Parlamentskorrespondenz Nr. 957 vom 23.10.2014

Nationalrat beschließt ESM-Direkthilfe für Systembanken

Auch Abkommen mit den USA über Kontoinformationen ihrer BürgerInnen genehmigt

Wien (PK) – Die finanzpolitischen Beschlüsse des Nationalrats in der heutigen Plenarsitzung sehen die Einrichtung eines Instruments zur Direktkapitalisierung hilfsbedürftiger europäischer Systembanken beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (SPÖ-ÖVP-Mehrheit) vor, erlauben die Ratifizierung eines Doppelbesteuerungsabkommens mit Montenegro (einstimmig), die Veräußerung nicht mehr benötigter Bundesimmobilien (Mehrheit von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS) und die Ratifikation eines Abkommens mit den USA zur Information der US-Steuerbehörde über Konten von US-BürgerInnen in Österreich (SPÖ-ÖVP-Mehrheit).

Die Abgeordneten nutzten die Debatten auch zur Diskussion über europäische und internationale Finanzpolitik sowie über ökonomische Grundsatzfragen. So verlangten ParlamentarierInnen Vorkehrungen gegen aggressive Steuerplanungen anderer EU-Mitgliedsländer und drängten mehrheitlich darauf, mit Euroländern, die ESM-Hilfe in Anspruch nehmen wollen, auch über die verstärkte Zusammenarbeit zur Einführung der Finanztransaktionssteuer zu verhandeln. Thematisiert wurden auch Finanzierungsfragen der Entwicklungszusammenarbeit im Hinblick auf die Budgetkonsolidierung. Die anhaltende Finanzkrise und Wachstumsschwäche in Europa veranlasste einzelne Abgeordnete, die Rolle der Politik als Krisenfeuerwehr des Kapitalismus zu problematisieren, wobei auch der Zusammenhang zwischen Vermögensverteilung und Wirtschaftswachstum zur Sprache kam, jene aktuelle Diskussion also, die der französische Starökonom Thomas Picketty mit seinem jüngst auch auf Deutsch erschienenen Bestseller "Das Kapital im 21. Jahrhundert" ausgelöst hat. Ein Antrag der FPÖ auf Austritt Österreich aus dem ESM erhielt keine Mehrheit.

Grünes Licht für Rekapitalisierung systemrelevanter Banken in Europa

Die österreichische VertreterIn im Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wird ermächtigt, im Gouverneursrat der Einrichtung eines Instruments zur direkten Rekapitalisierung systemrelevanter Banken zuzustimmen, die im Falle der Instabilität die Finanzlage des Euro-Raums und seiner Mitgliedstaaten gefährden könnten. Das Einstimmigkeitsprinzip für alle wesentlichen ESM-Entscheidungen garantiert, dass Finanzhilfen bei solchen Rekapitalisierungen nicht gegen den Willen Österreichs gewährt werden können.

Mit grundsätzlicher Kritik am ESM-Vertrag, der dem Vertrag von Lissabon widerspreche, und der dringenden Aufforderung beim ESM umzudenken, leitete Elmar Podgorschek (F) die Debatte ein. Für dringend notwendig hielt der Redner auch eine Änderung der Geschäftsordnung um die parlamentarische Mitwirkung bei ESM-Entscheidungen über Direkthilfen für Banken zu gewährleisten.

Das Parlament sei in Entscheidungen des ESM-Gouverneursrats gut eingebunden, nicht zuletzt durch eine diesbezügliche Entschließung des ESM-Unterausschusses, eine Geschäftsordnungsänderung sei daher nicht notwendig, hielt Gabriele Tamandl (V) demgegenüber fest und zeigte sich überzeugt, dass das Parlament nicht viele Gelegenheiten haben werde, über den Einsatz des neuen ESM-Instruments zu debattieren.

