Parlamentskorrespondenz Nr. 167 vom 25.02.2016

Kultur ist eine wesentliche Säule europäischer Identität

EU-Kommissar Tibor Navracsics im Gespräch mit Abgeordneten

Wien (PK) – Mit dem Topthema Jugendarbeitslosigkeit, aber auch mit der Förderung benachteiligter Jugendlicher, der Vorbereitung junger Menschen auf den digitalen Wandel sowie der Werteerziehung und sozialen Inklusion jugendlicher Flüchtlinge befasste sich heute der EU-Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Sport, Tibor Navracsics in einer Aussprache mit Nationalratsabgeordneten im Parlament. Perspektiven der Europäischen Union bei der Lösung der Flüchtlingskrise, nach denen Matthias Strolz (N) fragte, sah Navracsics in einer stärkeren externen Grenzsicherung, besseren Abschiebungsmöglichkeiten und einer stärkeren sozialen Inklusion von Flüchtlingen, die in Europa bleiben. Um weitere Flüchtlingswellen aufzuhalten, verstärke Europa seine Hilfe für Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens, dazu gehöre auch die Unterstützung kultureller Angebote sowie von Bildungsangeboten in den Flüchtlingscamps.

Kommissar Tibor Navracsics informierte seine österreichischen GesprächspartnerInnen über Schwerpunkte europäischer Bildungspolitik vor dem Hintergrund der ökonomischen Krise und der Flüchtlingskrise. Dabei attestierte der Kommissar dem heimischen Bildungswesen sehr gute Ergebnisse. Hinsichtlich der komplizierten Kompetenzverteilung im österreichischen Schulwesen registrierte Navracsics das Bemühen Österreichs, die Situation zu verbessern und wies dabei auf europäische Best practice-Modelle hin.

Vermittlung europäischer Werte

In ihrer Jugendarbeit konzentriere sich die europäische Kommission auf die Unterstützung junger Menschen mit Benachteiligungen, wobei der Kommissar den Zusammenhang zwischen Jugendpolitik und Bildungspolitik hervorstrich und auf das ehrgeizige Ziel hinwies, die Zahl der Erasmus plus-TeilnehmerInnen wesentlich zu steigern. Werteerziehung, Kreativität und interkulturelles Lernen sind Schwerpunkte europäischer Politik für Jugendliche, aktuellerweise auch für jugendliche Flüchtlinge. Nach der notwendigen materiellen Versorgung dieser Menschen geht es in einem zweiten Schritt vor allem um die Vermittlung europäischer Werte, strich Navracsics auf eine Frage von Jessi Lintl (F) hervor. Als eines der wichtigsten Ziele europäischer Politik führte Navracsics die Integration jener Flüchtlinge an, die in Europa bleiben. Er informierte über die Förderung von Workshops und Bildungsangeboten und das Bemühen, den interkulturellen Dialog und die Begegnung von Menschen zu ermöglichen. Europa gibt mehr Geld denn je für soziale Inklusion aus, insbesondere zur Unterstützung lokaler Gemeinschaften. Wichtig sei es aber auch, Kulturprojekte in der Türkei zu fördern, um weiteren Flüchtlingsströmen vorzubeugen. Die Kommission arbeite eng mit der Türkei zusammen, um Flüchtlinge zu ermutigen, in der Nähe ihrer Heimat zu bleiben, sagte Navracsics.

Die ökonomische Bedeutung der Kultur

Österreich ist das erste EU-Mitgliedsland, das einen Qualifikationsrahmen für die Anerkennung unterschiedlicher Qualifikationen geschaffen habe, es werde aber eine Zeit brauchen, bis ein solcher Qualifikationsrahmen in ganz Europa bestehen werde, erfuhr Peter Wurm (F). Die Kommission setze auf die Entwicklung kultureller und kreativer Industrien sowie von Nonprofit-Organisationen. "Die kulturelle Identität ist eine wesentliche Säule der europäischen Identität", betonte der Kommissar. "Das gilt für das kulturelle Erbe und aktuelle Kulturinitiativen ebenso wie die Kultur von morgen. Kultur und Wirtschaft sind unterschiedliche Bereiche, die aber vielfach zusammenhängen, gab Navracsics Abgeordneter Maria Fekter (V) Recht, die dies am Beispiel der Bedeutung der Kultur für den österreichischen Tourismus ausführte. Kultur sei aber an sich kein Thema bei den TTIP-Verhandlungen.

Die Kommission unterstütze Start-ups, wobei es nicht nur um Förderungen, sondern auch um rechtliche Maßnahmen gehe, die die Gründung von Start-ups erleichtern. Die Förderung kreativer Industrien liege ihm sehr am Herzen, sagte Navracsics SPÖ-Abgeordneter Elisabeth Hakel.

Schlüsselqualifikation soziale Bildung

Beim Thema Jugendarbeitslosigkeit, das Katharina Kucharowits (S) ansprach, wies der Kommissar darauf hin, dass viele Firmen Jugendliche einstellen wollten, diesen aber vielfach die Fertigkeiten für einen erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben fehlten, unter anderem auch soziale Fähigkeiten, deren Erwerb es daher von früher Kindheit an zu fördern gelte.

Die von Matthias Strolz (N) angesprochene Überwindung der traditionellen Trennung von Akademikern und Nichtakademikern ist das Thema des Programms Erasmus+, das darauf abzielt, die Zahl von 54.000 Lehrlingen im europäischen Austauschprogramm bis 2020 auf 450.000 zu steigern. Bildung habe Priorität im EU-Budget, sagte der EU-Kommissar, das Programm brauche aber auch Unterstützung von Firmen und Universitäten.

Die Sorge der Grün-Abgeordneten Sigrid Maurer wegen eines wachsenden Antisemitismus in Ungarn bemühte sich Navracsics zu zerstreuen. Navracics distanzierte sich klar von jeder Form des Antisemitismus und wies darauf hin, dass die vitale und wachsende jüdische Gemeinde in Budapest ohne jede Gefahr sei.

Asdin El Habbassi (V) erfuhr von Kommissar Navracsics, dass es Teil der Single-Market-Strategie sei, die digitalen Fertigkeiten junger Menschen zu verbessern, die Universitäten digital zu öffnen und die Zusammenarbeit mit den USA auf diesem Gebiet auszubauen. (Schluss) fru

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