Parlamentskorrespondenz Nr. 608 vom 08.06.2015

NEOS und Team Stronach: Gläserner Staat statt gläserne BürgerInnen

Nationalrat: Kleine Fraktionen verteidigen mit FPÖ-Unterstützung das Bankgeheimnis

Wien (PK) – "Stopp dem Überwachungsstaat: Gläserner Staat statt gläserne Bürgerinnen und Bürger" – unter diesem Titel beantragten die Klubobleute Matthias Strolz (N) und Waltraud Dietrich (T) in der heutigen Sondersitzung des Nationalrates dringlich eine Entschließung des Nationalrates gegen den "Angriff auf die Privatsphäre", wie ihn die Regierung etwa mit der Lockerung des Bankgeheimnisses plane. Auf bloßen Verdacht hin – ohne richterliche Genehmigung – sollen Finanzbeamte künftig Einsicht in Konten aller BürgerInnen nehmen können, warnen die Abgeordneten der beiden kleinen Parlamentsfraktionen. An der Spitze ihres von NEOS-Klubobmann Matthias Strolz im Detail erläuterten Antrages mit 14 Punkten steht daher "Keine Kontenöffnung ohne richterlichen Beschluss". Die Verteidigung des Bankgeheimnisses untermauerten Matthias Strolz, Waltraud Dietrich und RednerInnen ihrer Fraktionen mit genereller Kritik an einer zunehmenden und immer bedenklicheren Schieflage zwischen Staat und BürgerInnen beim Zugang zu  Informationen einerseits und bei der notwendigen Transparenz andererseits. Während der Staat immer mehr private Daten von BürgerInnen sammle, hülle er sich selbst und seine Organe unter dem Deckmantel des Amtsgeheimnisses in Schweigen, klagen NEOS und Team Stronach.

Konkret wenden sich beide Klubs gegen überbordende Ermächtigungen zur Sammlung von Fingerabdrücken und IP-Adressen im Finanzstrafgesetz, gegen systematische personenbezogene Datenspeicherung ohne Anlass und ohne parlamentarische Kontrolle sowie gegen Fluggastdatenspeicherung in der EU. NEOS und Team Stronach wollen die parlamentarische Kontrolle von Nachrichtendiensten und Verfassungsschutz stärken und den Zugang der StaatsbürgerInnen zu Informationen über die Verwendung des Steuergelds gewährleisten. Österreich brauche eine effiziente Transparenzdatenbank zur umfassenden Abbildung des Förderwesens, heißt es. Zudem drängen die AntragstellerInnen auf ein einheitliches Rechnungswesen der Bundesländer mit doppelter Buchführung und  klaren Regeln für Ausgliederungen, Beteiligungen sowie für Haftungen, und zwar auch solcher für ausgegliederte Einheiten. Schließlich fordern die kleinen Parlamentsparteien ein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften, transparente Verhandlungen über den neuen Finanzausgleich sowie eine echte Informationsfreiheit durch Abschaffung des Amtsgeheimnisses samt Umsetzung eines Open Data-Konzeptes der öffentlichen Hand.

Strolz warnt vor Überwachungsstaat und Willkür gegen BürgerInnen

Vor einem "Überwachungsstaat auf der Beschleunigungsspur" warnte NEOS-Klubobmann Matthias Strolz und berichtete von Druck, der bei der Gründung der NEOS von Behörden und Banken auf UnterstützerInnen der neuen Partei ausgeübt worden sei, unter anderem von der Zurückziehung bereits zugesagter Kredite. Strolz warnte davor, den Staat Informationen sammeln zu lassen, die dazu missbraucht werden können, Menschen politisch unter Druck zu setzen.

