Rossmann sprachen sich sogar dafür aus, die letzte Entscheidung völlig der EU-Kommission zu überlassen. Für die NEOS-Abgeordnete stellt daher das vorliegende Dokument einen begrüßenswerten ersten Schritt dar, die Vorschläge sind ihr zufolge aber nicht weitgehend genug.

Im Gegensatz dazu meinte Johannes Hübner (F), mit dem Abwicklungsboard werde eine zusätzliche und unnötige Bürokratie aufgebaut. Die Verwaltung von Fonds und Abwicklungsbeschlüssen müsste eine nationale Kernaufgabe bleiben und dürfe nicht zum Spielball von Mehrheitsentscheidungen in politisierten bzw. politisch beschickten EU-Gremien werden. Ein diesbezüglicher Antrag auf Stellungnahme wurde aber von den anderen Fraktionen mehrheitlich abgelehnt. Der Auffassung der FPÖ widersprach auch der Finanzminister, indem er auf die vielfältigen Synergien hinwies, die ein europäisches System bietet, zumal nicht in jedem Mitgliedsstaat ein derartiges System aufgebaut werden muss.

Minister Spindelegger gab jedoch all jenen Recht, die sich für eine Vereinfachung im Entscheidungsablauf aussprachen. Er habe sich daher auch gegen die Wünsche anderer Länder gestellt, dass dem Rat vor der Entscheidung im Board eine zusätzliche Mitwirkung zukommen soll. Sollte die Diskussion zu einer Entscheidung aufgrund einfacher Mehrheiten im Board tendieren, so werde er sich dafür einsetzen, dass jedem Land eine gleichberechtigte Stimme zukommt.

Hartes Ringen um den Abwicklungsfonds

Der zur Finanzierung der Abwicklung einzurichtende zentrale Fonds zielt nicht darauf ab, Verluste zu übernehmen oder Kapital für marode Banken bereitzustellen. Kernaufgabe des Fonds ist es, die Finanzstabilität zu gewährleisten, indem der Teufelskreis durchbrochen wird, der dazu führt, dass eine Bankenkrise in einem Mitgliedstaat gleichzeitig auch dessen Kreditwürdigkeit auf den Finanzmärkten stark beeinträchtig und letztendlich die SteuerzahlerInnen herangezogen werden. Die bisher im europäischen Gefüge vorgesehenen nationalen Abwicklungsfonds der Mitgliedsstaaten sollen damit vereinheitlicht und zentralisiert werden.

Der Fonds soll in den kommenden 10 Jahren sukzessive von den Banken nach Risikogesichtspunkten gespeist werden. In Summe soll er über Mittel in der Höhe von 1% der gesicherten Einlagen verfügen, das entspricht rund 55 Mrd. €. Diese Summe war etwa Abgeordneter Angelika Rosa Mlinar (N) zu gering.

Auf die Frage, was in der Übergangszeit passieren soll, die sowohl Mlinar als auch Bruno Rossmann (G) aufwarfen, erläuterte Finanzminister Spindelegger, er könne sich vorstellen, in der Übergangsphase die Mittel bereits nach fünf Jahren zu vergemeinschaften. Sollten im Fall des Falles die im Fonds vorhandenen Gelder nicht ausreichen, so mache sich Österreich dafür stark, den ESM heranzuziehen. Spindelegger räumte jedoch ein, dass man darüber noch keinen Konsens erzielt hat, da andere Staaten dafür eintreten, dass der Fonds selbst auf den Markt gehen sollte. Andere Länder verträten wiederum die Auffassung, in dieser Phase sollten doch noch die öffentlichen Budgets herhalten, was Österreich ablehne. Rossmann (G) hielt es für richtig, sowohl dieses "bail-in" Instrument wie auch die Einlagensicherung vorzuziehen.

Wie die Erläuterungen des Finanzministeriums festhalten, haben einige Mitgliedstaaten rechtliche Schwierigkeiten hinsichtlich einiger Details zum Fonds sowie dessen Funktionsweise und der Inanspruchnahme der Gelder angemeldet. Aus diesem Grund soll dazu nun ein völkerrechtlicher Vertrag im Rahmen einer intergouvernementalen Konferenz ausgehandelt werden. Gegen einen solchen völkerrechtlichen Vertrag hat aber das Europäische Parlament Bedenken angemeldet, weshalb derzeit heftig darum gerungen wird.

