Parlamentskorrespondenz Nr. 792 vom 07.07.2015

Weisungsrecht: Justizminister bekommt Beirat zur Seite gestellt

Nationalrat stimmt mit S-V-F-Mehrheit für Novellierung des Staatsanwaltschaftsgesetzes

Wien (PK) – Das Weisungsrecht des Justizministers gegenüber der Staatsanwaltschaft wird neu gestaltet. Der amtierende Justizminister Wolfgang Brandstetter und seine AmtsnachfolgerInnen bekommen ein Beratungsgremium zur Seite gestellt. Eine entsprechende Novelle zum Staatsanwaltschaftsgesetz wurde heute vom Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ verabschiedet. Dem Beschluss vorangegangen war eine lange Diskussion über die Einrichtung einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft, letztendlich entschied sich die Abgeordnetenmehrheit auf Empfehlung des Justizausschusses aber dafür, bei der Letztverantwortung des Ministers zu bleiben. Vor allem die Grünen und die NEOS bedauerten das, ein mitverhandelter Grün-Antrag fand allerdings keine Mehrheit.

Der nunmehr verankerte so genannte Weisungsrat soll den Justizminister in ausgewählten Fällen beraten, etwa wenn oberste Organe einer Straftat verdächtigt werden, ein außergewöhnliches Interesse der Öffentlichkeit an einer Strafsache besteht oder sich der Minister befangen fühlt. Die Empfehlungen des Gremiums sind nicht bindend, der Minister muss dem Parlament aber berichten, wenn er diesen nicht Rechnung trägt. Weiters neu ist eine Einschränkung der Berichtspflichten der Staatsanwaltschaften, dadurch sollen Verfahren beschleunigt werden. Überdies wird eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Whistleblower-Hotline bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft geschaffen.

In der Debatte erinnerte Grün-Abgeordneter Albert Steinhauser daran, dass auch Justizminister Brandstetter ursprünglich für eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft eingetreten sei. Nun sei die vom Minister bei seinem Amtsantritt in Aussicht gestellte Reform des Weisungsrechts auf halbem Weg stecken geblieben, klagte er. Für Steinhauser hat der vorgesehene Weisungsrat ein großes Manko: Dessen Entscheidungen würden genau von jenen BeamtInnen vorbereitet, die auch den Justizminister beraten und diesem unterstellt sind. Bei Verfahrenseinstellungen sei der Justizminister überdies nicht verpflichtet, den Weisungsrat beizuziehen. Darüber hinaus gebe es weiter die Möglichkeit der informellen Einflusseinnahme über Dienstbesprechungen.

Die Bevölkerung erwarte sich eine unabhängige Justiz, machte auch Steinhausers Fraktionskollegin Gabriela Moser geltend. Sie fürchtet, dass sich der Justizminister bei umstrittenen Entscheidungen künftig hinter dem Weisungsrat verstecken wird, ohne dass er gleichzeitig auf Einflussnahme verzichtet.

Der Forderung der Grünen nach einem unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft schloss sich auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak an. Die Staatsanwaltschaft sei ein Organ der Gerichtsbarkeit, das Weisungsrecht des Justizministers daher nicht mit der Gewaltenteilung vereinbar, monierte er.

Verteidigt wurde die Gesetzesnovelle hingegen von den beiden ÖVP-Abgeordneten Nikolaus Berlakovich und Friedrich Ofenauer. Der Minister habe die Letztverantwortung für Entscheidungen und könne seine ministeriellen Aufsichtspflichten nur mit Hilfe eines Weisungsrechts wahrnehmen, betonten sie. Durch die vorgesehene Transparenz ist Berlakovich zufolge auch sichergestellt, "dass nicht "gemauschelt werden kann". Eine Bundesstaatsanwaltschaft wäre für Ofenauer eine Parallelbehörde mit erhöhtem Verwaltungsaufwand.

Namens der SPÖ hielten Peter Wittmann und Johannes Jarolim fest, dass ihre Fraktion eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft bevorzugt hätte. Ein vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit oder Dreiviertelmehrheit gewählter Bundesstaatsanwalt wäre sicher ein gutes Modell gewesen, sagte Jarolim. Sowohl er als auch Wittmann zeigten sich mit dem vorliegenden Kompromiss aber zufrieden. Auch wenn dieser nur die "zweitbeste Lösung" bringe, sei diese doch besser als das jetzige Modell, hob Wittmann hervor.

Zustimmend zum Gesetzentwurf äußerte sich auch FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan. Der Minister habe die politische Verantwortung, daher sei es auch richtig, dass er am Ende der Weisungskette stehe, unterstrich er. Eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft als "Staat im Staat" lehnte er dezidiert ab. Der Weisungsrat, der den Minister in seiner Entscheidungsfindung unterstütze, sei hingegen ein guter Kompromiss. Nicht ganz zufrieden ist Stefan mit der Zusammensetzung des Weisungsrats und dessen Bestellmodus.

Seitens des Team Stronach plädierte Abgeordnete Kathrin Nachbaur dafür, das Weisungsrecht des Justizministers unangetastet zu lassen. Dieser sei demokratisch legitimiert und könne bei Fehlentscheidungen abgewählt werden, sagte sie. Wie Stefan glaubt auch Nachbaur, dass eine Bundesstaatsanwaltschaft ein Staat im Staat wäre, die dem Volk keine Rechenschaft schuldig wäre. Auch zum vorgesehenen Weisungsrat äußerte sich Nachbaur kritisch, insbesondere die Einbindung der Generalprokuratur ist für sie problematisch.

Justizminister Wolfgang Brandstetter selbst sprach von einem sinnvollen Kompromiss. Das was vorliege, sei "das Beste, was wir machen können", es handle sich um eine echte Weiterentwicklung und einen echten Fortschritt beim Weisungsrecht. Er wies außerdem auf die vorgesehene umfassende Transparenz hin. Für Brandstetter ist es darüber hinaus wesentlich, dass die Berichtspflichten der StaatsanwältInnen an das Ministerium drastisch reduziert werden. (Fortsetzung Nationalrat) gs