Laut Strolz versuche die Regierung, die Freiheit der BürgerInnen täglich ein bisschen mehr zu beschneiden. Der Staat bewache seine BürgerInnen, sei selbst aber nicht zu Transparenz bereit, sondern stelle frei geborene Menschen unter Generalverdacht. In Österreich sei es um die Transparenz des Staates im internationalen Vergleich schlecht bestellt, sagt Strolz, weil es das Amtsgeheimnis möglich mache, den BürgerInnen Informationen über die Verwendung ihrer Steuergelder vorzuenthalten. Während der Staat nicht imstande sei, große Unternehmen angemessen zu besteuern, gehe er jetzt auf kleine und mittlere Unternehmen los und wolle wissen, wie viel Geld die BürgerInnen auf ihren Konten haben und wohin sie auf Urlaub fahren.

Beim Thema Kontenöffnung ohne richterliche Genehmigung wies Strolz auf Erfahrungen in Deutschland hin, wo seit Einführung dieses Instruments immer mehr Konten abgefragt würden. Konten sollen geöffnet werden können, wenn es darum gehe, Steuerbetrug zu bekämpfen, stellte Strolz klar. Andererseits gehe es aber auch um eine effiziente Transparenzdatenbank und um die Möglichkeit, zu verhindern, dass hinter dem Deckmantel des Amtsgeheimnisses Privilegien mit Steuergeldern aufrecht erhalten werden. "Wir brauchen einen öffentlichen Kontoauszug der Landes- und Bundesregierungen".

Schelling entschlossen im Kampf gegen den Steuerbetrug

Finanzminister Hans Jörg Schelling warnte NEOS-Klubobmann davor, Informationen zu verbreiten, die nicht der Realität entsprechen. Das im Zuge der Steuerreform geplante Kontenregister zähle zu den Gegenfinanzierungsmaßnahmen für eine Entlastung der SteuerzahlerInnen um 5 Mrd. €. Um diese Gegenfinanzierung sicherzustellen und den Kampf gegen den Steuerbetrug führen zu können, brauche man geeignete Instrumente, sagte der Minister, zeigte sich entschlossen, den Kampf gegen den Steuerbetrug zu verschärfen und machte darauf aufmerksam, dass über 17 Mrd. € Schaden allein aus dem "Karussellbetrug", der Hinterziehung der Mehrwertsteuer, resultiere. Die Pläne zur erleichterten Kontenöffnung und für das Kontenregister entsprechen OECD-Standards, klärte Schelling auf und lehnte Vergleiche mit Deutschland ab, wo volle Einsichtnahme bestehe. In Österreich soll das Kontenregister nur im Rahmen eines abgabenrechtlichen Verfahrens aufgerufen werden können. Strenge Richtlinien sollen für Konto-Einsichtnahmen gelten: Vieraugenprinzip, lückenlose Dokumentation und Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen durch einen Rechtsschutzbeauftragten oder eine richterliche Stelle. Das Bankgeheimnis werde nicht aufgehoben, die neuen Regeln gelten ausschließlich für bereits bestehende Ausnahmen, sagte Schelling und hielt weiters fest, dass die Einschau in IP-Adressen oder die Verwendung von Fingerabrücken den Verdacht einer Steuerhinterziehung von mindestens 33.000 Euro voraussetzen werden.

Auf die weiteren Punkte des Antrags eingehend, kündigte der Finanzminister an, die Transparenzdatenbank werde auch von den Bundesländern befüllt werden, informierte über bestehende klare Regelungen für Ausgliederungen und das Beteiligungsmanagement und die Dokumentation von Haftungen in Landesrechnungsabschlüssen. Haftungen, die der Bund übernimmt, werden transparent dargestellt und dem Parlament mitgeteilt. An der Verbesserung der Haftungsobergrenzen werde gearbeitet, sagte Schelling, der auch über Gespräche zur Vereinheitlichung der Rechnungslegung plus Spekulationsverbot und einen transparenteren Finanzausgleich berichtete. Über die Verhandlungen zum neuen Finanzausgleich werde er regelmäßig informieren, sagte der Finanzminister den ParlamentarierInnen zu und sprach seine Hoffnung auf sachliche Diskussionen über die Steuerreform und den neuen Finanzausgleich aus.

Transparenz im Staat statt Generalverdacht gegen Bürgerinnen

Klubobfrau Waltraud Dietrich (T) wandte sich ihrerseits gegen Versuche der Regierung, den gläsernen Bürger zu schaffen, um jederzeit Vermögenssteuern einführen zu können, wenn sie mit dem Budget nicht zu Rande komme. Zugleich werde vertuscht und geschwärzt, wenn es um die Verschwendung von Milliardenbeträgen gehe - wir wollen nicht den gläsernen Bürger, sondern den gläsernen Staat, sagte auch Dietrich. Statt Generalverdacht gegen die Bürgerinnen mehr Transparenz im Staat, verlangt das Team Stronach. Gegen den Steuerbetrug sei in den Steueroasen vorzugehen, wo große Firmen ihr Geld bunkern, die ihrer Steuerpflicht nur minimal nachkommen. Dietrich kritisierte den Plan, Kontenregister anzulegen und befürchtete unverhältnismäßige Einsichtnahmen in Konten. Das Team Stronach werde es nicht zulassen, BürgerInnen zu kriminalisieren, das österreichische Sparbuch soll erhalten bleiben und der Schutz der Privatsphäre soll als ein politischer Wert weiterhin vom Staat geschützt werden. "Beamtete Voyeure sollen in den finanziellen Schlafzimmern der ÖsterreicherInnen nicht ein- und ausgehen können, wie es ihnen gefällt", sagte Dietrich. Eine Aufhebung des Bankgeheimnisses wird Kapitalabflüsse nach Asien und steigende Edelmetall- und Immobilienpreise nach sich ziehen, warnte Dietrich und zitierte Hannes Androsch: "Wer den Wind des Vertrauensverlustes sät, wird den Sturm des Misstrauens ernten".

Schieder: Es geht um mehr Steuergerechtigkeit 

Als Kernfrage der Debatte betrachtete SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, wie man gegen große Unternehmen vorgehen könne, die Milliarden an Steuern hinterziehen und diese Gelder in Steueroasen anlegen. Auch Österreich komme nicht umhin, sich am internationalen Informationsaustausch zu beteiligen. Außerdem gehe es darum, eine Steuerreform mit Gegeneinnahmen zu finanzieren, die bisher am Fiskus vorbeigeschmuggelt werden. Das geplante Kontoregister sei notwendig, um große Steuerhinterziehungen nachträglich aufdecken zu können und bei gravierenden Verdachtsmomenten Konten öffnen zu können. Damit werde nicht die Privatsphäre verletzt, sondern mehr Steuergerechtigkeit hergestellt. Dieses Ziel sollte auch für NEOS und Team Stronach gelten, sagte Schieder.

Lopatka: Ja zum Kampf gegen den Steuerbetrug

"Wir lassen uns von niemanden die Steuerreform schlechtreden, auch nicht von NEOS und Team Stronach", sagte ÖVP Klubobmann Reinhold Lopatka und sagte ja zur Steuerbetrugsbekämpfung unter klaren rechtsstaatlichen Bedingungen. Wer dies kritisiere, müsse sich die Frage stellen lassen, wen er schützen möchte - große SteuerhinterzieherInnen oder kleine SteuerzahlerInnen, die durch mehr Steuergerechtigkeit entlastet werden sollen. Einmal mehr stellte Lopatka an dieser Stelle fest, dass es mit der ÖVP keine Einführung von Vermögenssteuern geben wird. "Freiheit, Privatsphäre und Datenschutz sind für die ÖVP unverzichtbare Grundwerte", hielt Lopatka fest und verwies dabei auf das neue Parteiprogramm. Der Sozialstaat und sein Gesundheitssystem brauche Leistungsträger, die arbeiten und täglich Steuern zahlen. Diese LeistungsträgerInnen müssen entlastet werden. Das Kontenregister soll für Klarheit sorgen. Einen gläsernen Bürger wird es mit der ÖVP nicht geben, wohl aber einen verstärkten Kampf gegen den Steuerbetrug, sagte Lopatka und zeigte sich zuversichtlich hinsichtlich eines gemeinsamen Beschlusses von ÖVP, SPÖ und Grünen.

