Parlamentskorrespondenz Nr. 341 vom 04.04.2016

Justizausschuss wendet Zusammenlegung der BG Hietzing und Purkersdorf ab

Abgeordnete verabschieden weiters Änderungen für RechtspraktikantInnen und HandelsvertreterInnen

Wien (PK) – Die geplante Zusammenlegung der Bezirksgerichte (BG) Hietzing und Purkersdorf wurde heute im Justizausschuss des Nationalrats ad acta gelegt. Eine von SPÖ und ÖVP dazu vorgeschlagene Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes empfahl die Ausschussmehrheit dem Nationalrat, da verfassungsrechtliche Bedenken bestünden. Einzig die NEOS zeigten kein Verständnis für den Stopp der Fusion. In anderen Fällen – Justizsprecher Nikolaus Scherak sprach die Debatte zum Bezirksgericht Enns an – sei nämlich sehr wohl die verfassungsgesetzliche Grundlage geschaffen worden.

Auf den Weg ins Nationalratsplenum schickten die Abgeordneten überdies eine Änderung des Rechtspraktikantengesetzes – die Gerichtspraxis wird von fünf auf sieben Monate verlängert – , ein Verwertungsgesellschaftengesetz mit Neuregelungen der Urheberrechte bei Online-Nutzung von Musikwerken sowie Neuerungen im Handelsvertretergesetz, die im Wesentlichen Klarstellungen bezüglich der Folgeprovision bei Eigenkündigung enthalten. Vertagt wurde eine Forderung der NEOS zum besseren Qualitätsmanagement bei Gerichtsgutachten. Den Regierungsbericht über das Arbeitsprogramm der EU im Bereich Justiz nahm der Ausschuss mehrheitlich zur Kenntnis.

Verfassungsbedenken stehen Gerichtszusammenlegung entgegen

2012 hatte man im Rahmen der Verwaltungsreform die Integration des niederösterreichischen Gerichtsstandorts Purkersdorf in sein Wiener Pendant Hietzing ab 2014 beschlossen (siehe Parlamentskorrespondenz Nr.526/2012). Zwei Jahre später entschied sich der Nationalrat dafür, die Frist zur Umsetzung bis 1. Juli 2016 zu verlängern, weil noch rechtlicher Klärungsbedarf hinsichtlich der Zusammenlegung von Bezirksgerichten über politische Bezirksgrenzen hinweg bestand. Die Regierungsfraktionen argumentieren dementsprechend ihre nunmehrige Abkehr vom ursprünglich geplanten bundesländerübergreifenden Bezirksgerichtssprengel Hietzing-Purkersdorf mit verfassungsrechtlichen Bedenken (1614/A). So laufe die Zusammenlegung auf eine wechselseitige Einschränkung der Organisationshoheit der beteiligten Länder hinaus, zumal Niederösterreich und Wien über unterschiedliche Rechtsquellen (NÖ: Verordnung; Wien: Bundesgesetz) zur Sprengelfestlegung verfügen. Für Justizminister Wolfgang Brandstetter sprechen allerdings auch praktische Gründe dafür, den Gerichtsstandort Purkersdorf aufrechtzuerhalten. Immerhin wachse Purkersdorf, weswegen es im Interesse der lokalen Bevölkerung liege, ein eigenes Bezirksgericht zu haben.

Weiterer Punkt des gemeinsamen Vorstoßes der Regierungsparteien ist die Forcierung der elektronischen Aktenführung. In Zukunft sollen auch Urkunden und Protokolle gerichtlicher und staatsanwaltschaftlicher Erledigungen elektronisch unterfertigt werden können, wie dies bereits in einem Pilotbetrieb am Arbeits- und Sozialgericht Wien erprobt wird. Die JustizsprecherInnen Michaela Steinacker (V) und Johannes Jarolim (S) erhoffen sich von diesem Probebetrieb ausreichend Erfahrung, sodass auch andere Gerichte den elektronischen Akt einführen können.

Praxisausbildung für Richter, Staatsanwälte, Notare und Rechtsanwälte wird verlängert

Intensivierung, Vertiefung und Attraktivierung der Gerichtspraxis ist die Stoßrichtung einer einstimmig angenommenen Änderung des Rechtspraktikantengesetzes (1028 d.B.), die im Wesentlichen eine Verlängerung der Mindestdauer von bisher fünf auf sieben Monate sowie eine moderate Erhöhung des Ausbildungsbeitrags vorsieht. Wie Justizminister Brandstetter betonten auch die SozialdemokratInnen Gisela Wurm und Klaus Uwe Feichtinger sowie ÖVP-Mandatar Georg Vetter die Bedeutung der praxisnahen Ausbildung an mehreren Gerichten, die für AbsolventInnen eines Jusstudiums laut Vetter eine "unschätzbare Erfahrung" gewährleistet.

