Parlamentskorrespondenz Nr. 589 vom 31.05.2016

Brüssel will Schengen stärken

EU-Ausschuss des Bundesrats begrüßt Vorhaben zur stärkeren Außengrenzsicherung

Wien (PK) - Zur Rettung des Schengenraums braucht die Europäische Union ein besseres Außengrenzen-Management. Mit dieser Meinung ist die Europäische Kommission nicht alleine, auch im EU-Ausschuss des Bundesrats stimmten heute grundsätzlich alle Fraktionen zu, die Kontrolle von Grenzübertritten in den Unionsraum sei zu modernisieren und zu verbessern, um illegale Migration zu unterbinden und Terroristen und Schwerkriminelle besser zu identifizieren. Kern des Kommissionsvorschlags dazu ist, biometrische Daten in einem schnell zugänglichen Informationssystem automatisch zu speichern, wenn Drittstaatsangehörige ein- oder ausreisen. Derzeit werden Einreisende beim Überqueren der Schengen-Außengrenzen lediglich manuell kontrolliert. Ein weiterer Verordnungsentwurf schreibt Methoden zur Überwachung des elektronischen Grenzmanagements-Systems vor, damit es nicht missbräuchlich genutzt wird. Umfasst davon sind auch IT-basierte Möglichkeiten zur Verwendung eines Self-Service-Systems für Grenzübertrittskontrollen.

Wer kommt, soll besser kontrolliert werden

Mit dem Verordnungsvorschlag über ein Einreise-/Ausreisesystem (EES) sollen die Grenzkontrollverfahren für Nicht-EU-BürgerInnen, die in die EU reisen, beschleunigt und erleichtert werden. Ziel der Modernisierung des Außengrenzen-Managements ist, durch bessere Kontrollen den Mitgliedstaaten bei der Bewältigung der Situation zu helfen, wenn sie mit einer steigenden Zahl von Personen konfrontiert sind, die in die EU einreisen und aus der EU ausreisen. Als Teil des umfassenden Pakets "Intelligente Grenzen (Smart Borders)", soll der Legislativvorschlag zur Erhöhung der inneren Sicherheit und zur wirksameren Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität dienen.

Aufgrund des vorgeschlagenen Einreise-/Ausreisesystems wird es auch möglich sein, wirksamer zu kontrollieren, ob die zulässige Dauer bei Kurzaufenthalten eingehalten wird, Grenzkontrollen stärker zu automatisieren und Dokumenten- und Identitätsbetrug leichter aufzudecken. In dem System sollen alle Nicht-EU-BürgerInnen registriert werden, die für einen Kurzaufenthalt (von höchstens 90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen) in den Schengen-Raum einreisen dürfen.

Erfasst werden der Name des bzw. der Reisenden, die Art des Reisedokuments, biometrische Daten sowie der Zeitpunkt und der Ort der Ein- und der Ausreise. Dies wird Bona-fide-Reisenden den Grenzübertritt erleichtern. Außerdem können Personen ermittelt werden, die die zulässige Aufenthaltsdauer überschritten haben oder sich ohne gültige Ausweispapiere im Schengen-Raum aufhalten. Einreiseverweigerungen werden ebenfalls in dem System erfasst.

In dem vorgeschlagenen System sollen alphanumerische und biometrische Daten - eine Kombination aus vier Fingerabdrücken und dem Gesichtsbild - gespeichert werden. Wie die Kommission versichert, sind angemessene Datenschutzgarantien und strenge Zugangsregeln vorgesehen. Das System besteht aus einer zentralen Datenbank mit nationalen Netzzugangspunkten. Zwischen dem Einreise-/Ausreisesystem (EES) und dem Visa-Informationssystem (VIS) wird Interoperabilität hergestellt. Auch die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europol sollen unter genau festgelegten Bedingungen Zugang zum Einreise-/Ausreisesystem haben. Das soll zu einer Erhöhung der Sicherheit im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität führen.

