Parlamentskorrespondenz Nr. 1195 vom 09.11.2015

Bundesvergabegesetz: Verfassungsausschuss vertagt Beratungen

Tirol sieht noch Verhandlungsbedarf

Wien (PK) – Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat die Beratungen über eine Novelle zum Bundesvergabegesetz heute überraschend vertagt. Grund dafür sind Einwände des Bundeslandes Tirol, wie ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl den Ausschussmitgliedern berichtete. Da sämtliche Bundesländer dem Gesetz zustimmen müssen, damit es in Kraft treten kann, sollen nun in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe weitere Gespräche geführt werden. Sowohl die Koalitionsparteien als auch die Grünen und die FPÖ hoffen, dass so rasch wie möglich eine Einigung zustande kommt. Erhält das Gesetz beim nächsten Ausschusstermin am 3. Dezember grünes Licht, könnte das vorgesehene Inkrafttretensdatum, der 1. März 2016, laut SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch noch eingehalten werden.

Laut Gerstl moniert Tirol, dass der Gesetzentwurf ohne Einbindung der Bundesländer erarbeitet wurde, was jedoch sowohl Muchitsch als auch Kanzleramtsminister Josef Ostermayer in Abrede stellten. Die Länder seien sehr wohl involviert gewesen, es habe Konsens über den Entwurf gegeben, sagte Muchitsch. Er fürchtet negative Auswirkungen auf den angestrebten Konjunkturaufschwung und den Arbeitsmarkt, sollte sich der Beschluss über den 3. Dezember hinaus verzögern. Jeder, der mit offenen Augen durch Österreich fahre, wisse, dass eine Gesetzesänderung notwendig sei, machte Muchitsch geltend.

Ziel der vorliegenden Gesetzesnovelle ist es, bei öffentlichen Auftragsvergaben das Bestbieterprinzip gegenüber dem Billigstbieterprinzip zu stärken. So soll die öffentliche Hand gezwungen werden, bei bestimmten Vergaben künftig einen stärkeren Fokus auf Qualitätskriterien und Folgekosten zu legen. Auch soziale Aspekte sollen in Hinkunft bei Auftragsvergaben berücksichtigt werden dürfen. Für öffentliche Auftraggeber könnte das zwar einen finanziellen Mehraufwand bedeuten, wie in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf eingeräumt wird, die Regierung erwartet sich im Gegenzug aber nicht nur positive volkswirtschaftliche Effekte, sondern rechnet mittelfristig auch mit Einsparungen. Vor allem in der Baubranche gibt es Klagen über unseriöse Unternehmen, die durch undurchsichtige Firmenkonstruktionen, die Weitervergabe von Aufträgen an Dutzende Subunternehmen und durch Lohndumping die Preise gedrückt haben.

Kanzleramtsminister Ostermayer informierte die Abgeordneten darüber, dass es am 14. September die letzte Besprechung zwischen dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts und den Ländern über den vorliegenden Entwurf gegeben habe. Bei einer weiteren Besprechung am 19. Oktober sei es bereits um die nächste Novelle gegangen, skizzierte er. Der gegenständliche Entwurf sei dort gar kein Thema mehr gewesen. Sowohl Gerstl als auch SPÖ-Abgeordneter Otto Pendl gaben allerdings zu bedenken, dass eine Beschlussfassung im Nationalrat wenig Sinn mache, wenn ein Bundesland danach ein Veto einlegt und die Novelle damit nicht in Kraft treten kann.

Bedauert wurde die Vertagung der Gesetzesinitiative auch von der FPÖ und den Grünen. Das Gesetz sei zwar "butterweich" formuliert und lasse viele Spielräume offen, kritisierte FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein, ihrer Meinung nach würde man mit der Novelle aber zumindest einen Schritt in die richtige Richtung setzen. Sie hofft nun, dass die Vertagung nicht dazu führen wird, dass die Bestimmungen weiter aufgeweicht werden bzw. der Entwurf gänzlich ad acta gelegt wird.

Ähnlich argumentierte Grün-Abgeordnete Birgit Schatz. Ihrer Ansicht nach zeugt es von "extremer politischer Handlungsunfähigkeit", dass der Entwurf nun vertagt wird, obwohl SPÖ-Sozialsprecher Muchitsch bei einer kürzlich stattfindenden Veranstaltung mitgeteilt habe, dass es eine Einigung mit den Bundesländern gibt. Auch sie hätte sich noch strengere Vorgaben gewünscht, um die Wirksamkeit der Novelle sicherzustellen. Schatz gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass das Arbeitsmarktservice viel Geld investiere, um ältere Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, etliche Sozialvereine mit älteren Beschäftigten aufgrund ihrer Lohnstruktur gleichzeitig aber keine Chance hätten, bei Vergaben mitzuhalten.