Abgeordneter Philipp Schrangl (F) befürwortete die Ausweitung der Gerichtspraxis samt Gehaltssteigerung zwar ebenfalls, er mahnte aber, "nehmen wir den Rechtspraktikanten nicht mehr, als wir ihnen geben". Konkret befürchtete er, durch die Lohnerhöhung hätten Betroffene keinen Anspruch mehr auf Wohnbeihilfe. Im Gesetzesvorschlag veranschlagt ist ein Anstieg des Gehalts für RechtspraktikantInnen von derzeit 1.035 € auf die Hälfte jenes Betrags, der Verwaltungsbediensteten der Entlohnungsgruppe v1, Entlohnungsstufe 1 während der Ausbildungsphase zusteht, also aktuell 1.272,35 € brutto. Wurm erinnerte, die Beachtung von je nach Bundesland unterschiedlich bemessenen Wohnbeihilfen gestalte sich in diesem Zusammenhang schwierig; letztlich gehe es darum, dass durch ein angemessenes Gehalt keine Beihilfe vonnöten ist.

Urheberrechte: Verwertungsgesellschaftengesetz setzt EU-Richtlinie um

Durch ein Verwertungsgesellschaftengesetz (1057 d.B.) setzt Österreich die EU-Richtlinie über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrfachlizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung um. Hauptaspekte sind dabei die Konkretisierung der Rechte und Pflichten gegenüber Nutzern sowie der Ausbau der Transparenz- und Berichtspflichten. In einem eigenen neuen Abschnitt des Gesetzes werden zudem Sondervorschriften für Verwertungsgesellschaften, die Mehrfachlizenzen für Online-Rechte an Musikwerken vergeben, eingeführt. Neu sind auch ein Beschwerdemanagement sowie Streitbeilegungsmechanismen. Im Ausschuss wurde die Regierungsvorlage einhellig angenommen, und zwar in Form eines Abänderungsantrags von SPÖ und ÖVP. In diesem Antrag stelle man klar, erläuterten Werner Groiß (V) und Johannes Jarolim (S), dass kein einheitlicher Gesamtvertrag erforderlich ist, sollten mehrere Verwertungsgesellschaften betroffene Nutzungsrechte wahrnehmen. Ausreichend sei vielmehr der gemeinsame Abschluss von Gesamtverträgen mit den verschiedenen Gesellschaften, bestätigte auch Sektionschef Georg Kathrein vom Justizministerium (BMJ) gegenüber Harald Stefan (F).

Elisabeth Hakl (S), die sich anlässlich des Debattenthemas über den Stand der Entwicklung des neuen Urhebervertragsrechts erkundigte, erfuhr von Kathrein, das Ressort wolle noch Gespräche mit diversen Stakeholdern führen, um praktische Probleme zu eruieren. Zum Anliegen von Dieter Brosz (G), im Transparenzbericht die Medianeinkommen von Verwertungsgesellschaften festzuhalten, gab der Sektionschef zu bedenken, das würde womöglich die KünstlerInnen belasten, wenn zusätzliche Verwaltungskosten durch einen Mittelbeitrag der UrheberInnen zu decken wären.

Handelsvertretergesetz bringt Klarstellung über Provision bei Kündigung

VersicherungsvertreterInnen erhalten bei ordentlicher Kündigung des Agenturvertrags zumindest 50% der Folgeprovision. Diese Klarstellung im Handelsvertretergesetz bringt ein Initiativantrag (1489/A) der Regierungsparteien, der mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen angenommen wurde. Die Abgeordneten Michaela Steinacker (V) und Johannes Jarolim (S) reagieren damit auf einen Spruch des Obersten Gerichtshofs (OGH), der Vereinbarungen mit einem Versicherungsvertreter für sittenwidrig erklärt hatte, wenn diese bei Eigenkündigung des Vertreters das Erlöschen der bereits verdienten, aber noch durch die Ausführung der vermittelten Verträge bedingten Provision in Gestalt von Folgeprovisionen vorsehen. Mittels einer Ausschussfeststellung erfolgte zudem eine Klarstellung, wie die Neuerungen bei der Auszahlung von Folgeprovisionen genau zu verstehen sind.

