Parlamentskorrespondenz Nr. 678 vom 16.06.2016

Frauenagenden wandern ab Juli zu Gesundheitsministerin Oberhauser

Nationalrat verabschiedet Novelle zum Bundesministeriengesetz

Wien (PK) – Im Zuge der im Mai erfolgten Regierungsumbildung wurde auch die Entscheidung getroffen, die Zuständigkeit für Frauen- und Gleichstellungsangelegenheiten an Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser zu übertragen. Damit wollte man nicht zuletzt der neuen Bildungsministerin Sonja Hammerschmid die Möglichkeit geben, sich gänzlich auf Bildungsfragen zu konzentrieren, wie Kanzleramtsminister Thomas Drozda bei den parlamentarischen Ausschussberatungen erklärte. Nun ist diese Kompetenzverschiebung auch gesetzlich fixiert. Der Nationalrat stimmte in der heutigen Sitzung einer entsprechenden Novellierung des Bundesministeriengesetzes zu. In Kraft treten soll die Novelle mit 1. Juli.

Gegen die Kompetenzverschiebung votierten die FPÖ und die Grünen. So sieht FPÖ-Abgeordneter Günther Kumpitsch keinen Anlass, die Zuständigkeiten in der Regierung zu verändern, da es, wie er meinte, ohnehin in absehbarer Zeit Neuwahlen geben wird und die Kompetenzverschiebung Kosten in Höhe von zig-tausend Euro verursachen werde, etwa für neue Schilder und Infrastruktur. Er plädierte stattdessen dafür, die Zahl der Ministerien zu verringern, um Kosten zu sparen. Mit einem entsprechenden Entschließungsantrag konnte sich die FPÖ aber nicht durchsetzen. Sinnvoller als eine Kompetenzverschiebung wäre Kumpitsch zufolge außerdem mehr Druck seitens der Politik, damit Frauen in der Privatwirtschaft endlich den gleichen Lohn wie Männer für gleiche Arbeit erhalten. Seine Fraktionskollegin Carmen Schimanek drängte auf mehr Sachlichkeit in der Frauenpolitik und weniger Ideologie.

Seitens der Grünen bedauerte Aygül Berivan Aslan, dass die Gelegenheit nicht dazu genutzt werde, um wieder ein eigenständiges Frauenministerium einzurichten. Ein solches habe es schon einmal gegeben, seit Jahren würden die Kompetenzen für Frauenangelegenheiten aber von einem Ministerium ins andere verschoben. Dieses "Ping-Pong-Spiel" ist für sie ein deutliches Zeichen dafür, welchen Stellenwert Frauenpolitik für SPÖ und ÖVP haben.

Gegen die Person Oberhausers äußerte Aslan keine Bedenken. Diese sei eine erfahrene Frauenministerin. Auch für Sigrid Maurer (G) ist die Eignung Oberhausers für das Amt unbestritten. Nach Meinung von Maurer braucht es aber ein eigenständiges Frauenministerium, um die Gleichstellung von Frauen effektiv voranzutreiben. Derzeit bewege man sich hier "im Schneckentempo". Eine Frauenministerin ohne andere Kompetenzen könnte nicht nur mehr Druck innerhalb der Regierung aufbauen, sondern hätte auch ein ganz anderes Standing in der Öffentlichkeit, machte sie geltend.

Die Forderung nach einem eigenen Frauenministerium stieß bei den anderen Fraktionen allerdings nur bedingt auf Widerhall. Sie sei zwar grundsätzlich für ein eigenständiges Frauenministerium, sagte SPÖ-Gleichbehandlungssprecherin Gisela Wurm, ein solches Ministerium bräuchte allerdings mehr Kompetenzen. Die Frauenagenden seien bei Gesundheitsministerin Oberhauser in guten Händen, ist sie überzeugt. Diese sei eine prononcierte Frauenpolitikerin. Auch von Andrea Kuntzl (S) erhielt Oberhauser Vorschusslorbeeren. Ihrer Einschätzung nach gibt es im Bereich der Frauenpolitik noch viel zu tun, es gehe nicht nur um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.