Verständnis für die Vertagung äußerten NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak und Team-Stronach-Abgeordneter Christoph Hagen. Es gehe schließlich um eine komplexe Materie, sagte Scherak. Hagen merkte an, dass in der Regierungsvorlage viele Fehler enthalten seien, wie nicht zuletzt die ASFINAG bemängelt habe. Überdies befürchtet er eine Aufblähung der Verwaltung.

Änderung des Bundesvergabegesetzes soll Bestbieterprinzip stärken

Konkret soll mit der Gesetzesnovelle im Bundesvergabegesetz das "Bestangebotsprinzip" als Zuschlagsprinzip für bestimmte Auftragskonstellationen verankert werden. So wäre etwa bei Bauaufträgen mit einem geschätzten Auftragswert von mehr als einer Million Euro, bei geistigen Dienstleistungen und bei der Durchführung von Verhandlungsverfahren aufgrund einer schwierigen vorherigen Preisabschätzung künftig das "technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot" – und nicht das Angebot mit dem niedrigsten Preis – auszuwählen. Gleiches gilt, wenn der Auftraggeber in der Ausschreibung Alternativangebote ausdrücklich für zulässig erklärt, im Rahmen der Angebotsbewertung Folgekosten wie Serviceleistungen und Erhaltungsarbeiten berücksichtigt werden sollen oder keine vergleichbaren Angebote zu erwarten sind. Sämtliche Zuschlagskriterien sowie deren Gewichtung bzw. Reihung sind im Sinne der Transparenz bereits in den Ausschreibungsunterlagen anzugeben. Auch soziale Kriterien können berücksichtigt werden.

Um die Weitergabe von Auftragsteilen an unseriöse Subunternehmen zu unterbinden und dem Auftraggeber die Kontrolle zu erleichtern, sollen die Bieter künftig grundsätzlich angehalten werden, alle in den Auftrag involvierten Subunternehmen bereits im Angebot bekannt zu geben. Nur in Ausnahmefällen könnte der Auftraggeber dieses Erfordernis etwas lockern. Ein späterer Wechsel in der Subunternehmerkette im Zuge der Vertragsausführung wäre nur noch aus sachlichen Gründen und mit vorheriger Zustimmung des Auftraggebers möglich. Weiters kann der Auftraggeber bei bestimmten Vertragstypen festlegen, dass kritische Bestandteile des Auftrags vom Auftragnehmer selbst bzw. einem Mitglied der beauftragten Bietergemeinschaft ausgeführt werden müssen.

Der Auftraggeber selbst soll künftig verpflichtet werden, vor der Auftragsvergabe nicht nur wie bisher Auskünfte aus der zentralen Verwaltungsstrafevidenz des Finanzministeriums, sondern auch aus der Verwaltungsstrafevidenz des von der Wiener Gebietskrankenkasse geführten Kompetenzzentrums zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping (Kompetenzzentrum LSDB) einzuholen. Gemäß den geltenden gesetzlichen Regelungen können Unternehmen bei schwerwiegenden Verstößen gegen arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen, etwa aufgrund systematischer Unterentlohnung, von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. Ergänzend dazu schreibt das Bundesvergabegesetz vor, dass auch bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit von Bietern einschlägige Verwaltungsstrafen, beispielsweise wegen Schwarzarbeit oder Lohndumping, zu berücksichtigen sind.

Um kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu erleichtern, ist in Reaktion auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs die Klarstellung vorgesehen, dass auch bei Auftragsvergaben im Oberschwellenbereich, also bei größeren Aufträgen, für die Wahl des Vergabeverfahrens der geschätzte Auftragswert der jeweiligen "Kleinlose" gilt, wenn der Auftrag gesplittet wird. Das ermöglicht etwa die direkte Vergabe von Teilleistungen bei umfangreicheren Bauprojekten wie z.B. Installateursarbeiten. Schließlich wird im Bundesvergabegesetz auch einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs betreffend die freiwillige Vorabbekanntmachung von Zuschlagsentscheidungen Rechnung getragen.

Mitverhandelt mit der Regierungsvorlage wurden zwei Anträge der NEOS, die gleichfalls mit S-V-N-T-Mehrheit vertagt wurden. Zum einen geht es den NEOS darum, dass parteinahe Unternehmen und Organisationen künftig keine öffentlichen Aufträge mehr erhalten und in diesem Sinn von Vornherein von einschlägigen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden (1294/A). Damit hoffen sie strukturelle Korruption und illegale Parteienfinanzierung leichter unterbinden zu können. Außerdem mahnen die NEOS eine Klarstellung im Bundesvergabegesetz ein, wonach Direktvergaben bei der Vergabe gemeinwirtschaftlicher Leistungen im öffentlichen Verkehr Ausnahme bleiben müssen (1297/A). (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs