Parlamentskorrespondenz Nr. 919 vom 16.10.2014

Schelling kündigt Modell für ÖIAG Neu bis Ende November an

Entschlossenheit signalisiert der Finanzminister auch beim Schließen von Steuerlücken

Wien (PK) – Ein einstimmig Richtung Nationalratsplenum verabschiedetes Doppelbesteuerungsabkommen mit Montenegro, das laut Finanzminister Schelling mehr Transparenz in die grenzüberschreitende Besteuerung bringe und die Amtshilfe erleichtere, nutzte der Finanzausschuss heute auch zu einer Debatte über Möglichkeiten im Kampf gegen "aggressive Steuerplanungen" von EU-Ländern. Nach dem Ende irischer Steuerbegünstigungen unter dem Titel "Double Irish" warnten die ParlamentarierInnen vor der Nutzung von "Patentboxen" und unterstützten Finanzminister Hans Jörg Schelling in seiner Absicht, sich auf europäischer Ebene für das Schließen von Steuerlücken einzusetzen. Aktuelle Fragen zum Thema ÖIAG beantwortete der Finanzminister, indem er die Notwendigkeit einer professionellen Vorgangsweise betonte, sich für eine rasche Entscheidung offener Personalfragen aussprach und über die Bemühungen einer Arbeitsgruppe informierte, bis Ende November ein Modell für eine ÖIAG Neu samt Definition von Zielen, Strategie und Struktur auszuarbeiten. Zum Thema Crowdfunding, das die Grünen mit einem mehrheitlich vertagten Entschließungsantrag forcierten, stellte der Finanzminister – nach Absprache mit dem Wirtschaftsminister - einen Gesetzentwurf noch im Jahr 2014 in Aussicht.

Aggressive Steuerplanungen – folgen "Patentboxen" auf "Double Irish"?

Ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Montenegro regelt die Einkommens- und Vermögensbesteuerung zwischen den beiden Staaten. Der Vertrag entspricht den Anforderungen des modernen Wirtschaftslebens und der internationalen Steuervertragspraxis sowie den neuen OECD-Standards betreffend Transparenz und Amtshilfe bei Sachverhaltserhebungen (227 d.B. ). – Das von Sprechern aller Fraktionen positiv aufgenommene Doppelbesteuerungsabkommen, das mehr Transparenz bringe und die Amtshilfe erleichtere, wie Finanzminister Schelling ausführte, wurde vom Ausschuss einstimmig Richtung Nationalratsplenum verabschiedet.

Im Mittelpunkt der Debatte stand auch die Frage nach einer geeigneten Vorgangsweise gegen "aggressive Steuerplanungen" einzelner EU-Mitgliedsländer. Nach der Aufgabe des "Double Irish" ab 2020 bestehe die Gefahr, dass ähnlich wirkende Steuerbegünstigungen in Form von "Patentboxen" eingeführt werden. Auf diesbezügliche Fragen der Abgeordneten Hubert Fuchs (F), Bruno Rossmann (G) und Christoph Matznetter (S) führte Finanzminister Hans Jörg Schelling aus, er wolle die veränderte Situation in Irland und die Abschaffung des Irish Double dazu nutzen zu europäischen Regelungen gegen aggressive Steuerplanungen zu gelangen. Gegen die Praxis, Steuern zwar einzuheben, sie aber zurückzuführen, will der Finanzminister mit einer Gesetzesänderung vorgehen. Länder die Steuern rückführen, soll die Absetzmöglichkeit entzogen werden. Für nicht sinnvoll hielt es Schelling, europäische Vorkehrungen gegen aggressive Steuerplanungen auf EU-Ebene mit dem Thema Körperschaftsteuer zu verknüpfen.  

Schelling: Modell für ÖIAG Neu bis Ende November

Der Absicht der Bundesregierung, nicht mehr benötigte Grundstücke und Gebäude in mehreren Bundesländern zu verwerten, stimmte der Finanzausschuss mit der Mehrheit von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS zu. Eine Liegenschaft in Nikaragua, die dort im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit erworben wurde, wird unentgeltlich nikaraguanischen EZA-Organisationen überlassen. Im Falle einer - derzeit nicht absehbaren - Wertsteigerung und Vermarktung des Objekts gilt eine Nachbesserungspflicht der neuen Eigentümer (260 d.B. ).

Die Debatte eröffnete Abgeordneter Hubert Fuchs (F) mit Kritik an der geplanten Verwertung der Graf Starhemberg-Kaserne, obwohl dort in den letzten Jahren Beträge in Millionenhöhe investiert wurden. Die unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks in Nikaragua an Entwicklungs-NGOs begrüßten die Abgeordneten Bruno Rossmann (G), Petra Bayr und Christoph Matznetter (beide S) ausdrücklich. Bayr und Matznetter brachten ihr Bedauern darüber zum Ausdruck, dass sich Österreich in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit vollständig aus Lateinamerika zurückgezogen habe. Bayr appellierte an den neuen Finanzminister, zu einem Mitstreiter im Bemühen um Stärkung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit zu werden und die Austrian Development Agency mit den nötigen Geldmitteln auszustatten. Der Finanzminister berichtete dem Ausschuss über ein Gespräch mit der Weltbank und lud die Mitglieder des Ausschusses zu einem Meinungsaustausch mit dem für EZA zuständigen Weltbankdirektor ein.

Die Methode der Wertermittlung beim Verkauf bundeseigener Immobilien erläuterte der Finanzminister den Abgeordneten Bruno Rossmann (G) und Hubert Fuchs (F), wobei er anmerkte, dass die Investitionen in die Starhemberg-Kaserne sinnvoll genutzt werden und im Verkaufspreis Berücksichtigung finden. 

Auf aktuelle Ereignisse bei der ÖIAG und der OMV angesprochen, informierte Bundesminister Schelling den Ausschuss über die Reform-Arbeitsgruppe, die bis Ende November für die ÖIAG Ziele, Strategie und Struktur ausarbeite, wobei völlig offen sei, für welches Modell man sich entscheiden werde. Jede Eingliederung eines Betriebes in die ÖIAG müsse Fall für Fall auf Sinnhaftigkeit und Synergien hin untersucht werden. Zur Frage des Privatisierungsauftrags erklärte Schelling, es könne Betriebe geben, die nie privatisiert werden, wo aber die Frage einer technischen Privatisierung zu klären sei. Über aktuelle Personalentscheidungen werde er in den nächsten Tagen Gespräche mit dem ÖIAG-Aufsichtsrat führen und nötigenfalls eine Hauptversammlung einberufen. "Wir brauchen die besten Köpfe mit der höchsten Qualifikation", hielt Schelling fest. Die Selbsterneuerung des Aufsichtsrates sei gut gemeint gewesen, aber schlecht gemacht worden, sagte der Finanzminister und plädierte für eine rasche Korrektur, die aber eine Änderung des ÖIAG-Gesetzes voraussetze.   

Schelling kündigt gesetzliche Lösung für Crowdfunding noch im heurigen Jahr an

Grundlage für eine ausführliche Diskussion über das Thema Crowdfunding war ein entsprechender Entschließungsantrag der Grünen (33/A(E) ). Darin fordert die G-Mandatarin Ruperta Lichtenecker den Finanzminister u.a. auf, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die  Entwicklung innovativer Crowdfunding-Modelle zur Sicherung von KMU und Energiewendeprojekten zum Inhalt hat. Finanzkrise und Kreditklemme erschwerten die Gründung neuer und die Finanzierung etablierter Unternehmen, argumentieren die Grünen.

Der Vertreter des Team Stronach, Robert Lugar, kritisierte, dass vor allem von Seiten der Banken gegen Crowdfunding, oder besser gesagt Wagniskapital, opponiert werde. Es müsse eine endlich eine Lösung gefunden werden, da diese Finanzierungsform eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten darstelle. Die Jungunternehmer bekommen Zugang zu frischem Kapital und die potentiellen Anleger, deren Geld bis jetzt auf den Sparbüchern quasi enteignet wurde, erhalten alternative Investitionsmöglichkeiten. Was den vielstrapazierten Anlegerschutz angeht, so frage er sich, wo dieser beim Aktienbesitz sei.

