Parlamentskorrespondenz Nr. 1308 vom 23.11.2015

Fischer forderte Einhaltung europäischer Werte im Antiterrorkampf ein

Bundespräsident, Bundeskanzler und Vizekanzler bei Gedenkveranstaltung im Parlament

Wien (PK) – Bei aller Notwendigkeit, konsequent gegen den Terror vorzugehen, dürfe man die europäischen Werte nicht vergessen, war auch der Tenor der Reden von Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner im Rahmen der Gedenkveranstaltung anlässlich der Terroranschläge in Paris, zu der Nationalratspräsidentin Doris Bures und Bundesratspräsident Gottfried Kneifel ins Parlament geladen hatten.

Fischer: Mord und Terror bekämpfen, nicht aber den Islam oder bestimmte Nationalitäten

"Mord und Terror müssen mit Härte und Konsequenz bekämpft, bestraft und verhindert werden, aber ohne das zivilisatorische Niveau, das die europäischen Demokratien erreicht haben, über Bord zu werfen", forderte Bundespräsident Heinz Fischer Verhältnismäßigkeit im Kampf gegen den Terrorismus ein. Man brauche Schutz und Sicherheit, aber auch bei der Abwehr von Terror und Terroristen seien die europäischen Grundwerte entschlossen zu verteidigen, unterstrich Fischer. Der Bundespräsident warnte davor, das Kalkül der Terroristen aufgehen zu lassen, nämlich durch die Verbreitung von Hass und Angst die Vernunft zu schwächen und irrationales Verhalten zu stärken.

Fischer stellte klar, dass man Mord und Terror bekämpfe, aber nicht den Islam oder bestimmte Nationalitäten. Er appellierte auch, Flüchtlinge angesichts der Terrors nicht zu Sündenböcken zu machen. Was Terroristen verbrechen, dürfe nicht dazu führen, Flüchtlinge in doppelter Weise zu Opfern zu machen, indem man sie für Terroranschläge in anderen Ländern unter Generalverdacht stelle.

Gleichzeitig mahnte das Staatsoberhaupt, Österreich sei keine Insel der Seligen. In Österreich werde aber mit vollen Einsatz daran gearbeitet, die BürgerInnen bestmöglich zu schützen und die Position als sicheres Land aufrechtzuerhalten. Das sei auch eine der wichtigsten Aufgaben der Bundesregierung und aller Institutionen, die für Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit Verantwortung tragen. Dabei sei zu wünschen, so die Worte des Staatsoberhaupts, dass neben internationaler Kooperation ein von der Regierung getragenes und mit der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte übereinstimmendes Paket an Maßnahmen ausgearbeitet wird.

Faymann: Österreich ist nicht neutral gegenüber dem Terror

"Österreich ist ein neutrales Land, aber nicht neutral gegenüber dem Terror", bekräftigte Bundeskanzler Werner Faymann die klare Haltung Österreichs. So sei das österreichische Militär etwa in friedenserhaltenden Missionen mit einer sehr klaren Botschaft im Einsatz. Die Regierung werde jene gesellschaftspolitischen Kräfte, die dem Zusammenhalt den Vorrang geben, gegenüber jenen, die den Hass fördern, stärken, sagte er und zollte in diesem Zusammenhang den Glaubensgemeinschaften Anerkennung, die eine respektvolle Art der Kooperation gefunden haben, wodurch sich ein konstruktiver und fruchtvoller Dialog ergebe, so der Kanzler.

Faymann bezeichnete es auch als "ein Gebot der Stunde", auf den Terror durch einen Schulterschluss, durch ein Zusammenrücken und durch verstärkte Zusammenarbeit mit der europäischen Wertehaltung zu reagieren. Die Wertehaltung zu verteidigen, sei aber auch eine Frage der Taten, spielte der Kanzler auf die Flüchtlingsfrage an. "In einer Zeit, in der wir auch zum Thema Menschenrechte und Menschenwürde auf dem Prüfstand stehen, zeigt sich bei der Hilfe für Schutzsuchende, ob wir in der Lage sind, dieses Menschenrecht zu leben", stellte er fest. Die Grundlage für ein friedliches Europa sei ein faires, respektvolles Europa des Zusammenhalts. Viele Aufgaben könne man politisch und gesellschaftspolitisch leisten, um zu zeigen, dass uns Gewalt, Hass und Terror nicht einschüchtern können, sagte Faymann.

Mitterlehner: Balance zwischen Freiheit und Überwachung  

Für Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist das Erschütternde an den jüngsten Angriffen, dass sie sich gegen die Bürger im Allgemeinen gerichtet haben, gegen die Gesellschaft an sich. Die Terroristen hätten sich das Ziel ihrer Attacken nicht zufällig ausgesucht. Frankreich stehe symbolhaft für Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, für die europäischen Werte, so Mitterlehner.

Mitterlehner sprach das schwierige Spannungsfeld zwischen Freiheit und Überwachung an und forderte eine "Balance" ein. Es gehe um eine sorgsame Diskussion, sagte er und stellte klar: "Wir respektieren die Verfassung und den Rechtsstaat, aber diejenigen, die sich bewusst über alle rechtlichen Grenzen hinwegsetzen, dürfen nicht damit spekulieren, dass wir nicht mehr als die derzeitigen Schranken des Rechtsstaates diskutieren". Der Vizekanzler hält es auch für zu wenig, den Terror nur militärisch zu bekämpfen. Man müsse sich auch durch die Verteidigung der Werte wehren, betonte er. Deshalb müsse etwa beim Thema Integration die Einhaltung europäischer Werte "nicht nur Kür, sondern Pflicht" sein.

Der Vizekanzler räumte ein, dass es im Kampf gegen den Terror keine Patentlösung gibt, sondern umfassende Maßnahmen notwendig seien. Man müsse sich dabei eines vor Augen halten: Die erste Grenzüberschreitung sei nicht physische Gewalt, sondern fast immer die Verletzung mit Worten, mahnte er und rief zu mehr Respekt, auch bei unterschiedlicher Meinung auf. (Schluss Gedenkveranstaltung) jan/zwa

HINWEIS: Fotos von der Gedenkveranstaltung finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.