Parlamentskorrespondenz Nr. 764 vom 01.07.2015

Entwicklung des ländlichen Raums ist mehr als Landwirtschaft

Bundesrat diskutiert Bericht über Umsetzung der nationalen Strategiepläne

Wien (PK) – Werden alle Lebensbereiche in ländlichen Regionen mit den EU-Mitteln für die Entwicklung des ländlichen Raums ausbalanciert gefördert oder hat die Landwirtschaft gegenüber sozial-, wirtschafts- und bildungspolitischen Aspekten ein viel zu großes Übergewicht? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Diskussion im EU-Ausschuss des Bundesrats zum Dritten Bericht der Kommission über die Umsetzung der nationalen Strategiepläne und der strategischen Leitlinien der EU für die Entwicklung des ländlichen Raums.

Sonja Zwazl (V/N), Bundesratspräsidentin im ersten Halbjahr 2015 und Präsidentin der Niederösterreichischen Wirtschaftskammer, drängte darauf, auch die gewerbliche Wirtschaft in den ländlichen Regionen ausreichend zu unterstützen, denn diese gehöre dazu und trage wesentlich zur Qualität des Lebensraums bei. Eine Summe von 6,3 Mio. € gegenüber rund 4 Mrd. €, die für Österreich aus dem Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) von 2007-2013 zur Verfügung stehen, hält sie für zu gering und plädierte daher für eine Verschiebung.

Unterstützung erhielt sie dabei von Stefan Schennach (S/W), Wolfgang Beer (S/W) und Ana Blatnik (S/K). Blatnik warnte davor, die Förderung des ländlichen Raums nur landwirtschaftsspezifisch zu sehen und darauf zu reduzieren, vielmehr seien die Regionen als Ganzes zu betrachten. Man müsse die gesamte wirtschaftliche, soziale und bildungsmäßige Struktur berücksichtigen, meinte auch Schennach. Angesichts der Abwanderung aus dem ländlichen Raum, seien alle Anstrengungen nötig, um zu dessen Attraktivierung beizutragen, und dazu gehörten auch Klein- und Kleinstbetriebe. Nur 14 % der Mittel seien für die Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft zu gering. Etwas anders sahen dies die Bundesräte Martin Preineder (V/N) und Ferdinand Tiefnig (V/O). Sie meinten, die Unterstützung für die Landwirtschaft könne nicht in einem noch größeren Ausmaß für andere Bereiche verwendet werden, wobei Tiefnig vor allem auf den Preisverfall landwirtschaftlicher Produkte hinwies.

Strategie für die ländliche Entwicklung und Förderschienen

Die Entwicklung des ländlichen Raums ist die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP). Die erste Säule betrifft Direktzahlungen an LandwirtInnen sowie die gemeinsamen Marktordnungen für einzelne landwirtschaftliche Erzeugnisse. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik von Juni 2003 und April 2004 legt den Schwerpunkt auf die ländliche Entwicklung und deshalb wurde der ELER geschaffen, um mit zusätzlichen Kofinanzierungsmitteln ein breites Spektrum an Entwicklungsmaßnahmen zu fördern, die dem gesamten ländlichen Raum und der dort ansässigen Bevölkerung zu Gute kommen sollen. Die Förder-Leitlinien der GAP werden in der Regel alle sieben Jahre beschlossen und richten sich nach den mehrjährigen Haushaltsplänen der EU. Von 2007 bis 2013 wurde der ELER mit 96,319 Mrd. EUR (zu laufenden Preisen) dotiert, also 20 % des Gesamtvolumens der Gemeinsamen Agrarpolitik.

Um den Leitlinien gerecht zu werden, arbeitet jeder Mitgliedstaat einen nationalen Strategieplan aus, der der Kommission übermittelt wird. Nun liegt der Dritte Bericht der EU-Kommission über die Umsetzung der nationalen Strategiepläne vor und bezieht sich auf Ausgaben bis 2013. Da Österreich in der Umsetzung sehr gut ist, tritt das Landwirtschaftsressort dafür ein, das Programm bald abzuschließen, teilte der Experte des Ministeriums Edgar Mayer (V/V) mit. Vor allem laufe das Leader-Programm im Gegensatz zu anderen Ländern in Österreich sehr gut. Das sei darauf zurückzuführen, dass die diesbezüglichen Projekte in der Region gut abgestimmt werden müssen, was schwierig sei. In Österreich hätte es aber eine gute Zusammenarbeit mit den Bundesländern gegeben. Im Rahmen des Leader- Förderprogramms werden seit 1991 modellhaft innovative Aktionen im ländlichen Raum gefördert, wobei lokale Aktionsgruppen vor Ort Entwicklungskonzepte erarbeiten.

Fakten aus dem Bericht

Die EU setzt bei der Förderung des ländlichen Raums auf Prioritäten. Die Schwerpunkte lauten "Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft", worauf 33 % der gesamten ELER-Mittel entfallen. Zur "Verbesserung der Umwelt und der Landwirtschaft" stehen 45 % bereit, in Österreich zählt hier die Bergbauernförderung dazu. Der Bereich "Lebensqualität im ländlichen Raum und Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft" - in Österreich insbesondere auch Infrastruktur und Einsatz erneuerbarer Energien -  wird mit 14 % und "Leader" mit 6 % gefördert. Dazu kommen Mittel für technische Hilfe und Direktbeihilfen im Ausmaß von 2 %.

Bis Ende 2013 beliefen sich die ELER-Ausgaben auf rund 74 % der für den Zeitraum 2007 bis 2013 vorgesehenen Mittel. Im Vergleich dazu lag der Umsetzungsstand in Österreich bei 90,9 % und damit im Spitzenfeld.

Die höchste Ausführungsquote lag im EU-Durchschnitt bei 86 % (Österreich: 95,3 %) beim Schwerpunkt Umwelt. Im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit waren es 68 % (Österreich: 90,8 %), bei Lebensqualität und Diversifizierung ca. 60 % (Österreich: 65,6 %), und bei Leader etwa 46 % (Österreich: 70,3 %).

Zur Beseitigung der Schwierigkeiten, die in den ersten Jahren der Durchführung auftraten, wurden zahlreiche Änderungen in den einzelnen Programmen vorgenommen, erläutert dazu das Landwirtschaftsministerium. Dabei wurden die Empfehlungen der Halbzeitbewertung berücksichtigt und zusätzliche Finanzmittel zur Bewältigung der neuen Herausforderungen (Gesundheitscheck) und der Wirtschaftskrise (Europäisches Konjunkturprogramm) einbezogen. Die meisten Änderungen bestanden in Mittelumschichtungen zwischen den Maßnahmen.

Das System für die Begleitung der Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums erlaubt laut Ministerium einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse und Fortschritte in der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik. In Zahlen ausgedrückt, nahmen im Rahmen des Schwerpunkts Wettbewerbsfähigkeit EU-weit rund 2,4 Mio. LandwirtInnen erfolgreich an Weiterbildungsmaßnahmen teil, insgesamt wurden über 80 Mrd. EUR in 637.000 Projekte investiert. Was den Schwerpunkt Umwelt betrifft, wurden auf einer Fläche von 47 Mio. ha Umweltmaßnahmen durchgeführt. Unter dem Titel Lebensqualität wurden mehr als 50.000 Projekte für Dienstleistungseinrichtungen zur Grundversorgung für die ländliche Wirtschaft und Bevölkerung abgeschlossen und 62.000 Kleinstunternehmen gefördert oder gegründet. Außerdem wurden bis Ende 2013 etwa 140.000 Leader-Projekte unterstützt. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) jan


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