Er würde den Antrag der Grünen unterstützen, meinte Rainer Hable von den NEOS, seine Fraktion habe einen ähnlich lautenden eingebracht. Angesichts der herrschenden Kreditklemme müsse man seiner Meinung nach alles daran setzen, um die Diskriminierung von privaten Finanzierungsinstrumenten zu beenden. - Auch FPÖ-Mandatar Roman Haider drängte auf eine rasche Lösung, damit vor allem junge und innovative Start-up-Unternehmen eine Chance bekommen.

Abgeordneter Werner Groiß (V) zeigte Verständnis für das Anliegen der Grünen, der Begründung des Antrags könne er sich jedoch nicht anschließen. Bevor es einen Beschluss in dieser Frage geben könne, müssen Fragen wie z.B. die Versteuerung von Beteiligungen, die Veräußerung der Produkte, die Vermeidung von Geldwäsche, der Anlegerschutz, die Transparenz der Plattformen und Haftungsprobleme noch ausreichend geklärt werden. Aus diesem Grund stellte er einen Vertagungsantrag.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) erinnerte daran, dass im Juli des Vorjahres nach langen Diskussionen eine einstimmige Entschließung zu diesem Thema beschlossen wurde, die – im Gegensatz zu den Forderungen der Grünen und der NEOS - noch immer eine sehr vernünftige Basis darstelle, auf der man aufbauen sollte. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, zu klären, inwieweit eine unabhängige Stelle selbst Prüfaufgaben übernehmen kann bzw. ob bestehende Prüfinstanzen im Sinne des Anlegerschutzes ausreichend sind (z.B. im Hinblick auf Spendenabsetzbarkeitsregelungen bei NGOs), um für kleinere und mittlere Finanzierungserfordernisse bis ca. 750.000 € die verhältnismäßig hohen Prospekterstellungs- und prüfungskosten zu reduzieren. Dabei soll auch die Haftungsproblematik berücksichtigt werden. Außerdem sollte sich die Regierung auf europäischer Ebene aktiv für die rasche Schaffung eines Rechtsrahmens für Crowdfinancing-Plattformen unter Berücksichtigung eines effektiven Anlegerschutzes einsetzen. Was die Initiative des Waldviertler Unternehmers Heini Staudinger betrifft, so sei er froh, dass die FMA tätig geworden ist, da in diesem Fall unter dem Vorwand, ein Sparverein zu sein, Hochrisikokapital lukriert wurde.

Ruperta Lichtenecker (G) räumte gegenüber Kai Jan Krainer ein, dass die Grünen vor einem Jahr der angesprochenen Entschließung zugestimmt haben. Allerdings habe man dies immer nur als Übergangslösung angesehen.

Bundesminister Hans Jörg Schelling informierte einleitend darüber, dass das sogenannte "shadow banking" ein Schwerpunktthema bei der letzten IWF-Konferenz gewesen ist und auch die Weltbank die Länder aufgerufen hat, auf diese Problematik ein Auge zu werfen. Was die angesprochene Kreditklemme angeht, so sei man sich nicht ganz sicher, ob sie nachfrage- oder angebotsbedingt sei, merkte Schelling an, es mache jedenfalls Sinn, sich alternative Finanzierungsinstrumente zu überlegen. Dabei gebe es aber eine Reihe von Punkten, die man sich genau anschauen müsse, wie etwa die Frage der Transparenz der Plattformen oder den Anlegerschutz. Sein Ressort habe bereits zahlreiche Vorarbeiten dazu geleistet und einen fertigen Vorschlag ausgearbeitet. Dieser müsse nun mit dem Wirtschaftsministerium abgesprochen werden. Er gehe davon aus, dass noch im heurigen Jahr dem Parlament ein fertiger Entwurf zugeleitet werden könne. - Der G-Antrag wurde nach Ende der Debatte mit S-V-Mehrheit vertagt. (Schluss) fru/sue