Parlamentskorrespondenz Nr. 1013 vom 29.09.2015

BR-Präsident Kneifel trifft Parlamentarierdelegation aus Südtirol

Hauptthema Asylkrise, Kneifel für raschen Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen

Wien (PK) – Die aktuelle Asylkrise stand im Mittelpunkt einer Aussprache einer hochrangigen Parlamentarierdelegation aus Südtirol mit Bundesratspräsident Gottfried Kneifel. Obwohl in Südtirol nur eine geringe Zahl von AsylwerberInnen untergebracht ist und die Flüchtlingsroute über den Brenner derzeit noch kaum genutzt wird, wie der Südtiroler Landtagspräsident Thomas Widmann berichtete, zeigten sich die Südtiroler MandatarInnen sehr interessiert am Umgang der Politik mit der Situation in Österreich. Auch in Südtirol gebe es große Sorgen, da nicht abschätzbar sei, wie lange der Flüchtlingsstrom anhalten werde, sagte Widmann.

Kneifel wies zum einen auf die enormen Anstrengungen der Behörden und die große Welle der Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung hin, gab aber auch zu bedenken, dass viele Leute Angst hätten. Viele hätten das Gefühl, dass ihre Heimat bedroht sei. Für ihn ist es Aufgabe der Politik, sowohl mit Anstand als auch mit Hausverstand auf die Situation zu reagieren, wobei er einräumte, dass es noch nicht auf alle Fragen eine Antwort gebe. Der Bundesratspräsident glaubt, dass bei der Integration der AsylwerberInnen vor allem auch auf die Gemeinden große Herausforderungen zukommen.

Hilfreich für eine rasche Integration von Flüchtlingen wäre Kneifel zufolge die rasche Entscheidung über ein Bleiberecht für AsylwerberInnen nach dem Vorbild der Schweiz. Dort werde innerhalb einer Woche über diese Frage entschieden, skizzierte er. Er kann sich auch vorstellen, AsylwerberInnen mit Bleiberecht den Zugang zum Arbeitsmarkt zu eröffnen, noch bevor das Asylverfahren endgültig abgeschlossen ist. Man sollte alle, die qualifiziert sind, möglichst rasch in den Arbeitsmarkt integrieren, so Kneifel. Dann würde auch die immer wieder geäußerte Kritik verstummen, dass AsylwerberInnen nicht arbeiten würden. Ein wichtiges Signal wäre seiner Auffassung nach außerdem die explizite Verankerung eines "Asyls auf Zeit" mit einer automatischen Prüfung der Lage im Fluchtland nach drei Jahren.

In die EU setzt Kneifel kurzfristig keine großen Erwartungen. Europa bietet derzeit das Bild einer Hilfs- und Orientierungslosigkeit, hielt er fest. Andererseits sei die EU an Krisen immer gereift, zeigte er sich insgesamt zuversichtlich.

Bedenken des Südtiroler Abgeordneten Andreas Pöder von der BürgerUnion, das kürzlich in Österreich beschlossene Durchgriffsrecht des Bundes bei der Bereitstellung von Flüchtlingsquartieren könnte als Vorbild dienen, auch in anderen Bereichen föderale Strukturen außer Kraft zu setzen und den Zentralstaat zu stärken, teilte Kneifel nicht. Er wies darauf hin, dass sich das Durchgriffsrecht auf Quartiere des Bundes beschränke und überdies befristet sei. ÖVP-Abgeordneter Hermann Gahr, Obmann des Südtirol-Unterausschusses des Nationalrats, hob hervor, dass Solidarität innerhalb Österreichs notwendig sei.

Abseits des Themas Asyl maß Kneifel der Demokratievermittlung und der Demokratiebildung große Bedeutung bei. Da habe man in der Vergangenheit einiges vernachlässigt, sagte er. Man dürfe nicht davon ausgehen, dass die Demokratie eine stabile Konstante sei. Vor diesem Hintergrund begrüßte der Bundesratspräsident auch die Ergebnisse der Enquete-Kommission des Nationalrats zur Demokratiereform. Südtirol könne auf diesem Gebiet wenig vorweisen, räumte Landtagspräsident Widmann zu dieser Frage ein. In der Bevölkerung sei derzeit vielmehr die Stimmung, dass Politik so wenig wie möglich kosten dürfe, ergänzte ein Delegationsmitglied.

Einig waren sich Kneifel und Widmann, was die Beziehungen zwischen Österreich und Südtirol betrifft. Freundschaften gehörten gepflegt, auch wenn die Beziehungen ohnehin sehr gut seien, meinten sie übereinstimmend.

Der von Landtagspräsident Widmann angeführten Delegation gehören neben dem Landtagsvizepräsidenten Roberto Bizzo auch die Mitglieder des Präsidiums des Südtiroler Landtags und die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen an. Im Anschluss an das Gespräch mit Kneifel traf die Delegation mit Mitgliedern des Südtirol-Unterausschusses des Nationalrats zusammen, wo vor allem die Frage einer doppelten Staatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen erörtert wurde. (Fortsetzung Besuch Südtirol) gs

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