Parlamentskorrespondenz Nr. 474 vom 06.05.2015

Kommission ist bereit, Mitgliedstaaten mehr einzubinden

Kritik des Bundesrats und anderer EU-Mitgliedstaaten an delegierten Rechtsakten zeitigt Wirkung

Wien (PK) – Steter Tropfen höhlt den Stein. Das kann auch der Bundesrat behaupten, der immer wieder die zunehmende Anwendung so genannter delegierter Rechtsakte scharf kritisiert hat, weil diese die Mitwirkungsrechte der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung aushöhlen. Delegierte Rechtsakte werden aufgrund von europäischen Gesetzen von der EU-Kommission erlassen, wobei es in vielen Fällen nicht nur um (verwaltungs-)technische Fragen geht, die rascher und flexibler geändert können werden sollen, sondern in zunehmendem Ausmaß auch inhaltliche Vorschriften davon betroffen sind, wo ExpertInnen der Mitgliedstaaten erforderlich scheinen, weil sich so manche Aspekte sehr unterschiedlich auswirken können. Der EU-Ausschuss des Bundesrats hat dazu bereits im Jahr 2013 in einer Mitteilung an die Kommission seine schwerwiegenden Bedenken gegenüber der diesbezüglichen Praxis geäußert. Nun hat die Kommission aufgrund eines Schreibens der Ständigen Vertreterin Lettlands Entgegenkommen signalisiert und Vorschläge unterbreitet, was im heutigen EU-Ausschuss mit Freude zur Kenntnis genommen wurde.

Man freue sich über die neue Kultur der Kommission, denn der Ausschuss habe seine Bedenken zu den delegierten Rechtsakten nicht nur in der aus dem Jahr 2013 stammenden Mitteilung kundgetan, auch bei der COSAC (Konferenz der Europaausschüsse) sei diese Frage immer wieder thematisiert worden, betonte Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V). Der Ausschuss werde diesen Punkt bei der nächsten Sitzung nochmals auf die Tagesordnung setzen und eine Mitteilung dazu verfassen, um den Standpunkt des Bundesrats einmal mehr zu bekräftigen.

Praxis der Kommission entspricht nicht Vereinbarung aus dem Jahr 2011

Obwohl es seit 2011 eine Verpflichtung zur Konsultation nationaler ExpertInnen bei der Ausarbeitung delegierter Rechtsakte aufgrund einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen Rat, Kommission und Europäischem Parlament gibt ("common understanding"), ist die diesbezügliche Praxis der Kommission für die Mitgliedstaaten in keiner Weise zufriedenstellend. Die EU-Länder drängen daher auf eine systematische, zeitgerechte, angemessene und transparente Konsultation nationaler ExpertInnen bei der Ausarbeitung delegierter Rechtsakte, also vor deren Erlass durch die Kommission. Der Rat hatte daher im Februar 2014 den Vorschlag unterbreitet, die bisherigen Regelungen in der Vereinbarung in Bezug auf die Einbindung nationaler Experten zu stärken. Da, wie das Außenministerium in seiner Information betont, eine substantielle Reaktion von Kommission und Europäischem Parlament ausgeblieben war, richtete die Ständige Vertreterin Lettlands bei der Europäischen Union im Namen des Rates im Februar 2015 ein Schreiben an Kommissionspräsident Jean Claude Juncker und Parlamentspräsident Martin Schulz.

In Reaktion auf dieses Schreiben zeigt sich die EU-Kommission nun bereit, in die Ausarbeitung von delegierten Rechtsakten nationale ExpertInnen systematisch einzubinden, die Entwürfe zu veröffentlichen, öffentliche Konsultationen bei breiter Betroffenheit der Öffentlichkeit durchzuführen, ein öffentliches Register für delegierte Rechtsakte anzulegen sowie gemeinsame Kriterien und Kategorien zur Abgrenzung von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten zu erarbeiten. Die Bundesrätinnen und Bundesräte erachten es in diesem Zusammenhang für notwendig, diese Zusagen auch rechtlich abzusichern.

EU-Ausschuss: Delegierte Rechtsakte nur sparsam anwenden

Stefan Schennach (S/W) unterstrich die Notwendigkeit der Transparenz und machte deutlich, dass man trotz der Zusagen der Kommission sparsam mit delegierten Rechtsakten umgehen müsse. Vor allem sei darauf zu achten, dass nicht alles über Expertinnen und Experten läuft, sondern die Dinge an die Parlamente zurückgespielt werden, monierte Schennach. Ebenso äußerte Gerd Krusche (F/St) die Sorge, die Zahl der delegierten Rechtsakte könnte zunehmen, auch würden die Expertinnen und Experten nicht der parlamentarischen Kontrolle unterliegen.

Diese Bedenken konnte die Expertin des Außenministeriums insofern entkräften, als sie darauf hinwies, dass die Einladung der Expertinnen und Experten über die Ständige Vertretung in Brüssel an das zuständige Ministerium erfolge, das dann nominiere und somit auch verantwortlich zeichne. Damit sei die indirekte Kontrolle des Parlaments gewahrt, sagte sie, die genannten Personen hätten auch nur beratende Funktion. Ein Ansteigen von delegierten Rechtsakten befürchtet sie nicht. Nach Wortmeldungen der BundesrätInnen Wolfgang Beer (S/W), Ana Blatnik (S/K) und Stefan Schennach (S/W) unterstrich man seitens des Außenministeriums nochmals die Vorteile durch eine stärkere Einbindung bei der Ausarbeitung von delegierten Rechtsakten. Der Informationsfluss werde besser und man könne auch leichter inhaltlich Einfluss nehmen. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) jan       


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