  

Österreich nehme beim Thema Finanztransaktionssteuer eine gute Position ein, lobte Abgeordneter Werner Kogler (G), der auch Finanzminister Schelling in die richtige Richtung gehen sah. " Wir brauchen eine vernünftige Bemessungsgrundlage für die Finanztransaktionssteuer", sagte Kogler, "eine bloße Börsensteuer reicht nicht aus". Auch bei der Bankenrekapitalisierung sei viel gelungen, die Bail-in-Regeln seien aber zu schwach, merkte Kogler an, der die parlamentarische Mitwirkung in der Geschäftsordnung fixiert sehen möchte.

Die direkte Bankenrekapitalisierung durch den ESM sei notwendig, wenn ein EU-Land die dafür notwendigen Mittel nicht selbst aufbringen könne, sagte Abgeordneter Kai Jan Krainer (S), der einen konkreter Anwendungsfall für dieses neue Instrument derzeit nicht sah. Über Nachbesserungen bei der parlamentarischen Mitwirkung sei seine Fraktion gesprächsbereit.

Kathrin Nachbaur (T) wandte sich entschieden dagegen, den ESM zur Bankenrettung heranzuziehen und die EU zu einer Schuldenunion zu machen. Was in Spanien praktiziert wurde, eine Rettungsaktion für Banken auf Kosten der europäischen Steuerzahler, werde nun legalisiert. "Banken, die Pleite gehen, sollen Pleite gehen", formulierte Nachbaur und unterstrich das Eintreten ihrer Fraktion für eine soziale Marktwirtschaft, mit der es aus ihrer Sicht unvereinbar sei, Spekulationsbanken mit Steuergeld über Wasser zu halten.

In den letzten Jahren sei in Europa viel geschehen, um die Stabilität der Banken zu erhöhen und eine geordnete Abwicklung von Banken zu ermöglichen, schickte Bundesminister Hans Jörg Schelling seinen Ausführungen voran. Mit dem neuen ESM-Instrument werden die Haftungen Österreichs nicht erhöht, erinnerte Schelling weiter und erläuterte die strengen Anspruchsvoraussetzungen für eine direkte ESM-Bankenhilfe. Geholfen werde nur lebensfähigen Banken, für nicht lebensfähige Banken gebe es ein Abwicklungsinstrumentarium. In jedem Fall einer ESM-Direkthilfe für eine Bank werde der Nationalrat befasst.

Es sei wichtig, ein europäisches Instrument zur Verfügung zu haben, um Banken rekapitalisieren zu können, unterstrich Abgeordneter Andreas Zakostelsky (V). Wichtig sei auch die Mitwirkung des Nationalrates an den jeweiligen Entscheidungen. Die Bankenunion insgesamt diene dazu, den Teufelskreis zwischen Banken und Steuerzahlern zu durchbrechen und zu verhindern, dass Probleme aus dem Finanzsektor auf den Staat übertragen werden. Tatsächlich stabilisiere das neue ESM-Instrument die Banken und schütze die SteuerzahlerInnen.

Nachdem FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger (F) von einem weiteren Schritt auf dem Weg der Entmachtung der Staaten durch die EU sprach, den ESM als eine Bad Bank bezeichnete, die Steuergeld verwende, um ihre Verluste abzudecken, auf ESM-Notfälle hinwies, bei denen die Einstimmigkeit im Gouverneursrat nicht gelte und vor Milliardenkosten für die Steuerzahler Europas warnte, verteidigte Christoph Matznetter (S) die Einrichtung einer europäischen Bankenversicherung und widersprach der Auffassung von Klubobfrau Nachbaur vehement, man sollte Banken Pleite gehen lassen. Wohin das führe, habe man bei der Pleite einer relativ kleinen Bank – Lehman Brothers – gesehen, sagte Matznetter. "Wir brauchen europäische Lösungen bei Problemen auf dem Finanzsektor", sagte der Redner.

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) plädierte in der Frage der parlamentarischen Mitwirkung für eine Verfassungsänderung. Hinsichtlich der Voraussetzungen für Direktkapitalisierungen bei Banken warnte Rossmann vor zu geringen Bail-In- und Kernkapitalquoten und merkte an, dass erst ein brauchbarer Abwicklungsmechanismus es ermöglichen werde, Banken ohne Belastung der SteuerzahlerInnen abzuwickeln.