Zum Paket "Intelligente Grenzen" gehört auch ein überarbeiteter Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung des Schengener Grenzkodexes unter Berücksichtigung der technischen Änderungen, die sich aus dem vorgeschlagenen Einreise-/Ausreisesystem ergeben. Diese Änderungen beinhalten, dass Selbstbedienungssysteme und elektronische Grenzkontrollen ("e-Gates") für Drittstaatsangehörige eingerichtet werden, und ermöglichen damit die automatisierte Erledigung bestimmter Schritte des Kontrollverfahrens und die Einführung nationaler Registrierungsprogramme für Reisende durch Mitgliedstaaten, die solche Programme umsetzen möchten.

Das Einreise-/Ausreisesystem wird das derzeitige System des manuellen Abstempelns von Reisepässen ersetzen, das zeitaufwändig ist, keine verlässlichen Daten zu Grenzübertritten liefert, die Aufdeckung von Aufenthaltsdauer-Überschreitungen nicht ermöglicht und keine Lösung für den Fall bietet, dass Reisedokumente verloren gehen oder vernichtet werden, begründet die EU-Kommission ihren Vorschlag.

Die Pläne der EU wurden von den Bundesrätinnen und Bundesräten durchwegs begrüßt. Wie Stefan Schennach (S/W) dazu bemerkte, zahlt es sich aus, wenn sich die Parlamente eingehend mit den EU-Vorlagen befassen und ihre Stellungnahmen dazu abgeben. Denn der im Jahr 2013 vorgelegte Entwurf wurde schlussendlich zurückgezogen und nach grundlegender Überarbeitung neu vorgelegt. Der nunmehrige Vorschlag bedeute einen riesigen Sprung, denn nun würden die Datenschutzbehörden mit der Kontrolle beauftragt. Schennach trat daher mit Nachdruck dafür ein, dem Ganzen eine Chance zu geben.

Der im Ausschuss anwesende Vertreter des Innenministeriums wies gegenüber Edgar Mayer (V/V) darauf hin, dass jeder Drittstaatsangehörige erfasst wird, egal ob dieser zu Land, Wasser oder Luft einreist. Die Daten der Reisepässe sowie vier Fingerabdrücke werden beim erstmaligen Grenzübertritt in den Schengenraum erfasst, was durchaus zu Wartezeiten führen könne, räumte er ein. 

Personen, die die Grenze illegal überschritten haben, werden nicht im EES erfasst, erläuterte er nach einer Wortmeldung von Ferdinand Tiefnig (V/O). Bei einem etwaigen Aufgriff solcher Personen würden diese einer fremdenpolizeilichen Behandlung wie bisher unterzogen werden. Es werde auch weiterhin möglich sein, zwei Reisepässe zu haben, bestätigte er Bundesrat Ewald Lindinger (S/O), beide Pässe würden im System gespeichert.

Monika Mühlwerth (F/W) äußerte Skepsis hinsichtlich der Zugriffsmöglichkeiten der Fluglinien auf die Daten. Diese Bedenken räumte der Vertreter des Innenresorts insofern aus, als er daran erinnerte, dass jedes Beförderungsunternehmen verpflichtet sei, sich zu vergewissern, ob jemand zur Einreise berechtigt ist oder nicht. Da es in Zukunft keinen Stempel mehr im Pass gibt, könnten die Unternehmen die nötige Prüfung nicht vornehmen, weshalb die Einsichtnahme in die Daten notwendig sei. Die Daten würden automatisch nach fünf Jahren gelöscht, ein Rechner überprüfe auch, ob die zulässige Aufenthaltsdauer bereits überschritten ist, bemerkte er auf Anfragen von Ana Blatnik (S/K) und Stefan Schennach (S/W).

Was die Kosten betrifft, so würden diese für das System von der EU getragen, informierte der Experte den Ausschuss. Die Nationalstaaten müssten für zusätzliche Personalkosten, die Anschlüsse an das System und die Zugriffsmöglichkeiten für die Strafverfolgungsbehörden aufkommen. (Fortsetzung EU Ausschuss des Bundesrats) jan   


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