Diesem zwischenstaatlichen Vertrag stand Bruno Rossmann (G) kritisch gegenüber. Er verwies dabei auch auf die Bedenken des Europäischen Parlaments. Dem gegenüber versicherte Spindelegger, Rat und Parlament seien in der Zwischenzeit einander entgegengekommen und das Parlament werde eine Vertragslösung aller Voraussicht nach akzeptieren. Selbstverständlich werde der Rat auch Wünsche des Parlaments aufgreifen. Er gehe davon aus, dass die entscheidenden Schritte im kommenden März gesetzt werden.

Die Bedenken von Abgeordneter Angelika Winzig (V), die Banken könnten durch die nationale Bankenabgabe und zusätzlich durch die geplanten Beiträge zum Abwicklungsfonds und Einlagensicherungsfonds zu stark belastet werden, versuchte Spindelegger mit dem Hinweis auszuräumen, dass man im gegebenen Fall über die heimische Bankenabgabe reden werden müsse. Den Vorschlag von Kai Jan Krainer (S), das allzu große Wachstum von Banken durch strengere Eigenkapitalvorschriften zu beschränken, versprach Spindelegger in den EU-Gremien vorzubringen. Er machte aber darauf aufmerksam, dass Basel III bereits strengere Eigenkapitalvorschriften den Banken auferlege.

Abgeordnetem Reinhard Eugen Bösch (F) gegenüber stellte er klar, dass man viele Probleme, die Österreich heute mit der Hypo Alpe Adria bewältigen müsse, nicht hätte, wenn es einen solchen Abwicklungsmechanismus schon gäbe.

Spareinlagen werden EU-weit bis 100.00 € geschützt

Auch bei der Europäischen Einlagensicherung, dem dritten bislang heftig diskutierten Pfeiler der Bankenunion, könnte es bald zu einer Einigung kommen. Nachdem die Kommission bereits 2010 einen Vorschlag vorgelegt hatte, gegen den es viele Widerstände gab, kam es Ende 2013 zu einer Annäherung der Standpunkte zwischen den EU-Ländern und dem Europäischen Parlament.

Wie Finanzminister Michael Spindelegger erläuterte, sollen in jedem EU-Land Spareinlagen grundsätzlich bis zu 100.000 Euro pro Kunde geschützt sein. Die Auszahlung der Einlagensicherungen soll innerhalb von sieben Tagen nach Eintreten des Sicherungsfalls erfolgen. Dafür sind jedoch umfassende technische Vorkehrungen zu treffen, wie etwa der Informationsaustausch zwischen Banken und Sicherungssystemen, Kennzeichnung der sicherungspflichtigen Einlagen aber auch der Verzicht auf Anrechnung von Forderungen der Banken gegenüber den Einlegern. Um diese Rahmenbedingungen herzustellen und Auszahlungsschwierigkeiten zu vermeiden, hat man sich auf eine Übergangsfrist bis Ende 2023 geeinigt, innerhalb deren die Auszahlungsfrist sukzessive verringert wird.

Zu Absicherung der dafür nötigen Mittel bekommen die Institute zehn Jahre Zeit, um im Sinne einer ex-ante Finanzierung einen Fonds aufzubauen, dessen Zielgröße 0,8 % der sicherungspflichtigen Einlagen entspricht. Dieser Fonds wird durch regelmäßige risikoorientierte Beträge der Banken gespeist.

Die ex-ante Finanzierung wird laut Vorschlag durch ein ex post-Element ergänzt, d.h. die Mitglieder eines Sicherungssystems müssen einen bestimmten Sonderbeitrag (0,5% der sicherungspflichtigen Einlagen) leisten, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend sind.

Mit dieser Maßnahme soll das Vertrauen der AnlegerInnen gestärkt werden. Die Einlagensicherung dient aber auch dazu, einen destabilisierend wirkenden "run" auf eine Bank bei sich abzeichnenden Schwierigkeiten zu verhindern.

Hinsichtlich der Einlagensicherung wurde im Oktober 2010 im EU-Unterausschuss des Nationalrats mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ ein Antrag auf Mitteilung an die Europäische Kommission angenommen, der die Berücksichtigung des österreichischen Bankensystems mit seinen Haftungsverbänden einfordert. (Fortsetzung EU-Unterausschuss) jan