ÖVP-Frauensprecherin Dorothea Schittenhelm gab zu bedenken, dass Frauenpolitik Querschnittsmaterie ist. Auch sie würde ein eigenständiges Frauenministerium bevorzugen, vorrangig sei jedoch, dass sich die jeweilige Frauenministerin mit aller Kraft für die Belange von Frauen stark mache. Mit Oberhauser hat man ihrer Meinung nach eine gute Wahl getroffen. Auch für ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl ist die Ministerin eine erprobte Kämpferin für Frauenangelegenheiten. Schittenhelm hält überdies die Kombination Gesundheit und Frauen für zweckmäßig.

Zweifel an Notwendigkeit eines eigenständigen Frauenministeriums

Zweifel an der Notwendigkeit eines eigenen Frauenministeriums äußerte NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon. Frauen seien keine Minderheit, sondern stellten die Mehrheit der Bevölkerung, betonte sie. In diesem Sinn hält sie jedes Ressort für gefordert, Frauenpolitik zu machen. Es brauche unter anderem dringend 50:50 bei Kinderbetreuung und Karenz, ein Ende traditioneller Rollenzuschreibungen und eine Adaptierung der Steuerpolitik, um Teilzeitarbeit in Österreich nicht weiter zu subventionieren. Für Gamon ist die deutlich gestiegene Teilzeitquote unter beschäftigen Frauen "eine unfassbare Verschlechterung", Teilzeit wirke sich nicht nur auf das Erwerbseinkommen aus, sondern verursache auch Altersarmut.

Ausdrücklich gegen ein eigenständiges Frauenministerium wandten sich auch Wolfgang Zanger (F) und Robert Lugar (T). Mit dem Budget, das man für ein eigenes Frauenministerium benötigen würde, könne man für Frauen einiges bewegen, argumentierte Zanger. Seiner Ansicht nach wäre es am sinnvollsten, die Kompetenzen für Frauen und Familien zusammenzulegen, da Frauenpolitik auch Familienpolitik sei.

Ein eigenständiges Frauenministerium wäre diskriminierend, weil Frauen und Männer ungleich behandelt würden, argumentierte Lugar. "Machen wir Politik für die Menschen und differenzieren wir nicht zwischen Mann und Frau", so sein Appell. Frauen hätten heutzutage am Arbeitsmarkt die gleichen Chancen wie Männer, ist Lugar überzeugt. Die Einkommensschere führt er auf die hohe Teilzeitquote unter den weiblichen Beschäftigten zurück, das sei aber eine freiwillige Entscheidung der Frauen. Eine wahre Gefahr für die Gleichstellung von Männern und Frauen sieht Lugar vielmehr durch die Zuwanderung: Viele Zuwanderer würden, auch in zweiter und dritter Generation, "Frauenrechte mit Füßen treten". Der fraktionslose Abgeordnete Rupert Doppler glaubt, dass die Anliegen der Frauen bei Gesundheitsministerin Oberhauser gut aufgehoben sind.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser wies darauf hin, dass der geringere Verdienst von Frauen nicht nur auf die deutlich höhere Teilzeitquote zurückzuführen ist. Auch vollzeitbeschäftigte Frauen verdienten vielfach weniger als Männer. Allgemein hofft sie auf eine gute Zusammenarbeit mit den Abgeordneten im Sinne der österreichischen Frauen. In Richtung Abgeordnetem Lugar hielt Oberhauser fest, ganz egal wer Gewalt gegen Frauen ausübe, ob verbal oder tätlich, werde mit Konsequenzen zu rechnen haben.

Eine eigene Debatte löste die Bemerkung von FPÖ-Abgeordnetem Kumpitsch aus, wonach die derzeitige Regierung besonders in einem Punkt eine Regierung der Superlative sei, nämlich was die Zahl der ausgetauschten Köpfe seit Beginn der Legislaturperiode betrifft. Wer im Glashaus sitze, solle nicht mit Steinen werfen, replizierte ÖVP-Abgeordneter Gerstl. Die FPÖ habe in ihrer Regierungszeit in den Jahren 2000 bis 2006 für drei Ressorts 14 MinisterInnen und Staatssekretäre benötigt. (Fortsetzung Nationalrat) gs