Den Angeordneten lag zu diesem Thema auch ein Antrag (967/A) der FPÖ vor, der eine entsprechende Anpassung an die Entscheidung der Höchstinstanz einmahnt und nach Ansicht von Harald Stefan (F) die einzig richtige Umsetzung der OGH-Entscheidung bildet. Die Folgeprovision sei, wie von den Freiheitlichen verlangt, zur Gänze auszuzahlen, was aber lediglich das Team Stronach auch so sieht. Nikolaus Scherak (N) hingegen betrachtete beide Änderungsvorschläge zum Handelsvertretergesetz als nicht zielführend, weil das Höchstgericht keinerlei Angaben über die erforderliche Höhe der Folgeprämie in diesem Kontext gemacht habe.

Die jeweiligen Bedenken zur Bemessung der Folgeprämie wies schließlich ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker dezidiert zurück. Bei den Verhandlungen mit VersicherungsvertreterInnen, Versicherungsunternehmen und der Wirtschaftskammer wurde ihr zufolge eine für alle tragbare Lösung zur Prämienbemessung gefunden, die sich in der Formulierung des Antrags niederschlage.

NEOS-Forderung für Qualitätssicherung bei Gerichtsgutachten vertagt

Zur Hebung der Qualität von Gerichtsgutachten braucht es nach Meinung der NEOS einen gesetzlichen Kontrollmechanismus, der gerade bei psychiatrischen, psychologischen und psychotherapeutischen Gutachten regelmäßige Stichprobenprüfungen durch externe Fachleute ermöglicht. In ihrem Antrag (754/A(E)) beruft sich die Oppositionspartei auf eine Studie der Uniklinik Ulm, die den österreichischen Gerichtgutachten über Zurechnungsfähigkeit und Gefährlichkeitsprognose massive Qualitätsmängel bescheinigt – und das, obwohl Gerichtsgutachten vermehrt die Grundlage für Urteile bilden, so Nikolaus Scherak (N). Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser zog nach, besonders im medizinischen Bereich bestehe die Notwendigkeit einer qualitätssichernden Evaluierung und für die SPÖ zeigten sich Petra Bayr und Peter Wittmann durchaus offen für den Gedanken, Sachverständigengutachten besser überprüfen zu lassen. Als unbürokratische Lösung schlug Johannes Hübner (F) vor, eine Verpflichtung zum Wechsel der GutachterInnen bei Gericht vorzusehen.

Beatrix Karl (V) wiederum unterstrich, die Qualitätskontrolle von Gutachten habe grundsätzlich im Rahmen des jeweiligen Gerichtsverfahrens zu erfolgen. Ihren Antrag auf Vertragung der NEOS-Forderung, dem SPÖ und ÖVP folgten, erklärte sie ungeachtet dessen mit laufenden Gesprächen im Justizressort über eine Verbesserung der Gebührensituation bei psychiatrischen Sachverständigen.

Brandstetter: EU-Justizpolitik von Geschlossenheit im Ministerrat geprägt

Von weitgehender Übereinstimmung mit seinen MinisterkollegInnen im Rat der Europäischen Union sprach Justizminister Brandstetter, als der Bericht über die sein Ressort betreffenden Arbeitsprogramme auf EU-Ebene zur Diskussion stand. Aufgrund dieser "Geschlossenheit" erwartet Brandstetter eine zügige Umsetzung wichtiger EU-Gesetzesvorhaben, etwa bei der Terrorismusbekämpfung. Generell bestehe aufgrund der heimischen Rechtslage in Österreich weniger Anpassungsbedarf als in anderen Mitgliedsstaaten. Der Bericht wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS als enderledigt angenommen.

Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit, Transparenz, Einfachheit und Grundrechtskonformität nennt der Bericht als Leitlinien für die Justizpolitik der Europäischen Union. Im Rahmen der Überprüfung zentraler Aspekte bestehender Rechtsvorschriften wolle die EU-Kommission überholte Rechtsakte aufheben und die Zahl neuer Legislativvorschläge reduzieren, beschreibt Minister Brandstetter die Arbeiten an einem Rechtsstand mit einem "deutlichen Mehrwert für die Praxis". Die Qualität der Rechtsakte solle im Gegenzug erhöht werden. (Schluss Justizausschuss)rei