Strache verteidigt das österreichische Bankgeheimnis   

FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache ortete Widersprüche in den Aussagen von Lopatka und dem steirischen ÖVP-Obmann Schützenhofer, der Widerstand der steirischen Abgeordneten gegen die Lockerung des Bankgeheimnisses angekündigt habe. Strache bestätigte Schilderungen des NEOS-Klubobmanns über Mobbing gegen politisch Andersdenkende und wandte sich gegen staatliche Kontrollsysteme, die gegen BürgerInnen missbraucht werden können. Die Freiheitlichen warnen davor, BürgerInnen und UnternehmerInnen unter Generalverdacht stellen und die Freiheit zu beschränken. Zu dieser Freiheit der Menschen in Österreich gehöre auch das Bankgeheimnis, das der FPÖ-Klubobmann einmal mehr nachdrücklich verteidigte. Unter dem Vorwand, SteuerhinterzieherInnen erwischen zu wollen, sollen nun Bürgerrechte eingeschränkt werden, kritisierte der FPÖ-Klubobmann und warnte auch vor Ideen wie der Abschaffung des Bargeldes, die den BürgerInnen die letzte Möglichkeit nehmen würden, Ersparnisse zu schützen.

Glawischnig-Piszeck: Budgetlage macht Kampf gegen Steuerbetrug notwendig

Das Wirtschaftsmodell der FPÖ, die sich hinter russischen und ukrainischen Schwarzgeldkonten verstecke, komme für die Grünen nicht in Frage, sagte Grünen-Obfrau Eva Glawischnig-Piszeck. Auch sie sei gegen anlassloses Sammeln von Daten, sagte die Rednerin und erinnerte an diesbezügliche Erfolge der Grünen beim Verfassungsgerichtshof. Auch sie wolle keine Fingerabdrücke und IP- Adressen im Finanzstrafrecht, betonte Glawischnig-Piszeck und wies auf missverständliche Formulierungen im vorliegenden Antrag hin, die sie mit dem Versuch erklärte, die gegensätzlichen Positionen von NEOS und Team Stronach zu vereinbaren. Das österreichische Bankgeheimnis habe dazu beigetragen, dass Österreich international im Kampf gegen den internationalen Steuerbetrug weit abgeschlagen rangiere. Die Frage sei nun, wie man den internationalen Steuerbetrugs in Milliardenhöhe verhindern könne. Die Grünen haben dafür ein Modell mit dem notwendigen Rechtsschutz vorgelegt, sagte die Obfrau der Grünen, die es angesichts der Budgetsituation und der fehlenden Mittel für die Bildung für notwendig hielt, den Steuerbetrug zu bekämpfen und für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.

Meinl-Reisinger: Mehr Transparenz bei Haftungen 

"Die geplante Steuerreform soll ausschließlich von den BürgerInnen und UnternehmerInnen gegenfinanziert werden - ohne jede Maßnahme auf der Ausgabenseite. Diese Imbalance ist empörend", sagte Beate Meinl-Reisinger (N) und unterstrich das Eintreten der NEOS für eine Steuerreform sowie den bedingungslosen Kampf ihrer Fraktion gegen die Vorratsdatenspeicherung. Die Regierung will die Daten der BürgerInnen sammeln, sei aber nicht bereit, über staatliche Belange zu informieren, daher sei Österreich beim Thema Transparenz in internationalen Rankings weit abgeschlagen. Angesichts mangelnder Transparenz bei Haftungen für ausgegliederte Einrichtungen beantragte Meinl-Reisinger die zeitnahe Veröffentlichung der Erträge und Aufwendungen sowie Informationen über Finanzschulden und Haftungen aller Ministerien, Bundesländer und ausgegliederter Unternehmen, insbesondere von Krankenanstalten. (Fortsetzung Nationalrat) fru