Man sollte den Spekulationskapitalismus einer fundamentalen Kritik unterziehen und auf der Basis eines Konkurrenzkapitalismus als soziale Marktwirtschaft neu organisieren. Dazu gehöre die Finanztransaktionssteuer und die richtigen Lehren aus der Beobachtung des französischen Ökonomen Thomas Piketty, dass eine zu starke Konzentration der Vermögen das Wirtschaftswachstum beeinträchtige.

Abgeordneter Roman Haider (F) zeigte sich gespannt auf das Ergebnis des aktuellen Bankenstresstests, befürchtete negative Ergebnisse und warnte vor Belastungen für die SteuerzahlerInnen durch das neue ESM-Instrument.

Das Beispiel Griechenland zeige, dass es falsch sei, einen Pleitekandidaten mit Milliardenkrediten daran zu hindern, sich selbst zu heilen. Man habe diesen falschen Weg eingeschlagen, um Banken mit Steuergeld zu retten und setze ihn nun mit dem neuen Instrument für den ESM fort, kritisierte Abgeordneter Robert Lugar (T).

Doppelbesteuerungsabkommen mit Montenegro – Lob für die Verhandler

Die einhellige Zustimmung zu dem hervorragend ausverhandelten Staatsvertrag, so das Lob mehrerer ParlamentrierInnen, begründete Gabriel Obernosterer (V) einleitend mit den sich stark intensivierenden Wirtschaftsbeziehung zu Montenegro.

Maximilian Unterrainer (S) plädierte für mehr Steuergerechtigkeit in Europa und trat dafür ein, Steueroasen auszutrocknen und Maßnahmen gegen den Steuerwettbewerb zwischen EU-Mitgliedsländern im Sinne höherer Steuergerechtigkeit zu ergreifen. Auch Abgeordneter Roman Haider (F) signalisierte Zustimmung zu dem Abkommen, obwohl es de facto das Bankengeheimnis abschaffe.

Verkauf nicht mehr benötigter Liegenschaften des Bundes

Das "Versilbern von Eigentum der Allgemeinheit, um Budgetlöcher zu stopfen" kritisierten die FPÖ-Abgeordneten Axel Kassegger und Elmar Podgorschek, wandten sich gegen den Verkauf der Starhembergkaserne, wo Investition in Millionenhöhe getätigt wurden und beantragten die Auflösung der Kasernenverwertungsgesellschaft SIVBEG und die Übertragung ihrer Agenden an die BIG. Demgegenüber hielt es  

ÖVP-Abgeordneter Werner Groiß (V) für wichtig, nicht benötigtes Immobilienvermögen zu veräußern, damit Betriebsausgaben zu sparen und gute Verkaufserlöse zu lukrieren.

Die Übertragung von Grundstücken in Nikaragua an Entwicklungs-NGOs sei zu begrüßen, obwohl dies im Zusammenhang mit dem Rückzug Österreichs aus der bilateralen EZA in Nikaragua stehe, sagte Abgeordnete Petra Bayr (S), die den Finanzminister bat, die bilaterale EZA Österreichs finanziell so auszustatten, dass es seine internationalen Verpflichtungen erfüllen könne.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf mehrheitlich angenommen. Der FPÖ-Entschließungsantrag zur Auflösung der SIVBEG fand keine Mehrheit und wurde abgelehnt.

Abkommen mit den USA über Konten von US-BürgerInnen in Österreich

Ein Abkommen mit den USA über Konten von US-BürgerInnen in Österreich dient der Umsetzung eines im Juli 2014 in den USA in Kraft getretenen Gesetzes mit dem Titel "Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA)", das die Einhaltung der Steuerpflicht von US-BürgerInnen mit Konten im Ausland gewährleisten soll. Das Gesetz verpflichtet Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister weltweit, die US-Steuerbehörden über alle in den USA steuerpflichtigen Personen zu informieren, die bei ihnen ein Konto halten. Alternativ zur Weiterleitung der Informationen kann das Finanzinstitut eine Quellensteuer von 30% einheben oder das Konto schließen. Finanzinstitute, die sich weigern, FATCA umzusetzen, verlieren den Zugang zum US-amerikanischen Kapitalmarkt und müssen zudem mit Nachteilen im Geschäftsverkehr mit anderen Finanzinstituten rechnen, die FATCA umsetzen. Da österreichische Institute Zugang zum US-Kapitalmarkt brauchen, das österreichische Recht aber einen automatischen Austausch von Bankinformationen ausschließt, vereinbarte die Regierung mit den USA eine Information der US-Bundessteuerbehörde von Seiten österreichischer Finanzinstitute, sofern die Kunden zustimmen. Andernfalls erhält die US-Behörde aggregierte Kontoinformationen ohne Identifikation der einzelnen Kunden. Aufgrund dieser Informationen können die USA Gruppenanfragen im Sinne der OECD-Standards betreffend steuerliche Transparenz und Amtshilfebereitschaft an Österreich richten, die im Wege der Amtshilfe behandelt werden. Damit wird die Einhebung von Quellensteuern in Österreich vermieden.

FPÖ-Abgeordneter Elmar Podgorschek (F) kritisierte das Abkommen, das eine Einbahnstraße Richtung USA darstelle, weil es nicht gewährleiste, dass auch Österreich Informationen aus den USA bekomme. Für Bankkunden mit US-Bezug werde das Bankgeheimnis aufgehoben, ohne das Österreich seinerseits Informationsrechte von den USA bekomme. "Dieses Abkommen ist abzulehnen", schloss Podgorschek.

Es gehe um den Kampf gegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, führte Andreas Zakostelsky (V) aus. Es sei gelungen, ein Abkommen mit den USA abzuschließen, das sich am Kampf gegen kriminelle Machenschaften beteilige, ohne den Banken zu viel Bürokratie zuzumuten, lobte der Abgeordnete.

Die Ablehnung seiner Fraktion kündigte Abgeordneter Werner Kogler (G) an, obwohl es bei FATCA in die richtige Richtung gegen Steuerhinterziehung gehe, zeige das Abkommen, wie schwach Europa gegenüber den USA auftrete. Er wolle sich auch dann nicht erpressen lassen, wenn das Ziel der Erpressung diskussionswürdig sei, sagte Kogler.

  

Das FATCA-Abkommen sollte man nicht mit Abkommen wie TTIP vergleichen, sagte Abgeordneter Hubert Kuzdas (S). Bei FATCA gehe es um Maßnahmen gegen Steuerflucht. Es sei wichtig, Steuerflüchtlinge aufzudecken und zu verhindern, dass Steuerzahlen zu einem "Privileg von ArbeitnehmerInnen und KMU" werde. Es sei nicht einzusehen, dass multinationale Konzerne ihre Gewinne kaum versteuern müssen, während Arbeitnehmer einen Eingangssteuersatz von 35% bezahlen müssen. Auch Abgeordneter Jakob Auer (V) hielt es für positiv, den Steuerbetrug zu bekämpfen und dafür zu sorgen, dass auch große Unternehmen ihre Steuern zahlen. Auch die USA sollten aber ihre Steueroasen trocken legen. Hermann Schultes (V) zeigt sich abschließend verwundert, die USA und Österreich ein Abkommen abschließen müssen, das eigentlich zwischen den USA und der EU abgeschlossen werden sollte. Weil das nicht geschehe, könnten die großen USA kleinen Staaten vorschreiben, wie der Informationsaustausch vor sich zu gehen hat. Für Schultes ein weiteres Beispiel dafür, dass die EU im Interesse der kleinen Mitgliedsstaaten mit den großen Blöcken verhandeln und den Weg zu einer europäischen Finanzunion weiter gehen sollte. - Der Staatsvertrag mit den USA wurde bei der Abstimmung mehrheitlich genehmigt. (Schluss) fru